Malte Woydt
Die Besetzung Islands
durch die USA
im 2. Weltkrieg

in ihren Auswirkungen auf die
deutsch-amerikanischen Beziehungen

unveröffentlichte Seminararbeit (1993) im Rahmen eines Seminars zu den "Deutsch-Amerikanischen Beziehungen 1933-1939"

  see English abstract: US occupation of Iceland in world war 2

Inhalt

1. Einleitung
2. Islands Einzug in die Weltgeschichte
3. Deutsches Interesse an Island
4. Besetzung durch Großbritannien
5. Beziehungen zu den USA
6. Zunehmende US-Unterstützung für Großbritannien
7. Von der Idee zur Einladung
8. Landung der US-Truppen
9. Reaktionen in den USA
10. Deutsche Reaktionen
11. US-Truppen auf Island
12. Bleibende Folgen
13. Schlußbetrachtung
14. Quellen und Literatur

 1. Einleitung

Am 7.7.1941 trat Präsident Roosevelt vor den Kongreß und informierte die Abgeordneten, er habe auf Einladung der isländischen Regierung amerikanische Truppen in Marsch gesetzt, um die dort stationierten britischen Kräfte zu unterstützem. Am 7.7.1941 trat Premierminister Jonasson vor den Althing, und begründete das Abkommen mit den Amerikanern über die Entsendung von Truppen. Am 7.7.1941 lief Task Force 19, bestehend aus fünfundzwanzig amerikanischen Kriegsschiffen im Hafen von Reykjavik ein. Einladung, Annahme und Durchführung wurden gleichzeitig verkündet.

Die Entsendung amerikanischer Truppen nach Island - in der Literatur meistens als "Besetzung" tituliert, weshalb ich diesen Begriff hier auch benutze, obwohl die USA formal ja eingeladen wurden - war der erste Europa-Einsatz US-amerikanischer Soldaten im Zweiten Weltkrieg.

Detlev Junker schreibt, Hitler habe Amerika immer dann für stark gehalten, als es tatsächlich oder potentiell in Europa anwesend war, und für schwach, solange es abwesend war.  Es liegt deshalb nahe, zu vermuten, daß die Besetzung Islands durch die USA einen Wendepunkt in den deutsch-amerikanischen Beziehungen darstellen könnte. Die Untersuchung, ob diese Vermutung zutrifft, ist eines der Anliegen meiner Arbeit.

Im Verlauf der Vorarbeiten schälte sich als weiteres Ziel die Darstellung der Geschichte der amerikanischen Island-Politk im Zweiten Weltkrieg heraus, da sie den zum Verständnis der Entscheidung Roosevelts, gerade auf dieser Insel den ersten Schritt nach Europa zu tun, nötigen Hintergrund bildet.
 

2. Islands Einzug in die Weltgeschichte

Islands erste dauerhafte Besiedlung begann um 870 von Norwegen aus. Der seit 930 (zwischen 1800 und 1843 im Untergrund) tagende Althing ist das älteste noch bestehende Parlament der Erde.  Island gehörte seit 1380 zu Dänemark mit dem es ab 1918 nur noch locker verbunden war. Das in diesem Jahre geschlossene Abkommen sah vor, daß Dänemark und Island als (voneinander) unabhängige Staaten anzusehen seien, die jedoch einem gemeinsamen König unterstehen, Island zur Neutralität verpflichtet wurde. Für die Außenpolitik des Inselstaates war weiterhin Dänemark zuständig, wenn auch internationale Verträge erst für Island Gültigkeit bekommen sollten, wenn der Althing zustimmte. Ab 1940 sollte es beiden Seiten erlaubt sein, mit Zweidrittelmehrheit im Parlament den Vertrag zu kündigen. Island hatte bis 1939 nur zwei außenpolitische Interessen: Die Loslösung von Dänemark und der Absatz von Fisch.

Erst im Zweiten Weltkrieg wurde das abgelegene Land plötzlich für die großen Mächte interessant. Island liegt auf der Linie Grönland - Faröer - Schottland, die bereits im September 1939 von den Briten zur Blockadelinie aufgebaut wurde. Eine Northern Patrol sollte Deutschland von seinen Handelspartnern in Spanien und Südamerika abschneiden. Zum anderen lag es an der britischen Konvoiroute, quasi an der Nabelschnur, über die Großbritannien mit dringend benötigten Waffen und Lebensmitteln aus Amerika versorgt wurde.

Auf die Besetzung Dänemarks durch deutsche Truppen am 9. April 1940 reagierte Island mit der Erklärung seiner Souveränitätsrechte, es fühle sich an unter deutschem Druck stehenden dänische Regierungen nicht gebunden. Außenpolitik und Fischereiinspektion wurden von nun an in eigener Regie betrieben.

Von 1939 bis 1942 wurde Island durch eine große Koalition aus städtischen Konservativen, Bauernpartei und Sozialdemokraten regiert, die versuchte, soweit als möglich Island aus internationalen Zwistigkeiten herauszuhalten.
 

3. Deutsches Interesse an Island

Island bekam 1939 zum ersten Mal die Machtpolitik des nationalsozialistischen Deutschland zu spüren. Die Lufthansa hatte von 1928 bis 1931 auf Island einen lokalen Flugbetrieb betrieben und meinte dafür die bis 1940 befristete Zusicherung bekommen zu haben, immer dieselben Flugrechte eingeräumt zu bekommen wie dritte Staaten. Als Anfang 1939 in Deutschland Gerüchte aufkamen, Island würde einem anderen Staat gestatten, einen Flugplatz zu errichten, versuchten die Deutschen zu erreichen, daß (auch) der Lufthansa (wieder) Landerechte eingeräumt würden. Zur gleichen Zeit wurde der Kreuzer Emden nach Island gesandt, vorgeblich, um nach deutschen Fischerbooten zu sehen. Island wies am 23.März das Ansinnen mit der Begründung zurück, erstens habe Island die behaupteten Versprechen nie gemacht, zweitens werde man angesichts der Weltsituation keinem fremden Staat oder fremder Fluggesellschaft Landerechte einräumen, drittens wolle man einen eigenen Flugbetrieb aufziehen. Der Kreuzer zog hernach wieder ab.

1939 begann man im Büro Canaris Pläne zur Besetzung Islands zu schmieden. Andere Strategen hatten vorgeschlagen, die Insel als Basis für einen Angriff auf die USA zu nutzen. Ribbentrop und Pflugk-Burckhardt bauten währenddessen ein Spionagenetz auf.  Das Dritte Reich hat in Island - wie wohl in den anderen skandinavischen Staaten auch - versucht, den Mythos der gemeinsamen nordischen Rasse zu verbreiten, auch durch die Vergabe von Stipendien für deutsche Universitäten an isländische Studenten.

Letztlich kamen die Deutschen allerdings mit Island über Sandkastenspiele nicht hinaus. Am 20. Juni 1940 berichtet der Oberbefehlshaber der Marine über den Plan Ikarus, der die Besetzung Islands zum Ziel haben sollte. Seine Ausführungen enthielten Angaben über die günstigste Jahreszeit und den günstigen Landungsplatz, kamen jedoch zu dem Schluß, daß ohne den vollen Einsatz der Marine die dauerhafte Versorgung eines Stützpunktes auf Island unmöglich sei.  Am 26.9. erweiterte Raeder seine Feststellung dahingehend, daß die Flotte für jedes weitere Ausgreifen auf den Ozean zu schwach sei. Die Luftwaffe könnte zwar auf die Atlantikinseln hinüberspringen, die zum Halten notwendigen Truppen samt Kriegsgerät aber nur von der Marine antransportiert werden.  Plan Ikarus wurde fallengelassen.
 

4. Besetzung durch Großbritannien

Als Reaktion auf die Einnahme Dänemarks durch deutsche Truppen hatte Großbritannien am 16. April 1940 die Färöer-Inseln besetzt.  Als nun auch Norwegen fiel, nahmen siebentausend Engländer und Kanadier am 10. Mai 1940 das ja zu Neutralität verpflichtete Island ein.  So konnte die Bedeutung der norwegischen Häfen für den deutschen Zugang zum Atlantik eingeschränkt werden.

Die - vermutlich im Gegensatz zu ihrer allerdings auch nicht im Vorhinein informierten Regierung - völlig überraschten Isländer wußten stundenlang nicht, ob nun britische oder deutsche Truppen gelandet waren. ihre Regierung protestierte zwar offiziell gegen die Besetzung, war aber froh, nicht
den Deutschen auf diesem Wege zu begegnen. Premierminister Jonasson empfahl in einer Rundfunkansprache der Bevölkerung, die Soldaten als Gäste zu betrachten und zuvorkommend zu behandeln.

Seiner Majestät Regierung erklärte, durch die Besetzung Island vor Deutschland schützen zu wollen, versprach, die Truppen bei Kriegsende wieder abzuziehen, sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen und für alle entstehenden Schäden aufzukommen. Außerdem stellte sie Island ein Handelsabkommen in Aussicht.  Die von Island abgehende Post unterlag allerdings der britischen Zensur.  Die USA erklären ihr Einverständnis zu der Aktion.

Bis auf die Inhaftierung dreier führender Mitglieder der isländischen Kommunisten durch britische Stellen, wogegen sich die isländische Regierung als Einmischung in die inneren Angelegenheiten wehrte, verlief die britische Besatzungszeit ohne Auseinandersetzungen.  Im Frühjahr 1941 standen 27.500 britische Soldaten auf der Insel.

5. Beziehungen zu den USA

Der erste isländisch-amerikanische Kontakt datiert von 1776, als der Althing dem amerikanischen Volk in einer Grußadresse zu ihrer Unabhängigkeitserklärung gratulierte. Hundertfünfzig Jahre lang hat man dann in den USA keine Notiz von Island genommen. Dies änderte sich erst Anfang der Zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts, als man sich der Entdeckung Amerikas durch die Wikinger erinnerte. Zur Tausendjahrfeier des Althing sandten die USA eine Delegation mit einer Statue von Leif Eriksson im Gepäck.

Im Sommer 1939 versuchte der isolationistische Senator Nye anläßlich der Eröffnung des isländischen Pavillons auf der Weltausstellung in New York das Land ohne Armee für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Amerika habe keine besseren Bürger als die Isländer, niemand habe sich schneller und vollständiger assimiliert.

Am 16. April 1940 nahmen die USA als Reaktion auf die deutsche Besetzung Dänemarks diplomatische Beziehungen zu Island auf, sie wurden fortan durch einen Konsul dort vertreten (Bertel E. Kuniholm), Island sandte einen Generalkonsul nach Washington (Vilhjalmur Thor; ab 5.9.40: Thór Thórs).

Bereits am 29. Mai 1940 berichtete Kuniholm, daß isländische Stellen befürchteten, nur ungenügend verteidigt zu werden. Ganze zwei Flugzeuge und ein Flugabwehrgeschütz waren zu diesem Zeitpunkt installiert worden.  Ende Juli erwartete man nach seinen Worten angesichts zehner in Norwegen zusammengezogener deutscher Divisionen und der schwachen britischen Verteidigung - inzwischen über 20.000 Mann und kürzlich verstärkte Flakstellungen aber keinerlei Kriegsschiffe - täglich einen deutschen Angriff. Am 12. Juli hatte ein deutscher Bomber ein isländisches Fischerboot versenkt.

Am jenem Tag hatte der isländische Generalkonsul für die Vereinigten Staaten denn auch bereits "inoffiziell aber mit Wissen seiner Regierung" in Washington angefragt, ob die USA nicht Island in die Westliche Hemisphäre einbeziehen und unter den Schutz der Monroe-Doktrin stellen könnten.  Als er dieses Ansinnen am 5. September gegenüber Außenminister Hull wiederholte, wurde ihm beschieden, man könne zu diesem Zeitpunkt noch keine definitive Antwort geben. Im Dezember stellte der isländische Außenminister dieselbe Frage an den amerikanischen Konsul in Reykjavik. Hull antwortete mit Datum vom 18. Januar 1941 wieder: Die USA seien nicht darauf vorbereitet, ein Expeditionstruppen auf die Insel zu schicken.

Nach Nuechterlein hat Island den Schutz der USA nur für den Fall der Besetzung Großbritanniens durch Deutschland erbeten.  Chester bringt das erste isländische Ansinnen gar in Zusammenhang mit der Forderung der Deutschen Allgemeinen Zeitung, die von einem amerikanischen Senator aufgegriffen worden sei, Island als Teil der westlichen Hemisphäre vor den Engländern zu schützen(!), die Anfrage von Dezember beurteilt er genauso wie Nuechterlein.  An einer Stelle findet sich die Behauptung, bereits diese frühen Anfragen seien Ergebnis britischen Insistierens.  Das halte ich für unwahrscheinlich, da erstens der Zeitpunkt der ersten Anfrage erst im September behauptet wird, zweitens die Briten im Frühjahr noch große Schwierigkeiten haben sollten, die isländische Regierung von einer Ablösung durch die Amerikaner zu überzeugen. Den Akten läßt sich nicht entnehmen, ob die Bitte um Unterstützung nur für den Fall eines britischen Abzugs galt.

Am 17. Mai 1940 kappte Island endgültig jede Verbindung mit der dänischen Krone.

6. Zunehmende US-Unterstützung für Großbritannien

Roosevelt hatte seit Kriegsbeginn gegen starke Widerstände des Kongresses Großbritannien im Krieg zunehmende Unterstützung leisten können (short-of-war-policy). Im September 1940 bekam Großbritannien von den USA fünfzig Zerstörer übereignet im Tausch für die Mitbenutzungsrechte von britischen Flottenbasen in der Westlichen Hemisphäre (dem amerikanischen Kontinent). Ab März 1941 durfte der Präsident nach dem Lend-Lease-Act alle irgendwie kriegswichtigen Waffen, Waren und Güter an jene Nationen verkaufen, verleihen oder verpachten, deren Verteidigung nach Ansicht des Präsidenten von vitalem Interesse für die Vereinigten Staaten war.  Ab Anfang April wurden beschädigte britische Kriegsschiffe in amerikanischen Werften repariert.  Im Rahmen dieses Programmes wurden durch Amerikaner auch militärische Stützpunkte für die Briten in Irland und Schottland errichtet, die nötig geworden waren, um die seit der Besetzung Frankreichs durch die Deutschen nach Norden verlegten Konvoirouten abzusichern.

Nachdem sie bereits im März auf Bermuda Stützpunkte angelegt hatten,  ließen sich am 9. April die USA vom dänischen Gesandten in Washington einen Vertrag geben, der sie zur Einrichtung militärischer Stützpunkte auf Grönland ermächtigte. Daß die dänische Regierung auf Veranlassung Deutschlands die Vereinbarung für nichtig erklärte, störte die Amerikaner nicht weiter.

Am 27.Mai erklärte Roosevelt den "unbegrenzten nationalen Notstand".
 

7. Von der Idee zur Einladung

Auf geheimen britisch-amerikanischen Stabsbesprechungen von Januar bis März 1941 wurde das Abkommen ABC-1 geschlossen, das den Rahmen für die weitere Zusammenarbeit absteckte. Die US-Marine sollte den Schutz der alliierten Handelsschiffahrt übernehmen, um britische Kräfte freizustellen. Landstreitkräfte sollten in erster Linie durch Amerikaner genutze Flotten- und Luftwaffenstützpunkte verteidigen.  Auch die eventuelle Ablösung der Briten auf Island war hier niedergelegt.  Allerdings sollten diese Planungen nicht vor September des Jahres greifen.

Was die Frage schon im Mai zur Entscheidung brachte, waren die Berichte des Generalkonsuls Kuniholm und die Ergebnisse der Aufklärungsfahrt des USS Niblack im April. Deutsche U-Boote waren in Islands Küstengewässern gesichtet worden, und deutsche Flugzeuge flogen ungestraft über die Insel.  Am 25. März 1941 hatte Deutschland das Operationsgebiet für den uneingeschränkten U-Boot-Krieg im Nordatlantik auf die Gewässer um Island ausgeweitet.  Hinzu kamnen die zunehmend häufiger werdenden Berichte über große deutsche Truppen- und Schiffskonzentrationen im nördlichen Norwegen, die vermutlich gegen die Sowjetunion gerichtet waren, jedoch auch für einen Angriff auf Island gedacht sein könnten.  Auf ihrer oben erwähnten Erkundungsfahrt hatte die Niblack bereits ein deutsches U-Boot angegriffen. Dieser Zwischenfall war die erste bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den USA und Deutschland im Zweiten Weltkrieg.

Nach Watson erklärte sich die Marine bereits am 15. April in der Lage, die Ablösung der britischen Kräfte auf Island jederzeit vorzunehmen.  Chester berichtet dies erst für den 5. Mai. Am 18. April erweiterten die USA jedenfalls die amerikanische Neutralitätszone bis zum 25. Längengrad, also bis zur Ostküste Grönlands und der Westküste von Island und einschließlich der Azoren. Innerhalb dieser erweiterten Neutralitätszone hielten nun amerikanische Kriegsschiffe und Marineflugzeuge Ausschau nach deutschen U-Booten und Kaperschiffen und funkten offen deren Position, um die englische Marine zu informieren. Dieser Hemisphere Defense Plan bestimmte ausdrücklich, daß nur im Falle eines deutschen Angriffes zurückgeschossen werden sollte.

Es gibt unterschiedliche Meinungen dazu, zu welchem Termin sich Roosevelt entschloß, amerikanische Truppen nach Island zu senden. Nach Chester hat er bereits Mitte Mai diesen Entschluß gefaßt und seine Entscheidung Churchill telegraphiert.  Das einzige Telegramm aus dem Zeitraum mit Bezug auf Island datiert allerdings erst auf den 29.Mai. Roosevelt bietet hier an, für Großbritannien bestimmte Flugzeuge aus amerikanischer Produktion in Zukunft auf Neufundland (Kanada) und später eventuell auf Island zu übergeben. Es ist Churchill, der in seiner Antwort schreibt, daß er die Übernahme Islands durch die USA nun zum frühestmöglichen Zeitpunkt begrüßen würde.  Loewenheims These, daß der Entschluß erst am 5.Juni gefallen sei,  scheint aber auch nicht zuzutreffen, Chester behauptet nämlich, daß Harry Hopkins, Roosevelts engster Mitarbeiter, bereits am 2. Juni den Kriegs- und den Marineminister von der Island-Aktion unterrichtete, und diese wiederum mit Außenminister Hull darüber konferierten.  Dieser Vorgang führte auch die Behauptung von Langer und Gleason, die Verhandlungen betreffs Island seien unter Umgehung der Außenminister Hull und Lord Halifax geführt worden,  endgültig ad absurdum. Tatsächlich wurde die Aktion bis in kleinste Details in Schriftwechseln und Gesprächen zwischen eben diesem Lord Halifax (allerdings nicht mehr in seiner früheren Position als Außenminister sondern als Botschafter in Washington!) und Hulls Stellvertreter Summer Welles vorbereitet.  Aus der Tatsache, daß Hull nicht persönlich beteiligt war, läßt sich nicht der Schluß ziehen, er sei umgangen worden.

Am 6.Juni ordnet der Präsident an, einen Teil der Pazifikflotte in den Atlantik zu überführen,  zehn Tage später gab er den Befehl, mit Operation Indigo, den Vorbereitungen zur Besetzung Islands, zu beginnen.

Ungefähr zeitgleich müssen auch die Briten informiert worden sein. Ebenfalls am 16.Juni reagierten jene nämlich auf eine diesbezügliche Mitteilung durch den amerikanischen Sonderbotschafter Ghormley. Sie legten den USA detaillierte Vorstellungen dar, wie die Aktion ihrer Ansicht nach ablaufen sollte. Sie hielten - analog zu ihrem Vorgehen ein Jahr zuvor - die Einbeziehung der isländischen Regierung im Vorfeld für unnötig, jene müsse erst kurz vor oder während der Landung amerikanischer Truppen informiert werden. Beigelegt war gar der ausformulierte Entwurf für eine Erklärung der USA gegenüber Island. Sie gaben ferner ihrem Wunsch Ausdruck, in der Island-Sache immer auf dem aktuellen Stand gehalten zu werden.

Der Präsident ließ Seiner Majestät Regierung auf diesen doch recht forschen Brief zwei Tage später antworten, daß ihr Vorschlag für ihn völlig unakzeptabel sei. Sein Plan sei wie folgt: Sobald die nötigen amerikanischen Einheiten auf Neufundland oder Bermuda zusammengestellt worden seien, sollte die britische Regierung Island mitteilen, daß sie ihre Kräfte woanders benötigten, und den isländischen Premierminister für Ersatz zu einer Einladung an die USA bewegen.

Am 22.Juni berichtete Halifax gegenüber Welles von Bedenken des britischen Gesandten auf Island, es sei zweifelhaft, ob die Isländer zu einer Einladung bereit wären. Außerdem bestehe die Gefahr - eine Einschätzung der sich das Foreign Office anschließe -, daß etwas nach außen dringe, da die isländische Presse nicht der Zensur unterliege und Funkgeräte auf isländischen Fischerbooten keiner Kontrolle unterworfen seien. Nichtsdestotrotz werde man jeden Plan des Präsidenten unterstützen. Welles erwiderte darauf, daß eine Besetzung ohne vorherige Einladung das Vertrauen der anderen amerikanischen Staaten in die US-Regierung zerstörte. Auf die Frage des Botschafters, ob die USA sicherstellen würden, daß während der Übergangsperiode, während derer sowohl britische als auch amerikanische Truppen auf Island stationiert sein würden, die Gesamtzahl nicht unter den aktuellen Stand sinke, bejahten die Amerikaner.

Der britische Gesandte auf Island trug am 24. Juni dem isländischen Premierminister die britisch-amerikanischen Vorstellungen vor. Jonasson antwortete, daß zwar viele Mitglieder seiner Regierung einverstanden wären, er aber nicht. Er verwies darauf, daß die isländischen Bemühungen vom Vorjahr in Amerika abgelehnt worden waren. Der Brite tat in seinem Bericht die Einschätzung kund, daß man die isländische Regierung vielleicht zu einer öffentlichen Einwilligung, nicht aber zu einer Einladung bringen könne.  Im folgenden drohte er gegenüber Island damit, daß die Briten auch ohne amerikanische "Ablösung" abziehen würden, wodurch Island deutscher Aggression ausgeliefert sei. Dies wurde ihm angesichts der häufigen britischen Beteuerungen, wie groß die stratigische Bedeutung der Insel sei, nicht abgenommen.

In den folgenden Tagen kristallierten sich als isländische Bedenken zwei Punkte heraus: 1. Man wolle das Wort "einladen" nicht benutzen, da das Parlament mit breiter Mehrheit beschlossen habe, die USA nicht von sich aus um Unterstützung zu ersuchen. 2. Man wolle vermeiden, auf unbestimmte Zeit zwei Besatzungsmächte zu haben, dies werde als schlechter empfunden als der status quo. Man könne die Ablösung Großbritanniens Briten durch die USA als Wechsel von einem kriegführenden zu einem neutralen Beschützer gut begründen. Die isländische Regierung machte dann einen Vorschlag für einen "Einladungstext", der von den USA akzeptiert wurde, und bat darum, in dem von den USA vorgeschlagenen "Antworttext" klarzustellen, daß die amerikanischen Truppen die Briten nicht nur unterstützen, sondern ablösen würden. Hierauf erklärten sich die Amerikaner bereit, die entsprechende Formulierung abzuschwächen.

Bis 1. Juli 1941 wurden die zwei Texte von Island, den USA und Großbritannien akzeptiert. Auf die formale Zusendung einer "Einladung" und einer "Antwort" wurde verzichtet.

Die isländische "Einladung" enthielt, daß Großbritannien seine Truppen anderswo benötige, die USA gerne die Verteidigung Islands übernähmen, aber nur auf Einladung Islands. Angesichts der aktuellen Umstände und im Interesse des Landes vertraue man sich den USA unter folgenden Bedingungen an:

Roosevelt akzeptierte in seiner Antwort diese Bedingungen und kündigt an, daß die USA sofort Truppen nach Island schickten, um die britischen kräfte zu unterstützen und gegebenenfalls zu ersetzen.

Zeitgleich zu dem isländisch-amerikanischen Abkommen baten die Isländer Großbritannien, die Bedingungen des Abkommens sinngemäß auch für sich zu akzeptieren und die deportierten isländischen Kommunisten freizulassen. Am 8. Juli kam Antwort aus London, daß man die Bedingungen akzeptiere. So hatte Island die Beziehungen zu beiden Besatzungsmächten auf eine vertragliche Grundlage gestellt. Island hatte somit seine Verteidigung für die Dauer des Krieges in bestmögliche Hände gegeben, den Grundstein für florierende Handelsbeziehungen zu den westlichen Mächten gelegt, und für das Ende des Krieges die Unterstützung von zwei der drei Großen Mächte für die Beibehaltung seiner Unabhängigkeit gesichert.

Am 9. und 10. Juli durfte der Althing über die Ratifizierung des Abkommens mit den USA entscheiden. Einschließlich der Stimmen fünfer Konservativer, die betonten, nur wegen der Alternativlosigkeit mit Ja zu stimmen, wurde der Vertrag mit 39 gegen 3 (kommunistische) Stimmen angenommen. Die von den einzelnen Parteien herausgegebenen Zeitungen befürworteten deren Haltung.
 

8. Landung der US-Truppen

Eigentlich ist das Stellen von Besatzungstruppen eine der ureigensten Aufgaben des Heeres. Da aber in nahezu jeder US-amerikanischen Heeres-Einheit Wehrpflichtige dienten, deren Einsatz im Ausland gegen ihrne Willen nach dem Selective Service Act nicht möglich war, und die Bildung von rein aus Berufssoldaten bestehenden Einheiten zu lange gedauert hätte, griff man auf die nur aus Freiwilligen zusammengesetzte Marineinfanterie zurück.

Zur Durchführung der Besetzung wurden von diesen verschiedene besonders gut ausgerüstete und trainierte Einheiten für "amphibious manouevers in the Carribbean" zusammengezogen, wohinter die meisten die Besetzung Martiniques, besser Informierte hingegen die Besetzung der Azoren vermuteten. Große Überraschung bei den Soldaten, als ihnen in South Carolina Woll-Unterwäsche ausgehändigt wurde! Am 22. Juni wurden sie bereits nach Argentia auf Neufundland verfrachtet. Dort legten am 1. Juli fünfundzwanzig Schiffe, darunter vier Truppentransporter, mit 194 Offizieren und 3714 Mannschaften an Bord, Richtung Island ab.  Am 7. Juli liefen die Schiffe in Reykjavik ein.

Am 4. Juli wurde Senator Burton K. Wheeler in der New York Times zitiert, daß um den 20. Juli US-Truppen in Island landen würden. Churchill beschwerte sich bei Roosevelt ob dieser Indiskretion. Der Feind hätte die Flotte gut angreifen können, da ihm das Ziel bekannt gewesen sei.

In einer Botschaft an den Kongreß führte Roosevelt am 7. Juli drei Gründe an, die ihn zur Besetzung Islands bewogen hatten. Erstens die Bedrohung Grönlands und des nördlichen Teils des Nordamerikanischen Kontinents und der dazwischenliegenden, taktisch äußerst wertvollen Inseln. Zweitens die Gefährdung der Schiffahrt und drittens die Bedrohung der Munitionstransporte, deren Route an den Küsten Islands vorbeiführte. Es erklärte ferner, daß er alle erforderlichen Schritte befohlen habe, um die Verbindungen nach Island wie auch zu allen anderen strategischen Vorposten zu sichern und zu diesem Zweck alle amerikanischen und isländischen Schiffe gegen feindlichen Angriff oder Angriffsdrohung zu verteidigen
 

9. Reaktionen in den USA

Die Besetzung Islands löste in isolationistischen Kreisen eine Welle der Empörung aus. Es handle sich dabei um einen ungesetzlichen Schritt auf dem Weg zu einem unerklärten Krieg. Auf der anderen Seite hatten manche Interventionisten im State Department vergeblich gehofft, Deutschland könnte die Aktion als Anlaß für eine Kriegserklärung nutzen.

Der deutsche Botschafter in Washington berichtete am 18.7., daß der "Führer der nicht interventionistischen Opposition" ihm "dringend nahegelegt" habe, "alles daranzusetzen", daß die Deutsche Regierung auf die Provokationsversuche Roosevelts nicht reagiere. Wenn bis Ende des Jahres Zwischenfälle vermieden werden könnten, werde die Opposition stark genug sein, um den Kriegseintritt der USA zu verhindern.

Die Befragten einer Gallup-Umfrage (Befragungszeitraum: 11.-16.7.) hießen zu 61% die "Übernahme der Verteidigung Islands durch die USA" gut (17% dagegen, 22% ohne Meinung). Eine Umfrage von zwei Wochen zuvor, hatte noch eine Mehrheit von 79% gegen den sofortigen Eintritt der USA in den Krieg ergeben.

Die Reaktionen der amerikanischen Öffentlichkeit müssen vor dem Hintergrund gesehen werden, daß aus offiziellen Quellen bislang so gut wie nichts über die Aktivitäten der US-Marine im Atlantik bekannt war. Nach einer Erklärung Roosevelts vom 25. April seien die Aufgaben der amerikanischen Schiffe "patrolling and reporting". Am 9. Juni meldete die Washington Post, daß ein amerikanischer Zerstörer Torpedos auf ein deutsches U-Boot abgeschossen habe - es handelt sich hierbei vermutlich um die oben geschilderten Vorgang auf der Niblack vom April. Diese und ähnliche Meldungen wurden jedesmal als falsch zurückgewiesen. Auch den Geleitschutz nach Island hat man in der Öffentlichkeit nicht zugegeben - ja noch nicht einmal gegenüber der Senatskommission für Marineangelegenheiten. Die Presse blieb skeptisch.
 

10. Deutsche Reaktionen

Die amerikanische Aktion scheint vom Auswärtigen Amt nicht vorausgesehen worden zu sein. Eine vom deutschen Botschafter in Washington am Morgen des 7.Juli an das Auswärtige Amt gesandte Lagebeurteilung enthielt trotz der Veröffentlichung der New York Times vom 4. Juli keinerlei Hinweis darauf, daß die USA in absehbarer Zeit mit eigenen Streitkräften in das Kriegsgeschehen eingreifen könnten. Er stellte die Diskussion in den USA als von "primitivem strategischen Denken" bestimmt dar. Zwar wurde Marineminister Knox mit einer in der New York Times vom 1.Juli zitierten Erklärung, daß die amerikanische Flotte nun den Atlantischen Ozean "von der deutschen Drohung reinigen" solle, angeführt, aber diese Äußerung wurde damit kommentiert, daß man in den USA "nicht die entfernteste Vorstellung" habe, wie man "während der Dauer des deutsch-russischen Krieges den Atlantik von der deutschen Bedrohung reinigen" solle.

Leider ist das Telegramm Nr. 2126, daß der deutsche Botschafter am 8.7. nach Berlin sandte, "nicht zu ermitteln". Erhalten ist nur ein Telegramm vom selben Tag, das auf ersteres Bezug nimmt und einen Kommentar des Botschafters zu den amerikanischen Reaktionen auf die Island-Aktion zum Inhalt hat: Island sei als Prüfstein anzusehen, was die öffentliche Meinung und ein "im allgemeinen recht gefügiger" Kongreß vertrügen. Die Besetzung sei ein weiterer Schritt auf dem Weg, die amerikanische Öffentlichkeit dahin zu bringen, "vom Präsidenten den Krieg zu verlangen". Roosevelt habe allerdings bis zur vollendeten Aufrüstung der Vereigten Staaten kein Interesse an voller Kriegsführung. Sein Nahziel sei ausschließlich materielle und moralische Stärkung Englands und die Verlängerung des Krieges, bis Amerika in den Krieg eingreifen könne. Weitere "ähnliche bombastische Handlungen", die im Grunde Amerika zu wenig verpflichteten und keine unmittelbaren Gefahren in sich schlössen, könnten erwartet werden.  Am 13.7. ergänzt er: Roosevelt wolle keine formale Kriegserklärung, er glaube "immer noch", seine Ziele, die Sicherung der Westl. Hemisphäre und die Vernichtung des Nationalsozialismus ohne eigenen vollen Kriegseinsatz erreichen zu können. Das hieße aber nicht, daß er zur Führung unerklärten Kriegs nicht bereit sei.

War die britische Besetzung Islands von der deutschen Presse noch zum Anlaß genommen worden, die USA dazu aufzufordern, Island im Sinne der Monroe-Doktrin gegen die Briten zu verteidigen,  folgte sie nun einer Anweisung Goebbels, die USA, "den Verbündeten der Bolschewiki, der Europa, das die rote Gefahr bekämpft, in diesem Augenblick in den Rücken fällt" nicht mehr zu schonen.  Aus dem Außenmisterium sind Überlegungen überliefert, anläßlich der Besetzuung Islands durch die USA den "Begriff einer europäischen Monroedoktrin" zu entwickeln, um die neutralen Staaten in einen "antiangelsächsische" Abwehrkampf einzubinden.  Ribbentrop ließ am 13.7. die dänische Regierung zu einem Protest auffordern,  und erklärte am 17. desselben Monats: "Wenn nach Niederringung Rußlands, USA weiter provozieren, sollen sie ihren Krieg haben. Wir fürchten eine England-USA-Front nicht..."

Diese Radikalität war allerdings rein verbal, das Ribbentropsche "nach Niederringung Rußlands..." traf das Problem genau. Der Oberbefehlshabers der Marine hatte auf der Führerbesprechung vom 9.7. gefragt, ob die Besetzung als Kriegseintritt der USA zu begreifen oder als zu ignorierende Provokation aufzufassen sei. Hitlers Antwort lautete, daß der Kriegseintritt der USA um ein bis zwei Monate hinausgeschoben werden solle, da die Luftwaffe im Osten benötigt werde. Der - bis dahin zu erreichende - Sieg im Osten werde ungeheuer große Wirkung auf die Gesamtlage, wahrscheinlich auch auf die Haltung der USA haben.  Man befand sich gerade in der dritten Woche des Rußlandfeldzuges. Hitler war anscheinend selber nicht so überzeugt von der "ungeheuer großen" Wirkung des Ostfeldzuges auf die USA. Bereits fünf Tage später meinte er nämlich: "Wenn wir überhaupt die USA aus dem Krieg heraushalten können, dann nur durch die Vernichtung Rußlands und dann nur, wenn Japan und Deutschland eiskalt und eindeutig auftreten."

Die Besetzung Islands durch die USA hatte aus deutscher Sicht fatale Folgen. Der Oberbefehlshaber der Marine führte vier Punkte auf: Die Gegnerische Seite sei nun in der Lage, lückenlose Luftaufklärung zu leisten. Die USA übernähmen die Sicherung der Westhälfte der Konvoiroute und setzten so britische Kräfte frei. Der isländische US-Stützpunkt werde auch die britische Aufklärung unterstützen. Problematisch sei weiterhin, daß nun auch amerikanische Handelsschiffe in der "Blockadezone" anzutreffen seien.

Hitler ordnete an, weiterhin jeden Zwischenfall zu vermeiden, um den USA keinen Grund zum Kriegseintritt zu geben. Es sei selbstverständlich erlaubt, Handelsschiffe, die in die Kampfzone eindrangen, anzugreifen, aber die amerikanischen Frachter seien so weit wie möglich auszunehmen, wenn man ihre Neutralität erkannt habe. Kriegsschiffe sollten in der Kampfzone nicht angegriffen werden, solange sie nicht eindeutig als feindlich ausgemacht worden seien.

Das führte zu einer Lähmung der U-Boot-Waffe, da den Schiffen zumeist nicht angesehen werden konnte, ob es sich um britische oder amerikanische handelte; zumal die Briten ja im Rahmen des Lend-Lease-Programmes Zerstörer amerikanischer Bauart bekommen hatten.

Die deutsche Bevölkerung nahm nach den Meldungen aus dem Reich des SD die Besetzung Islands mit Beunruhigung auf. Sie habe den Hauptgesprächsstoff gebildet. Man fürchte, daß dadurch die deutsche strategische Lage im Atlantik und gegenüber England wesentlich erschwert werde.  Wie im [Ersten] Weltkrieg würden die USA in einer schweren Situation mit großen Reserven in den Krieg eintreten. Zeitungsberichte, daß "Roosevelt einen Dolchstoß in den Rücken Europas" geführt habe, hätten Besorgnis ausgelöst.  Weiter wurde berichtet, die als niedrig empfundenen Versenkungsziffern der deutschen U-Boot-Waffe seit der Besetzung Islands beschäftigten die "Volksgenossen" in zunehmendem Maße.  Aus dem Volk wird auch die Vermutung kolportiert, daß die geringen Erfolge der deutschen U-Boote damit zusammenhängen könnten, daß man Roosevelt keinen
Grund zum Kriegseintritt geben wolle(!).
 

11. US-Truppen auf Island

Die von den Briten übernommenen Einrichtungen entsprachen wohl nicht ganz den amerikanischen Vorstellungen. Morison meint zum Marinestützpunkt in Hvalfjordur, es habe sich um nicht mehr als einen gesicherten Anker gehandelt.  Bereits während der Verhandlungen mit Island war Roosevelt bei den Briten auf Zustimmung gestoßen, die Truppen - hierbei insbesondere die Luftwaffe - stärker auszustatten, als unter britischer Regie.  In den folgenden Wochen legten die Amerikaner ein Flugfeld an , und bauten gemeinsam mit den Engländern Flotten- und Marinestützpunkte aus. Während England zwei Millionen Dollar zum Bau der Stützpunkte auf Island beisteuerte, wurden von den Lend-Lease-Geldern anderthalb Millionen Dollar verwendet.

Von Hvalfjordur aus übernahmen die Amerikaner den zwischen Island und Grönland gelegenen Abschnitt der Blockadekette (Dänemarkstraße), durch den die schweren deutschen Schiffe bisher in den Atlantik vorgestoßen waren. Sie setzten deutlich stärkere Kräfte ein, als die bisherigen britischen Einheiten.

Die Übernahme der Insel durch die USA bedeutete für England aber auch insofern eine große Hilfe, als es nun auch amerikanischen Handelsschiffen möglich war, Lend-Lease-Material bis Island zu transportieren, wo es dann auf englische Schiffe umgeladen werden konnte. Am 11. Juli bekam die amerikanische Kriegsflotte zur Aufgabe, Schiffe unter US-amerikanischer und isländischer Flagge zwischen den USA und Island zu eskortieren. Diesen Konvois konnten sich Schiffe beliebiger Nationalität anschließen, was massenhaft geschah.

Obwohl die Versenkungsziffern der deutschen U-Bootflotte zwischenzeitlich im Juli und August auf einen Bruchteil der bis Juni monatlich erzielten Ziffern absanken,  läßt sich dies nicht allein als Folge des amerikanischen Eingreifens erklären,  da genau zu dieser Zeit die Briten auch in den Besitz des deutschen Chiffrierschlüssels "Hydra" gelangt waren.

Im Oktober begann die Verschiffung von Einheiten der US-army nach Island.  Ursprünglich sollten 30.000 Soldaten der Army dorthin geschickt werden. Schon um nur eine Kompanie (153 Mann) zusammenzustellen, mußten aber qualifizierte Freiwillige aus 19 Einheiten zusammengesucht werden. So standen am Vorabend von Pearl Harbour erst 5.974 Army-Soldaten auf der Insel. Unter diesen Bedingungen konnten die Marines vorläufig nicht abgelöst werden, wenn auch die Briten ihre Präsenz auf 950 Mann reduzieren konnten. Eine Änderung des Wehrpflichtgesetzes (mit nur einer Stimme Mehrheit im Kongreß!) und die deutsche Kriegserklärung beendeten die Probleme. Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Armeeteilen wurden dadurch entschieden, daß - wie nirgendwo sonst während des Krieges - die Marines auf Island dem Army-Kommando unterstellt wurden.

Im Oktober richteten zwei Senatoren eine Anfrage an das Kriegsministerium, ob die amerikanischen Truppen auf Island unter britischem Kommando stünden, und bei einem Angriff auf die Briten in die Kämpfe eingreifen würden. Die Antwort lautete, daß die amerikanischen Truppen unter amerikanischem Kommando stünden, ein Angriff auf Island in jedem Fall ein Angriff auf eine amerikanische Stellung sei, auf den selbstverständlich reagiert werde.  Chester gibt dagegen den 22. April 1942 an als Datum an dem das Kommando über das Militär auf Island von den Briten an die Amerikaner übergegangen sei, lange nachdem der größte Teil der britischen Truppen abgezogen worden sei.

Natürlich konnte die Anwesenheit einer derart großen fremden Truppe in einem kleinen Land wie Island nicht ohne Probleme abgehen. Im Oktober 1941 wurde eine zwanzig Punkte umfassende Liste der Beschwerden über die Amerikaner zusammengetragen, die im Wesentlichen auf drei Vorwürfe hinausliefen: Das Verhalten der amerikanischen Soldaten in der Öffentlichkeit wurde von den Isländern als störend und unmoralisch empfunden, sie zertörten öffentliches Eigentum und die Militärstellen seien nicht ausreichend bereit, zivile isländische Behörden zu respektieren, oder gar mit ihnen zusammenzuarbeiten.

Als die Marine Freizeiteinrichtungen auf dem Stützpunkt installierte, und die Soldaten nicht mehr in "Rinky Dink" (Reykjavik) nach Zerstreuung suchen mußten, hat sich die Spannung etwas gelegt.

12. Bleibende Folgen

Die Folgen des Zweiten Weltkriegs für Island waren enorm. Die Jahre 1940-1945, die Island die Anwesenheit von Streitkräften bescherten, deren Zahl zeitweise die seiner männlichen Bevölkerung erreichten, hatten weitreichende Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes, seine Kultur, die Einstellungen der Menschen und das politische Leben. Vor dem Krieg ein armes Land, das ständig um Absatzmärkte für seinen Fisch kämpfen mußte, fand sich Island plötzlich in ungekanntem Wohlstand, ausgelöst in erster Linie durch den Bedarf der Alliierten an Arbeitskräften.

1946 traten Meinungsverschiedenheiten über die Interpretation des Abkommens von 1941 zwischen beiden Ländern auf. Während die Isländer der Auffassung waren, die USA hätten nun, da der Krieg beendet sei, ihre Truppen abzuziehen, meinten die USA, daß der Krieg erst mit Abschluß eines Friedensvertrages beendet sei.  1947 einigte man sich darauf, daß alle amerikanischen Truppen abgezogen wurden, mit Ausnahme von 1000 Mann, die den Betrieb des Flughafens von Keflavik aufrechterhalten sollten.  1949 trat Island dann der NATO bei, und bat die USA 1951 angesichts der Korea-Krise wieder um Unterstützung.

In den folgenden Jahrzehnten kam es wiederholt zu Auseinandersetzungen innerhalb Islands und in den Beziehungen zu den USA über die Anwesenheit von US-Truppen.  Von den Sechziger bis Achtziger Jahren war Island insbesondere als Horchstation von großer Bedeutung. Von hier aus konnten die Amerikaner per Radar das Einlaufen sowjetischer Schiffe und U-Boote in den Atlantik registrieren.

13. Schlußbetrachtung

Großbritannien und die USA überschätzten die deutsche Marine stark, wenn sie annahmen, die Deutschen könnten in der Lage sein, Island zu besetzen und zu halten. Es wäre demnach vermutlich nicht nötig gewesen, Island "vor deutscher Aggression zu schützen". Noch weiter entfernt war Hitler von einem Angriff gegen die USA (den deutsche Planer von Island, den Azoren und den Kapverdischen Inseln aus durchführen wollten), die diesbezüglichen Befürchtungen also unbegründet.

Dennoch hätte Großbritannien wohl ohne amerikanische Hilfe nicht durchhalten können, was langfristig auch eine Gefährdung der USA nicht ausgeschlossen hätte, vorausgesetzt, die Sowjetunion hätte besiegt werden können, wovon damals alle Strategen im Westen ausgingen. Der Stützpunkt Island war nichtsdestotrotz eine wertvolle Hilfe bei der Verteidigung der britischen "Nabelschnur" gegen die deutsche U-Boot-Waffe.

Island war für Roosevelt nur ein Schritt in einer langen Folge von Maßnahmen, die Versorgung Großbritanniens bestmöglich zu unterstützen. Die Besetzung hat allerdings aus zwei Aspekten besondere Bedeutung. Erstmals im Zweiten Weltkrieg wurden amerikanische Soldaten in Europa eingesetzt, und nicht nur Bauarbeiter und Ingenieure wie zuvor in Nordirland und Schottland. Viel wichtiger war die symbolische Seite der Handlung. Der Präsident spielte hier zum ersten Mal mit relativ offenen Karten. Die Island-Aktion war der erste Eingriff von US-Truppen in den Krieg, der dem Kongreß und der amerikanischen Öffentlichkeit bekannt gemacht worden ist. Dementsprechend stark waren auch die Proteste aus isolationistischen Kreisen. Da diese sich aber in der öffentlichen Diskussion nicht mehr durchsetzen konnten, markiert die Besetzung Islands den Punkt ab dem nicht nur Roosevelt sondern die USA insgesamt mehr oder weniger klar auf Kriegskurs gingen.

Auf deutscher Seite waren die Reaktionen nicht annähernd so stark, wie vermutet. Die deutschen Militärs waren doch zu stark mit dem gerade erst angelaufenen Rußlandfeldzug beschäftigt, als daß sie sich von Island hätten beeindrucken lassen. Hitlers Anweisung, als Reaktion auf die Besetzung Islands den USA bis zur Niederwerfung Rußlands nur keinen Grund zur Kriegserklärung zu geben, gibt zu der Vermutung Anlaß, daß er zu diesem Zeitpunkt schon mehr nach dem "Prinzip Hoffnung" handelte. Allerdings scheint auch in Deutschland das amerikanische Ausgreifen nach Europa großen Eindruck auf die öffentliche Meinung gemacht zu haben, wenn auch bald andere Nachrichten in den Vordergrund gerückt waren.
 

14. Quellen und Literatur

Quellen

Literatur

  Malte Woydt 1993