Malte
Woydt
Erfahrungen mit unpolitischen Mitschülern
Beitrag zur SPD-Nachwuchsdebatte,
erschienen im "Backbord"
9/1988, Mitgliederblättchen der SPD Hamburg-Fuhlsbüttel
Politisches Engagement wird allgemein belächelt,
viele können sich nicht einmal vorstellen, warum andere politisch aktiv sein
könnten, wie dann sie selber!
Wenn dieses Engagement jedoch innerhalb einer Partei stattfindet, ist es ganz
"aus": Meine Parteimitgliedschaft neutralisiert alles, was man mir vielleicht
als "Unabhängigem" an politischer Kompetenz zugetraut hätte.
Es passiert mir laufend, daß Äußerungen zu politischen Themen
von mir (z.B. im Gemeinschaftskundeunterricht) schon deswegen nicht für diskussionswürdig
erachtet werden, weil "der das ja sagen mußte".
Parteien werden als Maschinen empfunden, in denen der - auf ominöse Weise
entstandene - Parteivorstand den Ton angibt, in denen die Basis aus Trotteln besteht,
die sich Denkschemata aufzwingen lassen, und bereitwillig Wahlkampf für "die
da oben" machen.
Parteien, in der Sicht von vielen Gleichaltrigen mit denen ich in Schule und Freizeit
zusammenkomme, sind einheitlich. Daß es schwierig sein könnte, in einer
Partei zwei Leute mit exakt den gleichen Ansichten zu allen Themen zu finden,
ist unvorstellbar.
Zu den großen Schülerdemonstrationen des letzten Jahres drängten
sich 30.000 Jugendliche vor der Schulbehörde. Eine Begebenheit hierbei hat
mir zu denken gegeben.
Auf dieser Demo mieden mich meine Mitschüler, auch Freunde, schon allein
deshalb, weil ich eine JUSO-Fahne trug. Grund: Es ginge hier um die ABI-Defom,
nicht um Parteipolitik.
Daß sich der Protest nur deshalb formulieren konnte, weil in der Schülerkammer
Hamburg Aktivisten der SDAJ und der JUSOS (bzw. des SSB/H) gearbeitet hatten,
bleibt den Demonstranten völlig verborgen. Die JUSO-Organisation wird nicht
als Partner bei der Durchsetzung eines politischen Ziels verstanden, sondern als
mitgliedergeiler Trittbrettfahrer, dessen Präsens quasi ausschließlich
Werbung bedeutet.
In anderer Umgebung als in der kleinbürgerlichen Wohlstandsjugend Fuhlsbüttels
sieht die Sache hoffentlich anders aus, aber ich kenne keine andere Umgebung.
Ich bin Teil derselben.
Malte (seit 3 Jahren jüngstes Distriktsmitglied)