Malte Woydt
Die Anfänge der CDU in Norddeutschland (1992)
unveröff. Seminararbeit
(Quellenangaben unter )
1. Überblick
1.1. Eingrenzung
1.2. "Quellenkritische"
Vorbemerkung
1.3. Einleitung
1.4. Die britische
Lizensierungspraxis
2. Die einzelnen Landesverbände
2.1. Schleswig-Holstein
2.1.1.
Gründungsphase
2.1.2.
Die ersten Wahlen
2.1.3.
Vorgeschichte der Regierungsübernahme 1950: Zwischen Wahlbündnissen
und Wahlrechtspoker
2.1.4.
Mitgliederentwicklung
2.2. Das Land
Niedersachsen
2.2.1.
Oldenburg
2.2.2.
Braunschweig
2.2.3.
Hannover
2.2.3.1. Gründungsphase
2.2.3.2. Günter Gereke
2.2.4.
Landespolitik
2.3. Hamburg
2.4. Bremen
3. Zusammenfassung
4. Anhang
4.1. Reichstagswahlergebnisse
1924 und 1932
4.2. Wahlergebnisse
1946-1951
5. Literatur
1. Überblick
1.1. Eingrenzung
Thematisch beschäftigt sich die Arbeit mit
der Herausbildung von Organisationsstrukturen derjenigen politischen Gruppen,
die sich bis 1950 in der Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU) zusammenfanden.
Der hierbei betrachtete Zeitraum umfaßt
die Jahre von der Kapitulation des Deutschen Reiches im Mai 1945 bis vor die
Gründung des Bundesverbandes der CDU 1950.
Meine Arbeit beschränkt sich räumlich
auf Norddeutschland, womit das Gebiet der heutigen Bundesländer Schleswig-Holstein,
Niedersachsen, Hamburg und Bremen gemeint ist.
1.2. "Quellenkritische" Vorbemerkung
Die mir zur Verfügung stehende Literatur behandelt
die zu betrachtenden Gebiete sehr unterschiedlich. So ist es schwer, über
die Landesverbände Bremen und Braunschweig überhaupt etwas herauszubekommen.
Als sehr hilfreich erwies sich die Überblicksdarstellung von Horstwalter
Heitzer über "Die CDU in der britischen Zone", auch wenn sie sehr unübersichtlich
gegliedert ist. Als das größte Problem für die Recherche zum Thema
stellte sich neben der geringen Menge auch die Einseitigkeit der Quellen dar.
Fast alle Autoren gehören selbst der CDU an, manche waren selbst damals aktiv
und Partei in innerparteilichen Auseinandersetzungen. So scheint es zum Beispiel
über die Gründung der CDU in Hannover beinahe nur Akten der Landesverbände
Westfalen und Rheinland (!) sowie die Darstellung des evangelischen Gründungsmitglieds
und späteren Landesgeschäftsführers Arnold Fratzscher zu geben.
Heitzer erklärt denn auch selbst, daß eine detaillierte Untersuchung
christlich-demokratischer Gründungsinitiativen im Norden der britischen Zone
aufgrund lückenhafter Quellenlage nur eingeschränkt möglich sei.
Es ist mir deshalb an den weitaus meisten Stellen unmöglich, durch Vergleiche
Einschätzungen der Autoren zu beurteilen. Als die einzige das Thema wirklich
tiefgreifend aufarbeitende wissenschaftliche Arbeit erscheint mir die Arbeit von
Helmut Stubbe-da Luz über die Hamburger CDU der Jahre 1945 und 1946. Des
weiteren ergab sich, daß in der Literatur die innerparteiliche und programmatische
Entwicklung häufig nur für die Jahre 1945/46 breiten Raum findet, für
die Zeit danach Wahlergebnisse und Regierungsbeteiligungen offenbar als wichtiger
erachtet wurden. Das mag dadurch begründet sein, daß die Partei damals
in Norddeutschland nichts weniger als eine "Massenpartei" war, sich im Gegenteil
fast ausschließlich über die praktische Arbeit in Parlamenten und Regierungen
zu definiert haben scheint.
Die einzelnen Länder werden hier mit völlig
unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten behandelt. Dies liegt zum einen
in der jeweils zu Grunde liegenden Literatur, deren Auslassungen ich nicht ausfüllen
kann. Andererseits ist es gerade sehr reizvoll, an Hand der vorliegenden Beispiele
verschiedene Charakteristika der Partei an Ländern, in denen sie sehr ausgeprägt
waren, vorzuführen. An Schleswig-Holstein läßt sich sehr schön
sowohl die programmatische Auseinandersetzung der Gründungsjahre wie auch
die machtpolitische Finesse eines ehrgeizigen Parteivorsitzenden namens Schröter
zeigen. Oldenburg eignet sich hervorragend zum Aufzeigen der Bedeutung konfessioneller
regionaler Unterschiede für Erfolg der neuen Partei. In Braunschweig scheint
sich geradezu ein Bilderbuch-Version der Gründung einer überkonfessionellen
Partei vollzogen zu haben. Der Vergleich zwischen Hamburg und Bremen zeigt,
wie wichtig es für die Christdemokraten in den norddeutschen Handelsstädten
war, Anschluß an das liberale Großbürgertum zu bekommen. Im
Abschnitt über die hannoversche CDU habe ich der Person Günter Gerekes
relativ großen Platz eingeräumt, sie macht vielleicht am besten deutlich,
wie stark die junge Partei abhängig von Einzelpersonen war.
1.3. Einleitung
Heute erscheint die Zusammenfassung dieser Gebiete
unter dem Begriff "Norddeutschland" derart einleuchtend, daß es sinnvoll
erscheint, sich zu vergegenwärtigen, daß einige Grundlagen dieser Einheit
erst 1945 geschaffen wurden. Das oben umrissene "Norddeutschland" bestand während
der Weimarer Republik aus den preußischen Provinzen Hannover und Schleswig-Holstein,
den Ländern Oldenburg, Braunschweig und Schaumburg-Lippe sowie den Hansestädten
Hamburg, Bremen und Lübeck (ohne einige der sowjetischen Zone zugeschlagenen
braunschweigischen Gebietsteile). Das Gebiet entspricht exakt dem Norden der britischen
Besatzungszone nach dem Zweiten Weltkrieg (zzgl. dem amerikanisch besetzten Bremen),
der sich vom Süden in der Konfessionszugehörigkeit seiner Bewohner stark
unterscheidet. Im Gegensatz zu den mehrheitlich katholisch geprägten Ländern
Rheinland und Westfalen, war Norddeutschland fast ausnahmslos protestantisch.
So war das Zentrum in Weimarer Zeit bis auf den Reichstagswahlkreis Weser-Ems,
der u.a. Südoldenburg und die angrenzenden hannoverschen Kreise umfaßte,
mehr eine marginale Größe. Nimmt man die Reichstagswahlergebnisse für
Norddeutschland zusammen und vergleicht die Ergebnisse vom Dezember 1924 mit denen
vom Juli 1932, ergibt sich, daß das Zentrum seine 6% halten konnte, die
SPD an die KPD verlor, beide zusammen aber ihre 38% halten konnten. Die bürgerlich-protestantischen
Parteien rutschten zugunsten der NSDAP von annähernd 52% auf knapp 13%.
Da sich die CDU (aus naheliegenden Gründen) insgesamt in ihren Anfängen
"personell, ideologisch-programmatisch und organisatorisch-politisch weithin auf
Zentrumsmilieu" stützte
lassen sich für Norddeutschland größere Schwierigkeiten für
den Aufbau dieser Partei erwarten. Dies um so mehr als nach 1945 viele Ostflüchtlinge
nach Norddeutschland strömten, die aus just den Ländern kamen in denen
die NSDAP noch schneller hatte fußfassen können. Schleswig-Holstein
und Niedersachsen lagen mit einem Flücht lingsanteil von 29,3% bzw. 26,1%
der Bevölkerung (1953) an der Spitze aller Bundesländer.
Als sich nach dem Krieg Parteien zu gründen
(bzw. wiederzugründen) begannen, geschah dies auf Länderebene. Schlechte
Verkehrs- und Kommunikationsverbindungen sowie Verbote der Besatzungsmächte
standen Gründungen auf Reichsebene zunächst entgegen. Aufgrund unterschiedlicher
Rahmenbedingungen und Protagonisten unterschiedlicher politischer Herkunft verlief
die Entwicklung der CDU in den einzelnen Ländern derart unterschiedlich,
daß die einzelnen Länder hier getrennt betrachtet werden.
1.4. Die britische Lizensierungspraxis
Zum Beginn der Besatzungszeit waren in den Westzonen
alle politischen Parteien verboten. So auch in der britischen Zone. Die Briten
erlaubten erst nach und nach die Gründung von Kreisparteien, bis dann als
Folge der Potsdamer Konferenz am 15. September 1945 auch Landesverbände gegründet
werden durften. Alle Parteien mußten von der jeweils zuständigen Militärregierung
genehmigt werden. Während manche CDU-nahen Autoren beklagen, die Besatzungsmacht
hätte SPD und KPD ungerechtfertigte Vorteile eingeräumt,
meint Ute Schmidt, die späte Zulassung von Parteien hätte dem Bürgertum
wichtige Zeit gegeben, um sich zu sammeln, und den Vorsprung der auf alten Strukturen
wieder aufbauenden Linksparteien nicht zu groß werden zu lassen.
Wie segensreich die Lizensierungspraxis für die CDU war, mag vielleicht auch
die arge Bedrängnis zeigen, in die die CDU nach Aufhebung des Lizensierungszwanges
durch neue Parteien wie den BHE vielerorts geriet, die ohne ihren Vorsprung vermutlich
viel größer gewesen wäre.
2. Die einzelnen Landesverbände
2.1. Schleswig-Holstein
2.1.1. Gründungsphase
Da das Zentrum in Schleswig-Holstein seit jeher
völlig unbedeutend war, konnte es 1945 nicht wie in Westdeutschland als Kristallisationspunkt
für die neue CDU dienen. In Schleswig-Holstein gab es mehrere konkurrierende
Gruppen, die als Keimzellen der CDU zu betrachten sind.
Es gab den Plöner Kreis, dem in erster
Linie Ostflüchtlinge angehörten. Unbestrittene Führungspersönlichkeit
war hier der Rittergutseigner Hans Schlange-Schöningen, vormals Reichstagsabgeordneter
der DNVP, der sich aber 1928 nach dem Rechtsruck seiner Partei von dieser distanziert
hatte.
Die "Plöner" knüpften an die Ideenwelt der Deutschnationalen an, wollten
aber aus dem Ghetto der Interessenpartei heraus. Aus der Überzeugung heraus,
daß die Ursache des Zusammenbruchs im Abfall des deutschen Volkes von
Gott zu suchen sei, erwächst ihre Selbstcharakterisierung als "christlich-konservativ".
Sie forderten dann auch eine an christlichen Werten orientierte Reform der Wirtschaftsordnung.
Es ist angesichts der beherrschenden Stellung
Schlange-Schöningens in dieser Gruppe schwer zu sagen, wie groß dort
der Rückhalt für seine programmatischen Vorstellungen war, die seine
waren.
In Rendsburg trafen sich vornehmlich führende
Persönlichkeiten der schleswig-holsteinischen Bauern, unter ihnen Detlev
Struve, unter der Leitung von Theodor Steltzer, der bei der Berliner CDU-Gründung
dabeigewesen war und ähnliche politische Akzente setzte wie die Berliner:
sich absetzend von früheren bürgerlichen Ideen strebten sie eine stark
dezentralisierten Staat an, den "organischen Aufbau der Gesellschaft von unten"
an, sowie eine Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Sie wünschten
sich eine starke SPD als Partner einer Koalition der Mitte.
Am 13.Oktober hatten sie die Gründung einer CDP-Kreispartei beantragt.
Die Kieler schließlich waren eine Gruppe
von liberalen Politikern. Treibende Kraft war Carl Schröter (ehem. DVP-Vorsitzender).
Außer ihm sind noch die ehem. DDP-Mitglieder Otto Knapp (Bankdirektor),
Max Ehmke (Kieler OB) und Willi Koch (Verleger) zu nennen. Ihr Ziel war, die
zersplitterten liberalen Kräfte zu einen. Sie bauten auf die ethische Kraft
eines wiedererstarkenden Bürgertums und eine Verbürgerlichung der
Arbeiterschichten. Jede christlich oder sozialistisch fundierte Kritik an der
alten Wirtschafts- und Gesellschafts- ordnung war ihnen fremd. Ihre Zukunftsvorstellung
war, mit der Sozialdemokratie in einem Zweiparteiensystem zu konkurrieren.
In der Hansestadt Lübeck gab es am 23.
November 1945 eine christlich-demokratische Parteigründung, die aber sowohl
aufgrund ihrer Gegnerschaft zu den dortigen Liberalen und Deutschnationalen,
von denen letztere mit dem Plöner Kreis in Verbindung standen, als auch
ihrer Fixierung auf Westfalen keinen Einfluß auf die Parteibildung im
Umland hatte.
Vermutlich gingen die Lübecker auch davon
aus, ihre unter NS-Herrschaft verlorene Unabhängigkeit wiederzuerlangen
und kümmerten sich deshalb schon nicht um Schleswig-Holstein.
Überregional ebenfalls bedeutungslos blieb
die früheste Gründung einer CDU-Kreispartei Schleswig-Holsteins am
15.September in Bad Segeberg.
Am 30. Oktober 1945 berieten "Plöner",
"Kieler" und "Rends- burger" zusammen mit Hamburgern in Plön ihren Zusammenschluß
zu einer Sammlungspartei rechts von der SPD. Über eine entspre- chende
Absichtserklärung hinaus konnte jedoch keine programmatische Einigung erzielt
werden. Beispielhaft seien hier die unüberbrückbaren Gegensätze
bei der Auseinandersetzung um das "C" in Name und Programm der Partei benannt.
So kam es zu einer Vertagung überörtlicher organisatorischer Entscheidungen,
die weitreichende Konsequenzen hatte:
Schlange-Schöningen konzentrierte sich
nämlich nach diesem Treffen darauf, in anderen Teilen Deutschlands Rückhalt
für seine christlich-konservative Linie zu finden. Währenddessen war
Steltzer - von den Briten damit beauftragt - mit der Leitung der Exekutive des
Landes ausgelastet.
So ging die Initiative des Parteiaufbaus von Schlange-Schöningen auf Schröter
über, der die Zeit nutzte, um im ganzen Land Kreis- und Ortsparteien zu
gründen.
Nachdem am 10.Dezember die Gründung von
Provinzparteien erlaubt worden war, luden die "Kieler" zum 4.Januar 1946 Vertreter
christlicher und liberaler Kreisparteien Schleswig-Holsteins zu einer Tagung
nach Rendsburg ein. Ergebnis dieser Tagung war die Gründung einer "Demokratischen
Union" mit Schröter als Vorsitzendem. Schlange-Schöningen stellte
erst jetzt fest, daß ihm die Entwicklung aus der Hand geglitten war, und
blieb mit seinem Plöner Kreis der neuen Partei fern. Durch die Namens-
gebung war offengelassen worden, ob man sich auf Zonenebene der CDU oder FDP
anschließen wollte. Am 15.Februar 1946 berief Schröter eine DU-Landesversammlung
ein. Er war Ende Januar auf der CDU-Zonenversammlung in Herford gewesen, und
von dort mit dem Entschluß heimgekommen, sich dieser Partei anzuschließen.
Die Mehrheit der DU-Delegierten befürwortete seine Entscheidung. Eine Minderheit
um den Industriellen Asmussen, die erst zum 4.Januar dazugestoßen war,
ging hiernach an die Gründung der FDP Schleswig-Holstein.
2.1.2 Die ersten Wahlen
Bei den Landtagswahlen 1947 ergab sich folgende
Stimmverteilung: SPD 43,8%; CDU 34,1%; FDP 5,0%; KPD 4,7%; SSV 9,3%; DKP/DRP 3,1%
Nach der Landtagswahl zog sich auch Ministerpräsident
Steltzer aus der aktiven Politik zurück - weil ihm eine längere Zusammenarbeit
mit dem ihm in seinen Grundanschauungen "durch Welten" getrennten Schroeter unmöglich
gewesen wäre.
So stand Schröter jetzt unangefochten an der Spitze der schleswig-holsteinischen
CDU.
2.1.3. Vorgeschichte der Regierungsübernahme
1950: Zwischen Wahlbündnissen und Wahlrechtspoker
Zur Landtagswahl 1947 versuchte Schröter ein
gemeinsames Vorgehen der bürgerlichen Parteien zu erreichen, was aber erst
zu den Kommunalwahlen von 1948 gelang. CDU, FDP und DKP, in einigen Landesteilen
auch die neugegründete DP verständigten sich auf eine Wahlabsprache.
Zur Bundestagswahl 1949 kandidierten die Parteien wieder getrennt, da das modifizierte
Verhältniswahlrecht auch kleineren Parteien Chancen auf Mandatsgewinne einräumte,
und die bundespolitischen Gesichtspunkte im Vordergrund standen.
Bei der Bundestagswahl erreichten CDU, DP und FDP zusammen über 50% der Stimmen.
Umgerechnet auf eine Landtagswahl nach dem Wahlgesetz von 1947 hätte dies
bedeutet, daß ein Bündnis dieser Parteien alle Direktmandate hätte
gewinnen können. So wäre die SPD überhaupt nicht mehr im Landtag
vertreten gewesen, da Listenmandate nur den Parteien zustanden, die mindestens
einen Wahlkreis gewannen. An Neujahr '49/50 verkündeten die drei Parteien
dann auch ihre Bündnispläne für die zweiten Landtagswahlen. Im
April schlossen sich CDU, FDP und DP zum "Deutschen Wahlblock" zusammen. Ihr Abkommen
sah vor, daß von den 46 Wahlkreiskandi- daten 23 von der CDU, 13 von der
DP und 9 von der FDP aufge- stellt werden sollten. Bestrebungen einiger Kreisverbände
der drei Parteien, doch gleich über das Wahlbündnis hinaus die Parteien
zu fusionieren, wurden von den Landesvorständen, die vermutlich um ihren
Einfluß bangten, unterdrückt. Insbesondere Schröter, der auch
stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war, erklärte,
er strebe statt einer schleswig-holsteinischen Sonderentwicklung langfristig die
Fusion auf Bundesebene an. Das dies nicht das ausschlaggebende Argument gewesen
sein kann, zeigt der Zusammenschluß von CDU und DP im benachbarten Niedersachsen.
Unterdessen verabschiedete die SPD-Mehrheit im
Landtag ein neues Wahlgesetz, das Listenverbindungen mehrerer Parteien verbot
und Listenmandate nur noch Parteien zugestand, die in allen Wahlkreisen eigene
Kandidaten aufstellten (!).
Entgegen der Erwartung von Rechtsexperten der CDU und sogar der Alliierten Hohen
Kommission, bestätigte das Oberverwaltungs- gericht Lüneburg im Juni
1950 die Rechtmäßigkeit des neuen Wahlgesetzes, so daß die bürgerlichen
Parteien von vorneherein auf Listenmandate verzichten mußten.
Wenige Monate vor der Landtagswahl tauchte mit
dem "Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten" (BHE) eine neue Kraft im
Parteienspektrum auf. Vor dem 30. März 1950 hatten Parteien von den Alliierten
lizensiert sein müssen, welche aber in einer Interessenpartei der Vertriebenen
ein Hindernis für deren Assimilation gesehen hatten.
Die Wahlgesetzänderung und die rasche Ausbreitung des BHE ließen
die nach der Bundestagswahl aufgekommene Hoffnung, über 50% der Stimmen
erlangen zu können, am Wahltag ungewiß erscheinen. Der BHE zog nach
der Landtagswahl am 9. Juli 1950 mit 15 Abgeordneten in den neuen Landtag ein.
Die SPD rutschte von den 43 Sitzen, die sie 1947 unter anderem aufgrund der
gegenseitigen Konkurrenz im bürgerlichen Lager um die Direktmandate erhalten
hatte, auf ganze 19. Der Wahlblock verpaßte aufgrund des Wahlrechtes,
das ihm die 5 Listenmandate, die ihm nach altem Recht zugestanden hätten,
nicht zugestand, die absolute Mehrheit, wurde aber mit 31 Sitzen stärkste
Kraft im Landtag. Und das obwohl die Stimmenzahl der drei zusammengeschlossenen
Parteien bei der Bundestagswahl noch um 17% höher gelegen hatte. Nach langen
Querelen innerhalb des Wahlblockes über die Kabinettszusammensetzung und
die Person des Ministerpräsidenten konnte am 5.September 1950 von einer
Koalition aus CDU, FDP, DP und BHE ein neuer Ministerpräsident gewählt
werden.
2.1.4. Mitgliederentwicklung
Die CDU hatte Aufgrund großen Zuspruchs von
Seiten sowohl der Bauern wie auch der Flüchtlinge einen recht guten Start,
im Mai 1946 hatte sie bereits 20.000 Mitglieder, die allerdings bis Januar 1947
wieder auf knapp 15.000 zurückgingen. In der Mitgliedschaft überwogen
die Mittelschichten.
2.2 Das Land Niedersachsen
Vor 1933 gliederte sich das Gebiet des heutigen
Landes Niedersachsen in die preußische Provinz Hannover und die Länder
Oldenburg, Braunschweig sowie Schaumburg-Lippe. Die britische Besatzungsmacht
errichtete nach dem Krieg zunächst diese Länder in annähernd den
alten Grenzen wieder neu. Oldenburg bekam seine schleswig-holsteinischen Exklaven
nicht wieder dafür aber die ehedem preußische Stadt Wilhelmshafen hinzu.
Durch die Zerschlagung der Einheit Preußens wurde die Provinz Hannover eine
eigenständige Einheit. Schaumburg-Lippe gehörte zunächst zu Westfalen,
dann zu Niedersachsen. Die Länder wurden durch Verordnung vom 1. November
1946 zum Land Niedersachsen zusammengefügt. Nichtsdestotrotz war diese Entwicklung
im Sommer 1945 noch nicht abzusehen, die Parteien gründeten sich auf der
Ebene der alten Länder neu. Erst im Oktober 1950 einigten sich die drei niedersächsischen
Landesverbände auf die Gründung eines lockeren Dachverbandes unter dem
Namen "CDU in Niedersachsen", da die beiden kleineren Landesverbände Oldenburg
und Braunschweig fürchteten, von Hannover zu stark dominiert zu werden.
2.2.1 Oldenburg
Das Land Oldenburg bietet aus Sicht der CDU-Geschichte
ein völlig uneinheitliches Bild. Sowohl die besten als auch die schlechtesten
Wahlergebnisse in Niedersachsen kamen aus Oldenburg.
Unterschieden werden muß hier zwischen
dem katholischen Süden und dem protestantischen Norden. Eine Mittelstellung
nehmen die kreisfreien Städte ein.
Der Süden Oldenburgs umfaßt die beiden
Landkreise Vechta und Cloppenburg. In Vechta und Cloppenburg gelang einer Gruppe
um den Kaufmann und Landwirt J.Hermann Siemer mit starker Unterstützung
ehemaliger Zentrumspolitiker extrem schnell der Aufbau einer "alle politisch
entscheidenden Kräfte dieses Raumes"
umfassenden christlich-demokratischen Partei. Bei den ersten Wahlen im September
und Oktober 1946 errang die CDU hier über 90% der Sitze.
Im Landkreis Ammerland konnte erst 1956 ein
CDU-Kreisverband gebildet werden. Schon diese Tatsache zeigt, welch schwierigen
Stand die CDU im Norden Oldenburgs hatte. In den Landkreisen Ammerland, Wesermarsch
und Friesland hatte 1946 die FDP eine sichere absolute Mehrheit. Die CDU hatte
sich im Norden Oldenburgs auch erst kurz vor den Wahlen als Abspaltung der mit
den Liberalen gemeinsam gebildeten Demokratischen Union (DU) konstituiert.
Die kreisfreien Städte waren Hochburgen
der SPD. Während sie in Wilhelmshafen und Delmenhorst knapp 50% der Stimmen
erreichte, waren in der Stadt Oldenburg die drei großen Parteien CDU,
FDP und SPD annähernd gleichauf. Im Landkreis Oldenburg ergab sich eine
sichere Mehrheit der CDU, wenn sie auch nicht an die Ergebnisse in Cloppenburg
und Vechte heranreichte.
In den folgenden Jahren entstanden für
die CDU in Oldenburg einige Probleme. Bei den niedersächsischen Landtagswahlen
1947 und den Kreistagswahlen 1948 gewann die wiedergegründete Deutsche
Zentrumspartei in Vechta über 30 und in Cloppenburg über 20 Prozent
der Stimmen. Ihr Aufbau war aufgrund des Engagements der meisten ehemaligen
Mitglieder für die CDU so langsam vonstatten gegangen, daß sie 1946
noch nicht kandidieren konnte, nun hatte sie aber in Vechta die absolute Mehrheit
der CDU gebrochen. Während sich die CDU zu den Bundestagswahlen 1949 in
Oldenburg noch gut halten konnte, brachten die Wahlen 1951/52 die schlechtesten
Ergebnisse in der Nachkriegsgeschichte, von denen sich die Partei erst in den
sechziger Jahren erholte. Während im Süden weiterhin mehr als 40%
der Stimmen gewonnen wurden, gingen die Ergebnisse im Ammerland bis auf 0,6%
herunter (Kreistagswahl 1952). Zum einen lag dies an der Aufhebung des Lizensierungszwanges,
die die GDP/BHE als Partei der Heimatvertriebenen und später die rechtsradikalen
Parteien DRP und SRP als Konkurrenten auftreten ließ. Im Süden brachte
das Bündnis der CDU mit der DP als Niederdeutsche Union NU manche Katholiken
auf, bei denen die DP als antiklerikal verschrieen war. Zum anderen wirkten
sich heftige Auseinandersetzungen zwischen dem 1.Vorsitzenden Söhlmann
und dem 2.Vorsitzenden Siemer negativ auf das Wählerverhalten aus.
2.2.2. Braunschweig
Für Braunschweig liest sich die Gründungsgeschichte
der CDU wie im Bilderbuch. Schon im Mai 1945 treffen sich Mitglieder liberaler,
konservativer und christlicher Gruppen um eine Einigung zu beraten. Unter Führung
des ehemaligen DDP/DStP-Abgeordneten Heinrich Rönneburg und des katholischen
Geistlichen Wilhelm Unverhau gründen sie dann im Oktober die CDP. Die Braunschweiger
richteten sich bei ihrer überregionalen Orientierung nicht an dem westdeutschen
sondern an dem berliner Vorbild aus. Aufgrund des Verbots parteipolitischer Betätigung
für Beamte gab es schon vor der Jahreswende '45/'46 einen Wechsel in der
Spitze der Landes-CDU. Neue Vorsitzende wurden Georg Strickrodt (ehem. DDP/DStP)
und Carl Schönfeld (Stellv.; kath.). Das Hauptproblem der Jahre 1946/47 bestand
darin, daß sich sowohl der Landesvorsitzende als auch mehrere der acht Kreisvorsitzenden
vorrangig als Landespolitiker und nicht als Parteivorsitzende verstanden. Sie
waren mit Ministerämtern zu beschäftigt, um sich um die Partei kümmern
zu können. Da Strickrodt zudem im Gegensatz zu seinen Kollegen in den anderen
Landesverbänden auf eine starke Führung verzichtete, litt der Zusammenhalt
des Verbandes. Die Mitgliederschaft des Landesverbandes wies 1947 ein starkes
Übergewicht (40%) von Selbstständigen auf, das sind deutlich mehr als
in den anderen Landesverbänden der Partei (soweit Daten vorliegen). Bei den
Kommunalwahlen 1946 gewann erwartungsgemäß die SPD, wenn auch die große
Zahl gewählter unabhängiger Kandidaten ein großes Potential für
die CDU erahnen ließen, das aber in den Landtagswahlen noch nicht die erhoffte
Auswirkung hatte.
2.2.3. Hannover
2.2.3.1. Gründungsphase
In der preußischen Provinz Hannover waren
während der Weimarer Republik die Sozialdemokraten die stärkste Kraft,
neben ihnen war vor allem die welfische Deutsch-Hannoveranische Partei (DHP) bedeutend.
Im Spätsommer 1945 trafen sich ehemalige
Zentrumspolitiker um den ehemaligen Vorsitzenden Bernhard Pfad und christliche
Gewerkschafter um Anton Storch um über ihre parteipolitische Zukunft zu
beraten. Die Gewerkschafter traten von Anfang an für eine überkonfessionelle
Volkspartei ein. Sie stießen mit dieser Ansicht jedoch auf den Widerstand
der Zentrumspolitiker, die dem evangelischen Bürgertum kritisch gegenüberstanden,
weil es überwiegend nationalsozialistisch gewählt hatte. Da aber inzwischen
aus Westfalen und dem Rheinland erste Nachrichten über die Gründung
der CDP durch ehemalige Zentrumspolitiker eintrafen, wartete man erst einmal
nähere Informationen ab. Nach einem Briefwechsel Pfads mit Adenauer und
Kannengießer (Westfalen) ließen sich am 16.September rund 24 Zentrumsvertreter
aus verschiedenen Teilen der Provinz Hannover vom geschäftsführenden
rheinischen Vorsitzenden Schwering in Rinkerode über die westdeutschen
CDP-Gründungen informieren. Auf dieser Rinkeroder Konferenz sprachen sich
vier Vertreter für das alte Zentrum aus, der Rest war noch unentschieden.
Am 18.September erklärte dann die Hannoveraner Gruppe ihr Votum für
die CDP. Sie versuchten sodann Kontakt mit evangelischen Kreisen aufzunehmen.
Ende August 1945 hatten sich die deutschen Bischöfe und Kirchenpräsidenten
auf der Kirchenkonferenz von Treysa für die Förderung einer interkonfessionellen
Partei ausgesprochen.
Unter den Teilnehmern der Konferenz waren auch Oberkirchenrat Adolf Cilien und
Arnold Fratzscher, die nun an der Gründung der hannoverschen CDP mitwirkten.
Auf der Gründungsversammlung am 18.November hielt Cilien eine Rede unter
dem Titel "Warum wir evangelischen Christen uns für die Christlich-Demokratische
Partei entscheiden", die als Appell an den evangelischen Bevölkerungsteil
zu verstehen war. Da keine Übernachtungsmöglichkeiten bestanden, konnten
die Referate der Versammlung nicht diskutiert werden, sie ließen jedoch
die Tendenz erkennen, daß die Hannoveraner zwar in vielen Punkten mit
den "Kölner Leitsätzen" der rheinischen Partei übereinstimmten,
aber sich von deren wirtschaftsreformerischen Gedanken distan- zierten. Die
Parteigründung hatte nur eine sehr mäßige Resonanz zur Folge.
Einzig in den katholischen Kreisen im Osnabrücker Raum und im Emsland gelang
bis zum Ende des Jahres die Gründung von Kreisparteien. Die CDP wurde von
der evangelischen Bevölkerung als katholische Partei betrachtet. Auf dem
Treffen der Landesgeschäftsführer der britischen Zone am 22.Mai 1946
in Neuenkirchen mußten die Hannoveraner bekennen, bisher nicht im evangelischen
Bevölkerungsteil Fuß fassen zu können. Zwei Drittel der Mitglieder
kamen aus der Stadt Hannover, 95% waren katholisch. So versuchte der Landesverband
mit bezahlten Werbern und einer intensiven Rednerschulung an neue Mitglieder
heranzukommen. Die Mitgliederzahl stieg vom 3000 im Mai 1946 bis auf 16000 im
Januar 1947. Als ein Hindernis wurde die Person des Landesvorsitzenden ausgemacht.
Pfad könne erstens als Katholik in einem evangelischen Land nicht der geeignete
Parteiführer sein, und lege zweitens eine große Inaktivität
an den Tag. Im Mai 1947 wurde er dann mit Adenauers Unterstützung erfolgreich
zum Rücktritt gedrängt. Nachdem eine Zeitlang Pfads Stellvertreter
Paul Otto die Geschäfte führte, wurde Mitte August 1948 Günter
Gereke zum neuen Vorsitzenden gewählt.
2.2.3.2. Günter Gereke
Günter Gereke scheint eine etwas mysteriöse
Gestalt gewesen zu sein. 1932 war er Vorsitzender des überparteilichen Ausschusses
gewesen, der die Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten förderte, dann
im Kabinett Schleicher Reichskommissar für Arbeitsbeschaffung geworden, und
hatte diesen Posten unter Hitler zunächst beibehalten. 1945 war er von den
Sowjets zum Leiter der Innenverwaltung der Provinz Sachsen ernannt, floh (?) dann
aber im Sommer 1946 in einem britischen Militärfahrzeug in Offiziersuniform
nach Celle, zu einem Freund, der dort CDU-Kreisvorsitzender war. Im Dezember 1946
wurde er dann auf Vorschlag der CDU zum Innenminister von Niedersachsen ernannt.
Er hat im hannoverschen Landesverband "Sprechtage" eingeführt, zu denen jeder
aus den Kreisverbänden kommen konnte, der Zeit und Interesse hatte, um Zonen-
und Landespolitik zu diskutieren. Außer in Braunschweig hat es solche beinahe
basisdemokratischen Elemente in der CDU nirgends gegeben.
Schon 1946 hatte Adenauer Bedenken gegen die
Wahl Gerekes geäußert, weil dieser 1932 in eine Unterschlagungsaffäre
verwickelt gewesen sein sollte.
Anfang 1949 kam es dann zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Adenauer und
Gereke, weil der hannoversche Landesvorsitzende öffentlich die Politik
der CDU/CSU im Parlamentarischen Rat kritisierte und nach den Bundestagswahlen
lautstark eine Große Koalition forderte. Anfang 1950 fuhr Gereke ohne
Absprache mit politischen Freunden nach Ost-Berlin und traf sogar mit Walter
Ulbricht zusammen, was im Juni des Jahres seinen Ausschluß aus Regierung,
Partei und Fraktion zur Folge hatte. Nach einiger Zeit als Abgeordneter für
BHE und DSP (eine von ihm gegründete Partei) ging er 1953 in die DDR.
Ausgehend von dem schlechten Landtagswahlergebnis
1947 (die CDU blieb in Niedersachsen unter 20%), wurde in Hannover die Stellung
der Bezirksverbände als Zwischenebene zwischen den Kreisverbänden
und dem Landesverband verstärkt.
2.2.4. Landespolitik
Bei den Landtagswahlen von 1947 erhielten CDU und
die welfische NLP, die gemeinsamen Wahlkampf geführt hatten, zusammen 40%.
Gebildet wurde dann eine Allparteienregierung unter Hinrich Wilhelm Kopf (SPD),
die nach Unstimmigkeiten über die Bodenreform 1948 auf SPD, CDU und Zentrum
verkleinert wurde. In den Fünfziger Jahren sah die Lage für die niedersächsische
CDU alles andere als rosig aus. Bei der Landtagswahl 1951 errangen CDU und DP,
die sich für einige Jahre zur Niederdeutschen Union zusammengeschlossen hatten,
nur noch zwei Drittel ihrer vorherigen Sitze: SPD 64, NU 35, BHE 21, SRP 16, FDP
12, KPD 6, Z 4, DRP 3. Mit der Vertriebenenpartei BHE und den rechtsradikalen
Parteien SRP und DRP waren neue Konkurrenten um die Stimmen des "rechten Lagers"
aufgetaucht. Noch bis zum Anfang der sechziger Jahre sollte sich die CDU die "bürgerlichen"
Stimmen mit starken Konkurrenten DP, BHE und FDP teilen.
2.3. Hamburg
Im Hamburg der Weimarer Republik hatte das Zentrum
als Vertreter einer verschwindenden katholischen Minorität konstant 2 von
160 Sitzen gehalten, war also als Kristallisationskern für eine Volkspartei
nicht geeignet. Nichtsdestotrotz gelang es den ehemaligen Zentrumsmitgliedern,
zusammen mit Vertretern der ehemaligen Parteien SPD, KPD und DStP schon im Juli
1945 in einer gemeinsamen Parteiendelegation beim ernannten Bürgermeister
vorstellig zu werden. Als im September von den Briten zunächst vier Parteien
genehmigt wurden, war die CDP schon dabei, obwohl von der Mitgliederzahl her nicht
größer als viele andere auf ihre Zulassung wartende Splitterparteien.
Zu dieser Entscheidung scheint das Auftreten ihres Vorsitzenden Franz Beyrich
sowie die Stärke der Zonenpartei geführt zu haben. Zu ihr gehörten
aber zu diesem Zeitpunkt schon eine Reihe von Protestanten, die dem Kreis der
Bekennenden Kirche entstammten. Ende September verabschiedeten die Gründer
der CDP Hamburg (die allerdings erst am 1.Oktober offiziell gegründet wurde)
die Hamburger Leitsätze der CDP. Sie lehnten sich an die Kölner Leitsätze
an, enthielten aber weder deren bildungspolitische Vorstellungen, noch deren wirtschaftsreformerischen
Touch. Die CDP war von ihren Gründern her keine Partei der Oberschicht, die
"Hamburger Kreise" fanden sich fast ausnahmslos bei der FDP, die auch unvergleichlich
stärker war als die CDP. Anfang des Jahres 1946 bekam die (inzwischen in
CDU umbenannte) Partei mit der Hamburger Allgemeinen Zeitung zum ersten Mal die
Möglichkeit ihre Politik in der ernannten Bürgerschaft zu verbreiten.
Auf der Leserschaft dieser Zeitung baute dann auch der Mitgliederzuwachs auf.
So konnten sie zwar noch lange nicht die FDP einholen, aber sie erzielten damit
einen deutlichen Vorsprung vor den noch nicht genehmigten Parteien. Im Frühsommer
1946 war der Versuch des Bürgermeisters Petersen, die Bildung einer alle
bürgerlichen Kräfte umfassenden Partei vorzunehmen am Widerstand der
FDP gescheitert. So trat er dann im Juni 1946 zusammen mit 13 weiteren Abgeordneten
der "Fraktion der Parteilosen" der CDU bei, kurze Zeit später folgten einige
ehemalige DVP-Politiker um Paul de Chapeaurouge. Hierdurch war der CDU erstmals
der Einstieg in das Hamburger Großbürgertum gelungen. Bei den Bürgerschaftswahlen
von 1946 errang die CDU einen Stimmanteil von 26,7%, womit sie als Erbin der ehemaligen
Rechtsparteien auftrat, und sich somit als eine der vier großen Parteien
etablierte. Sie befand sich bis 1953 in der Opposition zu SPD-geführten Senaten.
2.4. Bremen
Bremen war seit jeher Domäne der SPD, die
auch 1945 wieder stärkste Kraft wurde. An eine interkonfessionelle Partei
nach rheinischem Vorbild war in calvinistischen Bremen wenig zu denken. So bildete
sich unangefochten als einzige bürgerliche Sammelpartei die Bremer Demokratische
Volkspartei. Ein kleines Grüppchen von ehemaligen Zentrumsanhängern
bildeten innerhalb der BDV eine "Christliche Gruppe". Als sie von Anwachsen der
CDU in der britischen Zone erfuhren, versuchten sie, die BDV zum Anschluß
an dieselbe zu bewegen. Als dies nicht gelang, spalteten sie sich ab, und bildeten
im Frühsommer 1946 die CDU in Bremen. Die BDV schloß sich auf Bundesebene
später der FDP an. Obwohl die Bremer CDU der schwächste Landesverband
der Zone war, erreichte sie bei den Kommunalwahlen 1946 in der Stadt Bremen 20%.
Als einzige Oppositionspartei SPD/BDV/KPD-Senat überrundete sie bei den Wahlen
1947 mit 22% sogar die BDV (19%). Die Wahlen von 1951 hatten dagegen eine Große
Koalition zur Folge. SPD und FDP bildeten gemeinsam mit der CDU (9%) einen neuen
Senat.
3. Zusammenfassung
In den nordeutschen Ländern ist die CDU-Gründung
extrem unterschiedlich verlaufen. Vielerorts gründeten ehemalige Zentrumsmitglieder
die neue Partei - mit Erfolg in Südoldenburg, und mit großen Problemen
in Hannover, Hamburg und Bremen. In Schleswig-Holstein wurde die Parteigründung
nahezu ausschließlich von Protestanten vollzogen. Größere Chancen
bekam die Partei erst, wenn sie das protestantische Bürgertum einbinden konnte,
was in Braunschweig von Anfang an der Fall war, in Oldenburg, Hannover und Hamburg
nach und nach gelang, in Bremen jedoch erst zehn bis zwanzig Jahre später.
Auch hing die regionale Entwicklung der Partei deutlich stärker von einzelnen
Personen vor Ort ab, als wir es aus unserer zentralen Mediengesellschaft von heute
gewohnt sind. Die beginnenden Fünfziger Jahre sahen in der Norddeutschen
CDU eine geschwächte Partei, die zwar im fernen Bonn an der Regierung war,
vor Ort aber mit neuen starken Kräften um die "bürgerlichen Stimmen"
kämpfen mußten. Erst als bis Mitte der Sechziger Jahre die anderen
Parteien auf Bundesebene in den Sog der Adenauerschen Erfolge gerieten, konnte
sich die CDU hier durchsetzen.
4. Anhang
4.1. Reichstagswahlergebnisse
1924 und 1932
4.2. Wahlergebnisse 1946-1951
5. Literatur
- Albert, Klaus, 1983: Entstehungsgeschichte
und Politik der schleswig-holsteinischen Landesregierung unter Ministerpräsident
Bartram (1950-51), in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische
Geschichte 108
- Becker, Winfried, 1987: CDU
und CSU 1945-1950: Vorläufer, Gründung und regionale Entwicklung
bis zum Entstehen der CDU-Bundespartei, Mainz.
- CDU-Landesverband Oldenburg, 1986:
CDU im Oldenburger Land 1945-1985. Chronik des CDU-Landesverbandes Oldenburg,
Vechta.
- Esche, Falk / Hartmann, Jürgen
(Hg.), 1990: Handbuch der deutschen Bundesländer, Frankfurt a.M.
u.a.
- Fratzscher, Arnold, 1971:
Die CDU in Niedersachsen. Demokratie der ersten Stunde, Rosdorf.
- Gurland, A.R.L., 1980: Die
CDU/CSU. Ursprünge und Entwicklung bis 1953, Frankfurt a.M.
- Heitzer, Horstwalter, 1988:
Die CDU in der britischen Zone 1945-1949. Gründung, Programm und Politik
(Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 12), Düsseldorf.
- Roth, Goetz, 1954: Fraktion
und Regierungsbildung. Eine monographische Darstellung der Regierungsbildung
in Niedersachsen im Jahre 1951 (Parteien, Fraktionen, Regierungen. 3.), Meisenheim
a. Gl.
- Sahner, Heinz, 1972: Politische
Tradition, Sozialstruktur und Parteiensystem in Schleswig-Holstein (Politik
und Wähler 9), Meisenheim a. Gl.
- Schmid, Josef, 1990: Die CDU.
Organisationsstrukturen, Politiken und Funktionsweisen einer Partei im Föderalismus,
Opladen.
- Schmidt, Ute, 1983: Die Christlich
Demokratische Union Deutschlands. In: Stöss, Richard: Parteien-Handbuch.
Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, Bd.1. Opladen.
- Statistisches Jahrbuch für das
Deutsche Reich 1924/25, hg.vom Statistischen Reichsamt.
- Statistisches Jahrbuch für das
Deutsche Reich 1932, hg.vom Statistischen Reichsamt.
- Statistisches Jahrbuch für die
Bundesrepublik Deutschland 1954, Wiesbaden.
- Steltzer, Theodor, 1966: Sechzig
Jahre Zeitgenosse, München.
- Stubbe-da Luz, Helmut, 1990:
Union der Christen - Splittergruppe - Integrationspartei: Wurzeln und Anfänge
der Hamburgischen CDU bis Ende 1946, Hamburg.
- Treue, Wilhelm, 1956: Niedersachsen,
junges Land mit altem Namen, Hildesheim.
(c) Malte Woydt 1992
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