Malte Woydt
MusicCity: Überraschende Wendung

Als wir alle in die Sommerpause entlassen wurden, hatte es so ausgesehen, als ob der leidige Streit um Musiccity endlich zu aller Zufriedenheit gelöst worden sei. Der liberale Bürgermeister der Stadt Brüssel, Donnea, hatte mit seinen rot-grünen Koalitionspartner einen Kompromiß gefunden. Man gibt dem amerikanisch-kanadischen Investorenkonsortium die Erlaubnis, daß Thurn-und-Taxis-Gelände zu einem Konzert-, Einkaufs- und Bürokomplex umzubauen. Aber mit strengen Auflagen. Die denkmalschutzwürdige Dachkonstruktion, die die Investoren zur Hälfte abreißen wollen, sollte erhalten bleiben, indem die Konzerthalle unter dieses Dach tief in die Erde verlegt werden sollte.

Kaum zwei Tage waren danach vergangen, da ging es plötzlich Schlag auf Schlag. Die Baugenehmigung ist ungültig, weil es nach belgischen Gesetzen verboten ist, Hallen für mehr als 500 Menschen unter die Erde zu verlegen, ganz zu schweigen von den geplanten 13.000... Donnea soll seinen Koalitionspartnern ein darauf hinweisendes Gutachten der Feuerwehr vorenthalten haben.

Resultat: Da die städtische Baugenehmigung ungültig ist, lag es nun bei der Regionalregierung, über den Bauantrag zu entscheiden. Deren sozialistischer Ministerpräsident Piqué hatte die Investoren selbst an Land gezogen, seinem liberalen Städtebauminister Hasquin kann sowieso kein Bauprojekt groß genug sein.

Die Regionalregierung hat nun eine Genehmigung erlassen, die garkeine Bedingungen mehr stellt, die Investoren sollen doch verfahren, wie sie es für richtig halten. Nix Denkmalschutz, nix soziale Ausgleichsmaßnahmen, nix freie Zugänglichkeit des Geländes. Wer will es da denjenigen verübeln, die sich von beiden liberalen Parteifreunden in Stadt und Region über den Tisch gezogen fühlen?

Brüssel-Rundschau  4.9.98
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Thema: Le Soir, 28.3.98 
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