Malte Woydt
Eine "kulturelle Nutzung" für die Halles St.Géry

Gelöst und zufrieden gibt sich Charles Piqué, sozialistischer Ministerpräsident von Brüssel, wenn er sich seinem Zweitressort, dem Denkmalsschutz widmen kann. So zum Beispiel neulich bei der Vorstellung der neuen Nutzung für die Halles St. Géry (gegenüber dem Café Zebra).

In der schönen früheren Markthalle soll ein Informationszentrum zum Denkmalsschutz entstehen. Ein bürgernahes Projekt im Rahmen von "Brüssel 2000", ein lebendiger Mittelpunkt für das Quartier, ein Ort der Kommunikation und des Austauschs, schwärmen die beteiligten Politiker. Die BürgerInnen sollen hier alle Informationen zum Denkmalsschutz und zur Restauration alter Gebäude an einer Stelle finden. Ausstellungen, Konferenzen und Tagungen zum Denkmalschutz sollen hier stattfinden. Ein Café entstehen und ein "Artshop" eingerichtet werden.

Schöne Pläne. Überrascht vernimmt der unvoreingenommene Zuhörer dann, daß die vier Bürgervereinigungen der Stadt, die sich schon seit bis zu 30 Jahren für die Rettung von Baudenkmälern einsetzen, nicht einbezogen sind. Die Struktur der renovierten Markthalle mit 30 kleinen Ladennischen ließ vermuten, da käme jetzt in jede Nische etwas anderes hinein. Aber genausowenig, wie die ehrenamtlichen Vereine hier hineingelassen werden, werden auch nicht etwa auf Restaurierung spezialisierte Firmen eingeladen, wie man hätte vermuten können.

Auf Nachfragen schrumpft das "Kommunikationszentrum" auf die zwei Depandancen von Denkmalschutzamt bzw. Renovierungsberatungsstelle, das Café und den Artshop. Die Mehrzahl der Ladennischen wird abgerissen, um Platz für die Austellungen zu schaffen. Auf die Frage, ob eine Nutzung für die Abende vorgesehen sei, heißt es, darüber habe man noch nicht nachgedacht. Der Trägerverein werde sich darum kümmern...

Apropos Trägerverein: Die Halle gehört der Stadt Brüssel, die sie langfristig an eine Privatfirma verpachtet hat. Letztere hat dort mit einer Ansammlung von Modeboutiques zuletzt ebenso Schiffbruch erlitten wie mit der Nutzung als Markthalle vorher. Was soll auch eine Markthalle in einem Viertel, dessen Wohnhäuser größtenteils abgerissen wurden? Diese Firma verpachtet Erd- und Obergeschoß an einen "gemeinnützigen Verein", der zu 100% der Region Brüssel gehört. Die Region Brüssel hilft also nun dem privatwirtschaftlichen Pächter der Stadt Brüssel, aus den roten Zahlen zu kommen...

Alles deutet im Moment darauf hin, daß die Halle außer zu Büroöffnungszeiten in erster Linie als repräsentativer Tagungsort dienen wird. Wenn allerdings zumindest auch Bücherflohmärkte als Nutzer angedacht sind. Das schön gemauerte Kellergeschoß verbleibt in der Regie der Pächterfirma. Es heißt, vielleicht könne dort ein Restaurant hinein, der Antrag auf Einrichtung einer Disko war von der Stadt bereits einmal abgelehnt worden. Eigentlich könnten sich dort ja die Bürgervereinigungen ansiedeln. Als Kellerkinder direkt unter dem offiziellen Brüssel, das sie ignoriert...

Brüssel-Rundschau  18.9.98s
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