Malte Woydt:
Bürosturm über Brüssel

Der neue Regionale Flächennutzungsplan PRAS

Der Regionale Flächennutzungsplan PRAS (Plan Regional d'Affectation de Sol) hat für ziemlichen Wirbel gesorgt in den vergangenen Monaten. Es ist völlig unmöglich alles aufzuzählen, was gegen ihn vorgebracht wird.

Abgesehen von der kurzen Zeit, in der das Projekt durchgedrückt werden soll, und daß die mit viel Aufwand in den letzten Jahren erstellten regionalen und kommunalen Stadtentwicklungspläne mit Inkrafttreten des PRAS in den Mülleimer wandern sollen, sind es drei Elemente, die in erster Linie bemängelt werden:

1.) Der Plan ist voller Fehler. Die Gemeinde Molenbeek hat sich die Mühe gemacht, sie zu zählen: Bei ihnen ist ein Viertel aller Angaben unrichtig. In anderen Stadtteilen sieht es nicht besser aus. Bestehende Gewerbebetriebe werden zu Parks oder Büroflächen, Ganze Häuserblocks wurden vergessen. Das Obergeschoß der City2 existiert nicht...

2.) Der Vorgänger des PRAS, der erst vor drei Jahren verabschiedete Regionale Entwicklungsplan PRD, hatte zum Ziel, die Umwidmung von Wohnraum in Büros einzuschränken, den Bürowildwuchs in bestimmte Viertel zu kanalisieren, in anderen Vierteln Wohnraum oder Gewerbegebiete unter Schutz zu stellen. Nichts mehr davon im neuen PRAS.

Der Plan gibt für jeden einzelnen Häuserblock der Stadt eine Büroflächenobergrenze an. Bis zu dieser Maximalfläche sollen ohne großen bürokratischen Aufwand Büros errichtet werden können. Mit ganz wenigen Ausnahmen sind die angegebenen Zahlen deutlich höher als die existierende Bürofläche, meist um ein mehrfaches. Im Endeffekt ist damit jeder Häuserblock in der Stadt für die Immobilienhaie zum Abschuß freigegeben. Es gilt, der erste zu sein, der die Quote ausschöpft. Wer zu spät kommt, hat Pech gehabt, oder muß EInheiten von unter 200 qm bauen, die werden nämlich nicht mitgezählt...

3.) Nicht nur der PRD auch der ebenfalls drei Jahre alte Verkehrsentwicklungsplan IRIS wird ungültig werden. Vergessen wir hier mal die Ungereimtheiten in punkto Autostraßen und öffentlichem Personennahverkehr. Der IRIS sah revolutionärerweise eine Fahrradinfrastruktur vor, die die ganze Stadt mit Fahrradrouten überziehen sollte. Im PRAS werden Fahrräder gar nicht mehr erwähnt - alle diesbezüglichen Planungen werden still und leise im Papierkorb versenkt...

Kein Wunder, daß die Umweltverbände Sturm laufen. aber auch alle 19 Gemeinden protestieren. Die kommunalpolitische Arbeit mehrerer Jahre wird auf einen Schlag vernichtet, der PRAS ist viel zu komplex, um auch nur annähernd in der von der Regionalregierung diktierten Zeit durchgesehen und kommentiert werden zu können. Viele sehen jetzt die Bürowelle auf sich zurollen. Da hatte man drei Jahre lang geglaubt, man könne die Spekulanten in die Schranken weisen und den weiterer Abriß ganzer Wohnviertel vermeiden - und jetzt scheint alles aus.

Aber selbst die Immobilienwirtschaft beschwert sich über das wertvolle Geschenk, daß ihr überreicht werden soll: Der PRAS möge ja noch so vorteilhaft sein, wie er wolle. Was sei das aber denn für ein Verfahren, alle drei Jahre einen komplett neuen Plan vorzulegen! Wenn das Beispiel Schule mache, jetzt den PRD nach schon 3 Jahren zur Makulatur zu erklären, wer sagt denn dann, daß nicht in zwei Jahren eine neue Regionalregierung wieder was neues erfindet? Planungssicherheit bitteschön!

Die sechs Wochen Einspruchsfrist für Normalbürger ist vorbei, ebenso die sechs Wochen für die Interessenverbände, jetzt haben die 19 Gemeinden 6 Wochen Zeit, dann tritt die konzertierte Stadtplanungskommision zusammen, in der sie alle vertreten sind. Und zum Abschluß wird die Sozialistisch-Liberale Mehrheit im Regionalparlament ein paar kleine Änderungen vornehmen, aber im Prinzip alles absegnen. Die Regionalregierung hofft, die Geschichte noch bis zu den Wahlen im Juni fertigzubekommen. Wobei die PRL langsam ungehalten wird, daß sich der ganze Ärger an ihrem Regionalminister Hasquin entlädt, während die sozialistischen Minister Piquet, Malraux etc. alles mittragen, aber als Gemeindebürgermeister die großen Opponenten mimen...

Brüssel-Rundschau  15.1.99  
Links:
Moniteur Belge: PRAS  
Moniteur Belge: PRAS Erratum  
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