Malte Woydt:
Rue Neuve -

Die Ruhe vor dem Sturm

Unglaublich. Die Bauarbeiten in der Rue Neuve sind zu Ende. Kein Gestolpere mehr von einem Schlammloch zum nächsten. Nur daß jetzt wieder überall Autos herumstehen. Die Verwandlung einer Fußgängerzone in eine Autostraße - typisch Brüssel?

Dabei war es noch nicht einmal Fußgängerschreck Hervé Hasquin, der dafür verantwortlich zeigt. Nein, man höre und staune, Henri Simons, grüner Baustadtrat von Brüssel-Stadt zeichnet dafür verantwortlich. Die Straße ist nach Geschäftsschluß wie ausgestorben, nicht gerade ein sicheres Pflaster für Fußgänger. Also beschloß man, die Straße wieder für Autoverkehr und Parken zu öffnen. Was allerdings die Brüsseler von der Einschränkung "nur 17-11 Uhr" halten kann man untertags beobachten.... Im Effekt also: Schluß mit Brüssels einziger Fußgängerzone!

Das Ende der Bauarbeiten war für "bis zu den Festtagen" versprochen. Wer dabei "bis zum Beginn des Weihnachtsgeschäftes" gehört haben wollte, wurde bald eines Besseren belehrt. Am 21. Dezember war es soweit.

Reaktion der Geschäftsleute: Ja, ganz nett, auch besser als vorher. Aber doch bitte noch einige Korrekturen: Der ausgesuchte Stein verschmutzt zu schnell, der Belag ist uneben, es bilden sich Pfützen. Die Lampenmasten sind nicht genügend gesichert, ein kleiner Stoß eines Lieferwagens und so'n Ding kippt um. Die Sitzbänke sind zu niedrig. Im neuen Jahr werde das alles korrigiert, heißt es bei der Stadtverwaltung. - Alles? Weitere drei Monate Baustelle vielleicht?

Auf jeden Fall macht sich die Geschichte bezahlt. Die Wirtschaft investiert. Die Rue Neuve ist dieses Jahr trotz Bauarbeiten zur profitabelsten Einkaufsstraße Belgiens avanciert. Nix Antwerpen...

Fürs erste scheint die Strategie von Brüssel-Stadt aufzugehen, die vor einem Jahr extra die Stelle eines TCM (Town City Managers) geschaffen hatte, um die innenstädtischen Geschäftsviertel für den Konkurrenzkampf mit der grünen Wiese fitzumachen (Cora Anderlecht beispielsweise).

Die Geschäftsleute der Rue Neuve befürchten jetzt, daß die Freude in zwei Jahren wieder vorbei sein könnte. Der neue Gegner heißt "Music City",  das wie die Brüssel-Rundschau berichtete, neben Musik auch ein großes Einkaufszentrum beherbergen soll.

Ich persönlich frage mich nur, wo der Zeitungskiosk geblieben ist, der immer alle deutschen Zeitungen vorrätig hatte...

Brüssel-Rundschau  1.1.99