Malte Woydt
Die Anfänge der CDU in Norddeutschland (1992)

unveröff. Seminararbeit (Quellenangaben unter siehe Lijphard 1984: 6-9 und 23-30)

1. Überblick
    1.1. Eingrenzung
    1.2. "Quellenkritische" Vorbemerkung
    1.3. Einleitung
    1.4. Die britische Lizensierungspraxis
2. Die einzelnen Landesverbände
    2.1. Schleswig-Holstein
        2.1.1. Gründungsphase
        2.1.2. Die ersten Wahlen
        2.1.3. Vorgeschichte der Regierungsübernahme 1950: Zwischen Wahlbündnissen und Wahlrechtspoker
        2.1.4. Mitgliederentwicklung
    2.2. Das Land Niedersachsen
        2.2.1. Oldenburg
        2.2.2. Braunschweig
        2.2.3. Hannover
            2.2.3.1. Gründungsphase
            2.2.3.2. Günter Gereke
        2.2.4. Landespolitik
    2.3. Hamburg
    2.4. Bremen
3. Zusammenfassung
4. Anhang
    4.1. Reichstagswahlergebnisse 1924 und 1932
    4.2. Wahlergebnisse 1946-1951
5. Literatur

1. Überblick

1.1. Eingrenzung

Thematisch beschäftigt sich die Arbeit mit der Herausbildung von Organisationsstrukturen derjenigen politischen Gruppen, die sich bis 1950 in der Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU) zusammenfanden.

Der hierbei betrachtete Zeitraum umfaßt die Jahre von der Kapitulation des Deutschen Reiches im Mai 1945 bis vor die Gründung des Bundesverbandes der CDU 1950.

Meine Arbeit beschränkt sich räumlich auf Norddeutschland, womit das Gebiet der heutigen Bundesländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg und Bremen gemeint ist.

1.2. "Quellenkritische" Vorbemerkung

Die mir zur Verfügung stehende Literatur behandelt die zu betrachtenden Gebiete sehr unterschiedlich. So ist es schwer, über die Landesverbände Bremen und Braunschweig überhaupt etwas herauszubekommen. Als sehr hilfreich erwies sich die Überblicksdarstellung von Horstwalter Heitzer über "Die CDU in der britischen Zone", auch wenn sie sehr unübersichtlich gegliedert ist. Als das größte Problem für die Recherche zum Thema stellte sich neben der geringen Menge auch die Einseitigkeit der Quellen dar. Fast alle Autoren gehören selbst der CDU an, manche waren selbst damals aktiv und Partei in innerparteilichen Auseinandersetzungen. So scheint es zum Beispiel über die Gründung der CDU in Hannover beinahe nur Akten der Landesverbände Westfalen und Rheinland (!) sowie die Darstellung des evangelischen Gründungsmitglieds und späteren Landesgeschäftsführers Arnold Fratzscher zu geben. Heitzer erklärt denn auch selbst, daß eine detaillierte Untersuchung christlich-demokratischer Gründungsinitiativen im Norden der britischen Zone aufgrund lückenhafter Quellenlage nur eingeschränkt möglich sei.Heitzer 1988: 91 Anm. Es ist mir deshalb an den weitaus meisten Stellen unmöglich, durch Vergleiche Einschätzungen der Autoren zu beurteilen. Als die einzige das Thema wirklich tiefgreifend aufarbeitende wissenschaftliche Arbeit erscheint mir die Arbeit von Helmut Stubbe-da Luz über die Hamburger CDU der Jahre 1945 und 1946. Des weiteren ergab sich, daß in der Literatur die innerparteiliche und programmatische Entwicklung häufig nur für die Jahre 1945/46 breiten Raum findet, für die Zeit danach Wahlergebnisse und Regierungsbeteiligungen offenbar als wichtiger erachtet wurden. Das mag dadurch begründet sein, daß die Partei damals in Norddeutschland nichts weniger als eine "Massenpartei" war, sich im Gegenteil fast ausschließlich über die praktische Arbeit in Parlamenten und Regierungen zu definiert haben scheint.

Die einzelnen Länder werden hier mit völlig unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten behandelt. Dies liegt zum einen in der jeweils zu Grunde liegenden Literatur, deren Auslassungen ich nicht ausfüllen kann. Andererseits ist es gerade sehr reizvoll, an Hand der vorliegenden Beispiele verschiedene Charakteristika der Partei an Ländern, in denen sie sehr ausgeprägt waren, vorzuführen. An Schleswig-Holstein läßt sich sehr schön sowohl die programmatische Auseinandersetzung der Gründungsjahre wie auch die machtpolitische Finesse eines ehrgeizigen Parteivorsitzenden namens Schröter zeigen. Oldenburg eignet sich hervorragend zum Aufzeigen der Bedeutung konfessioneller regionaler Unterschiede für Erfolg der neuen Partei. In Braunschweig scheint sich geradezu ein Bilderbuch-Version der Gründung einer überkonfessionellen Partei vollzogen zu haben. Der Vergleich zwischen Hamburg und Bremen zeigt, wie wichtig es für die Christdemokraten in den norddeutschen Handelsstädten war, Anschluß an das liberale Großbürgertum zu bekommen. Im Abschnitt über die hannoversche CDU habe ich der Person Günter Gerekes relativ großen Platz eingeräumt, sie macht vielleicht am besten deutlich, wie stark die junge Partei abhängig von Einzelpersonen war.

1.3. Einleitung

Heute erscheint die Zusammenfassung dieser Gebiete unter dem Begriff "Norddeutschland" derart einleuchtend, daß es sinnvoll erscheint, sich zu vergegenwärtigen, daß einige Grundlagen dieser Einheit erst 1945 geschaffen wurden. Das oben umrissene "Norddeutschland" bestand während der Weimarer Republik aus den preußischen Provinzen Hannover und Schleswig-Holstein, den Ländern Oldenburg, Braunschweig und Schaumburg-Lippe sowie den Hansestädten Hamburg, Bremen und Lübeck (ohne einige der sowjetischen Zone zugeschlagenen braunschweigischen Gebietsteile). Das Gebiet entspricht exakt dem Norden der britischen Besatzungszone nach dem Zweiten Weltkrieg (zzgl. dem amerikanisch besetzten Bremen), der sich vom Süden in der Konfessionszugehörigkeit seiner Bewohner stark unterscheidet. Im Gegensatz zu den mehrheitlich katholisch geprägten Ländern Rheinland und Westfalen, war Norddeutschland fast ausnahmslos protestantisch. So war das Zentrum in Weimarer Zeit bis auf den Reichstagswahlkreis Weser-Ems, der u.a. Südoldenburg und die angrenzenden hannoverschen Kreise umfaßte, mehr eine marginale Größe. Nimmt man die Reichstagswahlergebnisse für Norddeutschland zusammen und vergleicht die Ergebnisse vom Dezember 1924 mit denen vom Juli 1932, ergibt sich, daß das Zentrum seine 6% halten konnte, die SPD an die KPD verlor, beide zusammen aber ihre 38% halten konnten. Die bürgerlich-protestantischen Parteien rutschten zugunsten der NSDAP von annähernd 52% auf knapp 13%.Statistische Jahrbücher 1924/25 und 1932 Da sich die CDU (aus naheliegenden Gründen) insgesamt in ihren Anfängen "personell, ideologisch-programmatisch und organisatorisch-politisch weithin auf Zentrumsmilieu" stützteSchmidt, 1983: 493-494 lassen sich für Norddeutschland größere Schwierigkeiten für den Aufbau dieser Partei erwarten. Dies um so mehr als nach 1945 viele Ostflüchtlinge nach Norddeutschland strömten, die aus just den Ländern kamen in denen die NSDAP noch schneller hatte fußfassen können. Schleswig-Holstein und Niedersachsen lagen mit einem Flücht lingsanteil von 29,3% bzw. 26,1% der Bevölkerung (1953) an der Spitze aller Bundesländer.Statistisches Jahrbuch 1953

Als sich nach dem Krieg Parteien zu gründen (bzw. wiederzugründen) begannen, geschah dies auf Länderebene. Schlechte Verkehrs- und Kommunikationsverbindungen sowie Verbote der Besatzungsmächte standen Gründungen auf Reichsebene zunächst entgegen. Aufgrund unterschiedlicher Rahmenbedingungen und Protagonisten unterschiedlicher politischer Herkunft verlief die Entwicklung der CDU in den einzelnen Ländern derart unterschiedlich, daß die einzelnen Länder hier getrennt betrachtet werden.

1.4. Die britische Lizensierungspraxis

Zum Beginn der Besatzungszeit waren in den Westzonen alle politischen Parteien verboten. So auch in der britischen Zone. Die Briten erlaubten erst nach und nach die Gründung von Kreisparteien, bis dann als Folge der Potsdamer Konferenz am 15. September 1945 auch Landesverbände gegründet werden durften. Alle Parteien mußten von der jeweils zuständigen Militärregierung genehmigt werden. Während manche CDU-nahen Autoren beklagen, die Besatzungsmacht hätte SPD und KPD ungerechtfertigte Vorteile eingeräumtExemplarisch sei hier genannt: Fratzscher, 1971: 25, meint Ute Schmidt, die späte Zulassung von Parteien hätte dem Bürgertum wichtige Zeit gegeben, um sich zu sammeln, und den Vorsprung der auf alten Strukturen wieder aufbauenden Linksparteien nicht zu groß werden zu lassen.Schmidt, 1983: 494 Wie segensreich die Lizensierungspraxis für die CDU war, mag vielleicht auch die arge Bedrängnis zeigen, in die die CDU nach Aufhebung des Lizensierungszwanges durch neue Parteien wie den BHE vielerorts geriet, die ohne ihren Vorsprung vermutlich viel größer gewesen wäre.

2. Die einzelnen Landesverbände

2.1. Schleswig-Holsteinstütze mich hier vorwiegend auf Heitzer, 1988

2.1.1. Gründungsphase

Da das Zentrum in Schleswig-Holstein seit jeher völlig unbedeutend war, konnte es 1945 nicht wie in Westdeutschland als Kristallisationspunkt für die neue CDU dienen. In Schleswig-Holstein gab es mehrere konkurrierende Gruppen, die als Keimzellen der CDU zu betrachten sind.

Es gab den Plöner Kreis, dem in erster Linie Ostflüchtlinge angehörten. Unbestrittene Führungspersönlichkeit war hier der Rittergutseigner Hans Schlange-Schöningen, vormals Reichstagsabgeordneter der DNVP, der sich aber 1928 nach dem Rechtsruck seiner Partei von dieser distanziert hatte.Gurland, 1953: 69 Die "Plöner" knüpften an die Ideenwelt der Deutschnationalen an, wollten aber aus dem Ghetto der Interessenpartei heraus. Aus der Überzeugung heraus, daß die Ursache des Zusammenbruchs im Abfall des deutschen Volkes von Gott zu suchen sei, erwächst ihre Selbstcharakterisierung als "christlich-konservativ". Sie forderten dann auch eine an christlichen Werten orientierte Reform der Wirtschaftsordnung.Gurland, 1953: 71; Heitzer (1988): 107 Es ist angesichts der beherrschenden Stellung Schlange-Schöningens in dieser Gruppe schwer zu sagen, wie groß dort der Rückhalt für seine programmatischen Vorstellungen war, die seine waren.

In Rendsburg trafen sich vornehmlich führende Persönlichkeiten der schleswig-holsteinischen Bauern, unter ihnen Detlev Struve, unter der Leitung von Theodor Steltzer, der bei der Berliner CDU-Gründung dabeigewesen war und ähnliche politische Akzente setzte wie die Berliner: sich absetzend von früheren bürgerlichen Ideen strebten sie eine stark dezentralisierten Staat an, den "organischen Aufbau der Gesellschaft von unten" an, sowie eine Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Sie wünschten sich eine starke SPD als Partner einer Koalition der Mitte.Steltzer, 1966: 185-186 Am 13.Oktober hatten sie die Gründung einer CDP-Kreispartei beantragt.

Die Kieler schließlich waren eine Gruppe von liberalen Politikern. Treibende Kraft war Carl Schröter (ehem. DVP-Vorsitzender). Außer ihm sind noch die ehem. DDP-Mitglieder Otto Knapp (Bankdirektor), Max Ehmke (Kieler OB) und Willi Koch (Verleger) zu nennen. Ihr Ziel war, die zersplitterten liberalen Kräfte zu einen. Sie bauten auf die ethische Kraft eines wiedererstarkenden Bürgertums und eine Verbürgerlichung der Arbeiterschichten. Jede christlich oder sozialistisch fundierte Kritik an der alten Wirtschafts- und Gesellschafts- ordnung war ihnen fremd. Ihre Zukunftsvorstellung war, mit der Sozialdemokratie in einem Zweiparteiensystem zu konkurrieren.neben Heitzer auch Gurland (1953): 70-71

In der Hansestadt Lübeck gab es am 23. November 1945 eine christlich-demokratische Parteigründung, die aber sowohl aufgrund ihrer Gegnerschaft zu den dortigen Liberalen und Deutschnationalen, von denen letztere mit dem Plöner Kreis in Verbindung standen, als auch ihrer Fixierung auf Westfalen keinen Einfluß auf die Parteibildung im Umland hatte.Heitzer, 1988: 112-115 Vermutlich gingen die Lübecker auch davon aus, ihre unter NS-Herrschaft verlorene Unabhängigkeit wiederzuerlangen und kümmerten sich deshalb schon nicht um Schleswig-Holstein.

Überregional ebenfalls bedeutungslos blieb die früheste Gründung einer CDU-Kreispartei Schleswig-Holsteins am 15.September in Bad Segeberg.Heitzer, 1988: 108

Am 30. Oktober 1945 berieten "Plöner", "Kieler" und "Rends- burger" zusammen mit Hamburgern in Plön ihren Zusammenschluß zu einer Sammlungspartei rechts von der SPD. Über eine entspre- chende Absichtserklärung hinaus konnte jedoch keine programmatische Einigung erzielt werden. Beispielhaft seien hier die unüberbrückbaren Gegensätze bei der Auseinandersetzung um das "C" in Name und Programm der Partei benannt. So kam es zu einer Vertagung überörtlicher organisatorischer Entscheidungen, die weitreichende Konsequenzen hatte:

Schlange-Schöningen konzentrierte sich nämlich nach diesem Treffen darauf, in anderen Teilen Deutschlands Rückhalt für seine christlich-konservative Linie zu finden. Währenddessen war Steltzer - von den Briten damit beauftragt - mit der Leitung der Exekutive des Landes ausgelastet.Steltzer, 1966: 187 So ging die Initiative des Parteiaufbaus von Schlange-Schöningen auf Schröter über, der die Zeit nutzte, um im ganzen Land Kreis- und Ortsparteien zu gründen.

Nachdem am 10.Dezember die Gründung von Provinzparteien erlaubt worden war, luden die "Kieler" zum 4.Januar 1946 Vertreter christlicher und liberaler Kreisparteien Schleswig-Holsteins zu einer Tagung nach Rendsburg ein. Ergebnis dieser Tagung war die Gründung einer "Demokratischen Union" mit Schröter als Vorsitzendem. Schlange-Schöningen stellte erst jetzt fest, daß ihm die Entwicklung aus der Hand geglitten war, und blieb mit seinem Plöner Kreis der neuen Partei fern. Durch die Namens- gebung war offengelassen worden, ob man sich auf Zonenebene der CDU oder FDP anschließen wollte. Am 15.Februar 1946 berief Schröter eine DU-Landesversammlung ein. Er war Ende Januar auf der CDU-Zonenversammlung in Herford gewesen, und von dort mit dem Entschluß heimgekommen, sich dieser Partei anzuschließen. Die Mehrheit der DU-Delegierten befürwortete seine Entscheidung. Eine Minderheit um den Industriellen Asmussen, die erst zum 4.Januar dazugestoßen war, ging hiernach an die Gründung der FDP Schleswig-Holstein.

2.1.2 Die ersten Wahlen

Bei den Landtagswahlen 1947 ergab sich folgende Stimmverteilung: SPD 43,8%; CDU 34,1%; FDP 5,0%; KPD 4,7%; SSV 9,3%; DKP/DRP 3,1%
Nach der Landtagswahl zog sich auch Ministerpräsident Steltzer aus der aktiven Politik zurück - weil ihm eine längere Zusammenarbeit mit dem ihm in seinen Grundanschauungen "durch Welten" getrennten Schroeter unmöglich gewesen wäre.Steltzer, 1966: 194-196 So stand Schröter jetzt unangefochten an der Spitze der schleswig-holsteinischen CDU.

2.1.3. Vorgeschichte der Regierungsübernahme 1950: Zwischen Wahlbündnissen und Wahlrechtspoker

Zur Landtagswahl 1947 versuchte Schröter ein gemeinsames Vorgehen der bürgerlichen Parteien zu erreichen, was aber erst zu den Kommunalwahlen von 1948 gelang. CDU, FDP und DKP, in einigen Landesteilen auch die neugegründete DP verständigten sich auf eine Wahlabsprache. Zur Bundestagswahl 1949 kandidierten die Parteien wieder getrennt, da das modifizierte Verhältniswahlrecht auch kleineren Parteien Chancen auf Mandatsgewinne einräumte, und die bundespolitischen Gesichtspunkte im Vordergrund standen.Albert, 1983: 285 Bei der Bundestagswahl erreichten CDU, DP und FDP zusammen über 50% der Stimmen. Umgerechnet auf eine Landtagswahl nach dem Wahlgesetz von 1947 hätte dies bedeutet, daß ein Bündnis dieser Parteien alle Direktmandate hätte gewinnen können. So wäre die SPD überhaupt nicht mehr im Landtag vertreten gewesen, da Listenmandate nur den Parteien zustanden, die mindestens einen Wahlkreis gewannen. An Neujahr '49/50 verkündeten die drei Parteien dann auch ihre Bündnispläne für die zweiten Landtagswahlen. Im April schlossen sich CDU, FDP und DP zum "Deutschen Wahlblock" zusammen. Ihr Abkommen sah vor, daß von den 46 Wahlkreiskandi- daten 23 von der CDU, 13 von der DP und 9 von der FDP aufge- stellt werden sollten. Bestrebungen einiger Kreisverbände der drei Parteien, doch gleich über das Wahlbündnis hinaus die Parteien zu fusionieren, wurden von den Landesvorständen, die vermutlich um ihren Einfluß bangten, unterdrückt. Insbesondere Schröter, der auch stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war, erklärte, er strebe statt einer schleswig-holsteinischen Sonderentwicklung langfristig die Fusion auf Bundesebene an. Das dies nicht das ausschlaggebende Argument gewesen sein kann, zeigt der Zusammenschluß von CDU und DP im benachbarten Niedersachsen.
Unterdessen verabschiedete die SPD-Mehrheit im Landtag ein neues Wahlgesetz, das Listenverbindungen mehrerer Parteien verbot und Listenmandate nur noch Parteien zugestand, die in allen Wahlkreisen eigene Kandidaten aufstellten (!).Albert, 1983: 286-289 Entgegen der Erwartung von Rechtsexperten der CDU und sogar der Alliierten Hohen Kommission, bestätigte das Oberverwaltungs- gericht Lüneburg im Juni 1950 die Rechtmäßigkeit des neuen Wahlgesetzes, so daß die bürgerlichen Parteien von vorneherein auf Listenmandate verzichten mußten.Albert, 1983: 294

Wenige Monate vor der Landtagswahl tauchte mit dem "Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten" (BHE) eine neue Kraft im Parteienspektrum auf. Vor dem 30. März 1950 hatten Parteien von den Alliierten lizensiert sein müssen, welche aber in einer Interessenpartei der Vertriebenen ein Hindernis für deren Assimilation gesehen hatten.Albert, 1983: 295 Die Wahlgesetzänderung und die rasche Ausbreitung des BHE ließen die nach der Bundestagswahl aufgekommene Hoffnung, über 50% der Stimmen erlangen zu können, am Wahltag ungewiß erscheinen. Der BHE zog nach der Landtagswahl am 9. Juli 1950 mit 15 Abgeordneten in den neuen Landtag ein. Die SPD rutschte von den 43 Sitzen, die sie 1947 unter anderem aufgrund der gegenseitigen Konkurrenz im bürgerlichen Lager um die Direktmandate erhalten hatte, auf ganze 19. Der Wahlblock verpaßte aufgrund des Wahlrechtes, das ihm die 5 Listenmandate, die ihm nach altem Recht zugestanden hätten, nicht zugestand, die absolute Mehrheit, wurde aber mit 31 Sitzen stärkste Kraft im Landtag. Und das obwohl die Stimmenzahl der drei zusammengeschlossenen Parteien bei der Bundestagswahl noch um 17% höher gelegen hatte. Nach langen Querelen innerhalb des Wahlblockes über die Kabinettszusammensetzung und die Person des Ministerpräsidenten konnte am 5.September 1950 von einer Koalition aus CDU, FDP, DP und BHE ein neuer Ministerpräsident gewählt werden.Albert, 1983: 299-308

2.1.4. Mitgliederentwicklung

Die CDU hatte Aufgrund großen Zuspruchs von Seiten sowohl der Bauern wie auch der Flüchtlinge einen recht guten Start, im Mai 1946 hatte sie bereits 20.000 Mitglieder, die allerdings bis Januar 1947 wieder auf knapp 15.000 zurückgingen. In der Mitgliedschaft überwogen die Mittelschichten.

2.2 Das Land Niedersachsen

Vor 1933 gliederte sich das Gebiet des heutigen Landes Niedersachsen in die preußische Provinz Hannover und die Länder Oldenburg, Braunschweig sowie Schaumburg-Lippe. Die britische Besatzungsmacht errichtete nach dem Krieg zunächst diese Länder in annähernd den alten Grenzen wieder neu. Oldenburg bekam seine schleswig-holsteinischen Exklaven nicht wieder dafür aber die ehedem preußische Stadt Wilhelmshafen hinzu. Durch die Zerschlagung der Einheit Preußens wurde die Provinz Hannover eine eigenständige Einheit. Schaumburg-Lippe gehörte zunächst zu Westfalen, dann zu Niedersachsen. Die Länder wurden durch Verordnung vom 1. November 1946 zum Land Niedersachsen zusammengefügt. Nichtsdestotrotz war diese Entwicklung im Sommer 1945 noch nicht abzusehen, die Parteien gründeten sich auf der Ebene der alten Länder neu. Erst im Oktober 1950 einigten sich die drei niedersächsischen Landesverbände auf die Gründung eines lockeren Dachverbandes unter dem Namen "CDU in Niedersachsen", da die beiden kleineren Landesverbände Oldenburg und Braunschweig fürchteten, von Hannover zu stark dominiert zu werden.

2.2.1 Oldenburgvorwiegend gestützt auf den Sammelband von Werner Münch, 1986

Das Land Oldenburg bietet aus Sicht der CDU-Geschichte ein völlig uneinheitliches Bild. Sowohl die besten als auch die schlechtesten Wahlergebnisse in Niedersachsen kamen aus Oldenburg.

Unterschieden werden muß hier zwischen dem katholischen Süden und dem protestantischen Norden. Eine Mittelstellung nehmen die kreisfreien Städte ein.

Der Süden Oldenburgs umfaßt die beiden Landkreise Vechta und Cloppenburg. In Vechta und Cloppenburg gelang einer Gruppe um den Kaufmann und Landwirt J.Hermann Siemer mit starker Unterstützung ehemaliger Zentrumspolitiker extrem schnell der Aufbau einer "alle politisch entscheidenden Kräfte dieses Raumes"Münch 1986: 90 umfassenden christlich-demokratischen Partei. Bei den ersten Wahlen im September und Oktober 1946 errang die CDU hier über 90% der Sitze.

Im Landkreis Ammerland konnte erst 1956 ein CDU-Kreisverband gebildet werden. Schon diese Tatsache zeigt, welch schwierigen Stand die CDU im Norden Oldenburgs hatte. In den Landkreisen Ammerland, Wesermarsch und Friesland hatte 1946 die FDP eine sichere absolute Mehrheit. Die CDU hatte sich im Norden Oldenburgs auch erst kurz vor den Wahlen als Abspaltung der mit den Liberalen gemeinsam gebildeten Demokratischen Union (DU) konstituiert.
Die kreisfreien Städte waren Hochburgen der SPD. Während sie in Wilhelmshafen und Delmenhorst knapp 50% der Stimmen erreichte, waren in der Stadt Oldenburg die drei großen Parteien CDU, FDP und SPD annähernd gleichauf. Im Landkreis Oldenburg ergab sich eine sichere Mehrheit der CDU, wenn sie auch nicht an die Ergebnisse in Cloppenburg und Vechte heranreichte.

In den folgenden Jahren entstanden für die CDU in Oldenburg einige Probleme. Bei den niedersächsischen Landtagswahlen 1947 und den Kreistagswahlen 1948 gewann die wiedergegründete Deutsche Zentrumspartei in Vechta über 30 und in Cloppenburg über 20 Prozent der Stimmen. Ihr Aufbau war aufgrund des Engagements der meisten ehemaligen Mitglieder für die CDU so langsam vonstatten gegangen, daß sie 1946 noch nicht kandidieren konnte, nun hatte sie aber in Vechta die absolute Mehrheit der CDU gebrochen. Während sich die CDU zu den Bundestagswahlen 1949 in Oldenburg noch gut halten konnte, brachten die Wahlen 1951/52 die schlechtesten Ergebnisse in der Nachkriegsgeschichte, von denen sich die Partei erst in den sechziger Jahren erholte. Während im Süden weiterhin mehr als 40% der Stimmen gewonnen wurden, gingen die Ergebnisse im Ammerland bis auf 0,6% herunter (Kreistagswahl 1952). Zum einen lag dies an der Aufhebung des Lizensierungszwanges, die die GDP/BHE als Partei der Heimatvertriebenen und später die rechtsradikalen Parteien DRP und SRP als Konkurrenten auftreten ließ. Im Süden brachte das Bündnis der CDU mit der DP als Niederdeutsche Union NU manche Katholiken auf, bei denen die DP als antiklerikal verschrieen war. Zum anderen wirkten sich heftige Auseinandersetzungen zwischen dem 1.Vorsitzenden Söhlmann und dem 2.Vorsitzenden Siemer negativ auf das Wählerverhalten aus.

2.2.2. Braunschweigvorwiegend gestützt auf Heitzer: 1988

Für Braunschweig liest sich die Gründungsgeschichte der CDU wie im Bilderbuch. Schon im Mai 1945 treffen sich Mitglieder liberaler, konservativer und christlicher Gruppen um eine Einigung zu beraten. Unter Führung des ehemaligen DDP/DStP-Abgeordneten Heinrich Rönneburg und des katholischen Geistlichen Wilhelm Unverhau gründen sie dann im Oktober die CDP. Die Braunschweiger richteten sich bei ihrer überregionalen Orientierung nicht an dem westdeutschen sondern an dem berliner Vorbild aus. Aufgrund des Verbots parteipolitischer Betätigung für Beamte gab es schon vor der Jahreswende '45/'46 einen Wechsel in der Spitze der Landes-CDU. Neue Vorsitzende wurden Georg Strickrodt (ehem. DDP/DStP) und Carl Schönfeld (Stellv.; kath.). Das Hauptproblem der Jahre 1946/47 bestand darin, daß sich sowohl der Landesvorsitzende als auch mehrere der acht Kreisvorsitzenden vorrangig als Landespolitiker und nicht als Parteivorsitzende verstanden. Sie waren mit Ministerämtern zu beschäftigt, um sich um die Partei kümmern zu können. Da Strickrodt zudem im Gegensatz zu seinen Kollegen in den anderen Landesverbänden auf eine starke Führung verzichtete, litt der Zusammenhalt des Verbandes. Die Mitgliederschaft des Landesverbandes wies 1947 ein starkes Übergewicht (40%) von Selbstständigen auf, das sind deutlich mehr als in den anderen Landesverbänden der Partei (soweit Daten vorliegen). Bei den Kommunalwahlen 1946 gewann erwartungsgemäß die SPD, wenn auch die große Zahl gewählter unabhängiger Kandidaten ein großes Potential für die CDU erahnen ließen, das aber in den Landtagswahlen noch nicht die erhoffte Auswirkung hatte.

2.2.3. Hannovernach Heitzer, 1988

2.2.3.1. Gründungsphase

In der preußischen Provinz Hannover waren während der Weimarer Republik die Sozialdemokraten die stärkste Kraft, neben ihnen war vor allem die welfische Deutsch-Hannoveranische Partei (DHP) bedeutend.

Im Spätsommer 1945 trafen sich ehemalige Zentrumspolitiker um den ehemaligen Vorsitzenden Bernhard Pfad und christliche Gewerkschafter um Anton Storch um über ihre parteipolitische Zukunft zu beraten. Die Gewerkschafter traten von Anfang an für eine überkonfessionelle Volkspartei ein. Sie stießen mit dieser Ansicht jedoch auf den Widerstand der Zentrumspolitiker, die dem evangelischen Bürgertum kritisch gegenüberstanden, weil es überwiegend nationalsozialistisch gewählt hatte. Da aber inzwischen aus Westfalen und dem Rheinland erste Nachrichten über die Gründung der CDP durch ehemalige Zentrumspolitiker eintrafen, wartete man erst einmal nähere Informationen ab. Nach einem Briefwechsel Pfads mit Adenauer und Kannengießer (Westfalen) ließen sich am 16.September rund 24 Zentrumsvertreter aus verschiedenen Teilen der Provinz Hannover vom geschäftsführenden rheinischen Vorsitzenden Schwering in Rinkerode über die westdeutschen CDP-Gründungen informieren. Auf dieser Rinkeroder Konferenz sprachen sich vier Vertreter für das alte Zentrum aus, der Rest war noch unentschieden. Am 18.September erklärte dann die Hannoveraner Gruppe ihr Votum für die CDP. Sie versuchten sodann Kontakt mit evangelischen Kreisen aufzunehmen. Ende August 1945 hatten sich die deutschen Bischöfe und Kirchenpräsidenten auf der Kirchenkonferenz von Treysa für die Förderung einer interkonfessionellen Partei ausgesprochen.Fratzscher, 1966: 87-90 Unter den Teilnehmern der Konferenz waren auch Oberkirchenrat Adolf Cilien und Arnold Fratzscher, die nun an der Gründung der hannoverschen CDP mitwirkten. Auf der Gründungsversammlung am 18.November hielt Cilien eine Rede unter dem Titel "Warum wir evangelischen Christen uns für die Christlich-Demokratische Partei entscheiden", die als Appell an den evangelischen Bevölkerungsteil zu verstehen war. Da keine Übernachtungsmöglichkeiten bestanden, konnten die Referate der Versammlung nicht diskutiert werden, sie ließen jedoch die Tendenz erkennen, daß die Hannoveraner zwar in vielen Punkten mit den "Kölner Leitsätzen" der rheinischen Partei übereinstimmten, aber sich von deren wirtschaftsreformerischen Gedanken distan- zierten. Die Parteigründung hatte nur eine sehr mäßige Resonanz zur Folge. Einzig in den katholischen Kreisen im Osnabrücker Raum und im Emsland gelang bis zum Ende des Jahres die Gründung von Kreisparteien. Die CDP wurde von der evangelischen Bevölkerung als katholische Partei betrachtet. Auf dem Treffen der Landesgeschäftsführer der britischen Zone am 22.Mai 1946 in Neuenkirchen mußten die Hannoveraner bekennen, bisher nicht im evangelischen Bevölkerungsteil Fuß fassen zu können. Zwei Drittel der Mitglieder kamen aus der Stadt Hannover, 95% waren katholisch. So versuchte der Landesverband mit bezahlten Werbern und einer intensiven Rednerschulung an neue Mitglieder heranzukommen. Die Mitgliederzahl stieg vom 3000 im Mai 1946 bis auf 16000 im Januar 1947. Als ein Hindernis wurde die Person des Landesvorsitzenden ausgemacht. Pfad könne erstens als Katholik in einem evangelischen Land nicht der geeignete Parteiführer sein, und lege zweitens eine große Inaktivität an den Tag. Im Mai 1947 wurde er dann mit Adenauers Unterstützung erfolgreich zum Rücktritt gedrängt. Nachdem eine Zeitlang Pfads Stellvertreter Paul Otto die Geschäfte führte, wurde Mitte August 1948 Günter Gereke zum neuen Vorsitzenden gewählt.

2.2.3.2. Günter Gereke

Günter Gereke scheint eine etwas mysteriöse Gestalt gewesen zu sein. 1932 war er Vorsitzender des überparteilichen Ausschusses gewesen, der die Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten förderte, dann im Kabinett Schleicher Reichskommissar für Arbeitsbeschaffung geworden, und hatte diesen Posten unter Hitler zunächst beibehalten. 1945 war er von den Sowjets zum Leiter der Innenverwaltung der Provinz Sachsen ernannt, floh (?) dann aber im Sommer 1946 in einem britischen Militärfahrzeug in Offiziersuniform nach Celle, zu einem Freund, der dort CDU-Kreisvorsitzender war. Im Dezember 1946 wurde er dann auf Vorschlag der CDU zum Innenminister von Niedersachsen ernannt. Er hat im hannoverschen Landesverband "Sprechtage" eingeführt, zu denen jeder aus den Kreisverbänden kommen konnte, der Zeit und Interesse hatte, um Zonen- und Landespolitik zu diskutieren. Außer in Braunschweig hat es solche beinahe basisdemokratischen Elemente in der CDU nirgends gegeben.Fratzscher, 1971: 58-62

Schon 1946 hatte Adenauer Bedenken gegen die Wahl Gerekes geäußert, weil dieser 1932 in eine Unterschlagungsaffäre verwickelt gewesen sein sollte.Fratzscher, 1971: 59 Anfang 1949 kam es dann zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Adenauer und Gereke, weil der hannoversche Landesvorsitzende öffentlich die Politik der CDU/CSU im Parlamentarischen Rat kritisierte und nach den Bundestagswahlen lautstark eine Große Koalition forderte. Anfang 1950 fuhr Gereke ohne Absprache mit politischen Freunden nach Ost-Berlin und traf sogar mit Walter Ulbricht zusammen, was im Juni des Jahres seinen Ausschluß aus Regierung, Partei und Fraktion zur Folge hatte. Nach einiger Zeit als Abgeordneter für BHE und DSP (eine von ihm gegründete Partei) ging er 1953 in die DDR.

Ausgehend von dem schlechten Landtagswahlergebnis 1947 (die CDU blieb in Niedersachsen unter 20%), wurde in Hannover die Stellung der Bezirksverbände als Zwischenebene zwischen den Kreisverbänden und dem Landesverband verstärkt.

2.2.4. Landespolitik

Bei den Landtagswahlen von 1947 erhielten CDU und die welfische NLP, die gemeinsamen Wahlkampf geführt hatten, zusammen 40%. Gebildet wurde dann eine Allparteienregierung unter Hinrich Wilhelm Kopf (SPD), die nach Unstimmigkeiten über die Bodenreform 1948 auf SPD, CDU und Zentrum verkleinert wurde. In den Fünfziger Jahren sah die Lage für die niedersächsische CDU alles andere als rosig aus. Bei der Landtagswahl 1951 errangen CDU und DP, die sich für einige Jahre zur Niederdeutschen Union zusammengeschlossen hatten, nur noch zwei Drittel ihrer vorherigen Sitze: SPD 64, NU 35, BHE 21, SRP 16, FDP 12, KPD 6, Z 4, DRP 3. Mit der Vertriebenenpartei BHE und den rechtsradikalen Parteien SRP und DRP waren neue Konkurrenten um die Stimmen des "rechten Lagers" aufgetaucht. Noch bis zum Anfang der sechziger Jahre sollte sich die CDU die "bürgerlichen" Stimmen mit starken Konkurrenten DP, BHE und FDP teilen.

2.3. Hamburgvorwiegend nach Stubbe-da Luz, 1989

Im Hamburg der Weimarer Republik hatte das Zentrum als Vertreter einer verschwindenden katholischen Minorität konstant 2 von 160 Sitzen gehalten, war also als Kristallisationskern für eine Volkspartei nicht geeignet. Nichtsdestotrotz gelang es den ehemaligen Zentrumsmitgliedern, zusammen mit Vertretern der ehemaligen Parteien SPD, KPD und DStP schon im Juli 1945 in einer gemeinsamen Parteiendelegation beim ernannten Bürgermeister vorstellig zu werden. Als im September von den Briten zunächst vier Parteien genehmigt wurden, war die CDP schon dabei, obwohl von der Mitgliederzahl her nicht größer als viele andere auf ihre Zulassung wartende Splitterparteien. Zu dieser Entscheidung scheint das Auftreten ihres Vorsitzenden Franz Beyrich sowie die Stärke der Zonenpartei geführt zu haben. Zu ihr gehörten aber zu diesem Zeitpunkt schon eine Reihe von Protestanten, die dem Kreis der Bekennenden Kirche entstammten. Ende September verabschiedeten die Gründer der CDP Hamburg (die allerdings erst am 1.Oktober offiziell gegründet wurde) die Hamburger Leitsätze der CDP. Sie lehnten sich an die Kölner Leitsätze an, enthielten aber weder deren bildungspolitische Vorstellungen, noch deren wirtschaftsreformerischen Touch. Die CDP war von ihren Gründern her keine Partei der Oberschicht, die "Hamburger Kreise" fanden sich fast ausnahmslos bei der FDP, die auch unvergleichlich stärker war als die CDP. Anfang des Jahres 1946 bekam die (inzwischen in CDU umbenannte) Partei mit der Hamburger Allgemeinen Zeitung zum ersten Mal die Möglichkeit ihre Politik in der ernannten Bürgerschaft zu verbreiten. Auf der Leserschaft dieser Zeitung baute dann auch der Mitgliederzuwachs auf. So konnten sie zwar noch lange nicht die FDP einholen, aber sie erzielten damit einen deutlichen Vorsprung vor den noch nicht genehmigten Parteien. Im Frühsommer 1946 war der Versuch des Bürgermeisters Petersen, die Bildung einer alle bürgerlichen Kräfte umfassenden Partei vorzunehmen am Widerstand der FDP gescheitert. So trat er dann im Juni 1946 zusammen mit 13 weiteren Abgeordneten der "Fraktion der Parteilosen" der CDU bei, kurze Zeit später folgten einige ehemalige DVP-Politiker um Paul de Chapeaurouge. Hierdurch war der CDU erstmals der Einstieg in das Hamburger Großbürgertum gelungen. Bei den Bürgerschaftswahlen von 1946 errang die CDU einen Stimmanteil von 26,7%, womit sie als Erbin der ehemaligen Rechtsparteien auftrat, und sich somit als eine der vier großen Parteien etablierte. Sie befand sich bis 1953 in der Opposition zu SPD-geführten Senaten.

2.4. BremenHier stütze ich mich auf Gurland, 1953

Bremen war seit jeher Domäne der SPD, die auch 1945 wieder stärkste Kraft wurde. An eine interkonfessionelle Partei nach rheinischem Vorbild war in calvinistischen Bremen wenig zu denken. So bildete sich unangefochten als einzige bürgerliche Sammelpartei die Bremer Demokratische Volkspartei. Ein kleines Grüppchen von ehemaligen Zentrumsanhängern bildeten innerhalb der BDV eine "Christliche Gruppe". Als sie von Anwachsen der CDU in der britischen Zone erfuhren, versuchten sie, die BDV zum Anschluß an dieselbe zu bewegen. Als dies nicht gelang, spalteten sie sich ab, und bildeten im Frühsommer 1946 die CDU in Bremen. Die BDV schloß sich auf Bundesebene später der FDP an. Obwohl die Bremer CDU der schwächste Landesverband der Zone war, erreichte sie bei den Kommunalwahlen 1946 in der Stadt Bremen 20%. Als einzige Oppositionspartei SPD/BDV/KPD-Senat überrundete sie bei den Wahlen 1947 mit 22% sogar die BDV (19%). Die Wahlen von 1951 hatten dagegen eine Große Koalition zur Folge. SPD und FDP bildeten gemeinsam mit der CDU (9%) einen neuen Senat.Esche/Hartmann, 1990: 189-190

3. Zusammenfassung

In den nordeutschen Ländern ist die CDU-Gründung extrem unterschiedlich verlaufen. Vielerorts gründeten ehemalige Zentrumsmitglieder die neue Partei - mit Erfolg in Südoldenburg, und mit großen Problemen in Hannover, Hamburg und Bremen. In Schleswig-Holstein wurde die Parteigründung nahezu ausschließlich von Protestanten vollzogen. Größere Chancen bekam die Partei erst, wenn sie das protestantische Bürgertum einbinden konnte, was in Braunschweig von Anfang an der Fall war, in Oldenburg, Hannover und Hamburg nach und nach gelang, in Bremen jedoch erst zehn bis zwanzig Jahre später. Auch hing die regionale Entwicklung der Partei deutlich stärker von einzelnen Personen vor Ort ab, als wir es aus unserer zentralen Mediengesellschaft von heute gewohnt sind. Die beginnenden Fünfziger Jahre sahen in der Norddeutschen CDU eine geschwächte Partei, die zwar im fernen Bonn an der Regierung war, vor Ort aber mit neuen starken Kräften um die "bürgerlichen Stimmen" kämpfen mußten. Erst als bis Mitte der Sechziger Jahre die anderen Parteien auf Bundesebene in den Sog der Adenauerschen Erfolge gerieten, konnte sich die CDU hier durchsetzen.

4. Anhang

4.1. Reichstagswahlergebnisse 1924 und 1932

4.2. Wahlergebnisse 1946-1951

5. Literatur

(c) Malte Woydt 1992

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Michael Ruck
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