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Belgien auf dem Weg zu mehr Rechtsstaat und Demokratie

Malte Woydt

[erschienen in: Becker, Michael u.a.: Rechtsstaat und Demokratie. Theoretische und empirische Studien zum Recht in der Demokratie. Opladen: Westdeutscher Verlag 2001, S.202-223]

......
1. Einleitung

...... Demokratie und Demokratisierung sind ein faszinierendes Bündel von Versprechungen, die an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten in sehr unterschiedlichem Maße eingelöst wurden, werden und vermutlich nie vollständig eingelöst werden können. Warum sind manche Länder demokratischer als andere? Die sehr unterschiedlich starke Stabilität europäischer Demokratien in der Zwischenkriegszeit weckte ein spezifisches Interesse an historischen und geostrategischen Vergleichen. Die überraschende Vielfalt der Verfassungswirklichkeit frisch in die Unabhängigkeit entlassener früherer Kolonien trotz identisch konstruierter Institutionen führte zur Erforschung von Einstellungen und Verhalten der Bevölkerung. Die unterschiedlichen Ergebnisse gleichzeitiger Demokratisierungsversuche in Europa, Afrika und Amerika, die mit Glasnost und Perestroika in Russland begonnen hatten, spornte nun viele an, sich mit dem Zusammenhang von Demokratie und Rechtsstaat zu beschäftigen (vgl. etwa Lauth in diesem Band).
...... Um Demokratie als Bündel von Versprechen konkreter zu fassen, möchte ich gerne auf Steffani (1979: 144) zurückgreifen, der als Kriterien für Demokratie unter anderem Effizienz, Transparenz und Partizipation ausmacht. Demokratisierung bezeichnet damit eine Veränderung hin zu mehr Effizienz, Transparenz und Partizipation. Partizipationsausweitung kennt dabei zwei Richtungen: Ausweitung des Entscheidungsträgerkreises und Ausweitung der zu entscheidenenden Gegenstände. Was für die Demokratie gilt, gilt auch für den Rechtsstaat: Auch er ist eine Idee, die Versprechen macht, die bis zu einem gewissen Grad eingelöst wurden, werden und werden können. Habermas (1998: 209) spricht von drei Prinzipien: Dem "Prinzip des umfassenden individuellen Rechtsschutzes, der durch eine unabhängige Justiz gewährleistet wird ..., ... [den] Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der gerichtlichen sowie parlamentarischen Verwaltungskontrolle ... sowie ... [dem] Prinzip der Trennung von Staat und Gesellschaft, der verhindern soll, dass soziale Macht ungefiltert, also ohne durch die Schleusen der kommunikativen Machtbildung hindurchzugehen, in administrative Macht umgesetzt wird." Je näher die Realität eines Landes diesen Prinzipien kommt, desto eher ist von einem Rechtsstaat zu sprechen.
...... Nach Bobbio stehen "liberaler [Rechts-] Staat und demokratischer Staat ... in einer doppelten Wechselbeziehung zueinander: in einer Richtung, die vom Liberalis-mus zur Demokratie führt, in dem Sinne, dass bestimmte Freiheitsrechte notwendig sind, um die korrekte Ausübung der demokratischen Staatsmacht zu gewährleisten, und in der entgegengesetzten Richtung, dass es einer demokratischen Macht bedarf, um die Existenz und das Fortbestehen der Grundrechte zu garantieren." (Bobbio 1984: 11; vgl. auch den Beitrag von Axel Schulte in diesem Band). Habermas meint dasselbe, wenn er vom Nachweis spricht, "dass zwischen Rechtsstaat und Demokratie nicht nur ein historisch-zufälliger, sondern ein begrifflicher oder interner Zusammenhang besteht" (Habermas 1998: 664).
...... Demokratie- und Rechtsstaatsidee stehen nicht im luftleeren Raum, sie wurden geboren im Kampf gegen Idee und Realität der absoluten Monarchie. Dort erhob der Monarch Anspruch auf alle drei Gewalten: Legislative, Exekutive und Jurisdiktion. Mit der Idee vom Rechtsstaat oder dem Rechtsstaatsprinzip versuchte das Bürgertum dem Monarchen alle drei Funktionen zu entreißen. Mit der Idee von der Demokratie oder dem Demokratieprinzip versuchte die Arbeiterbewegung gegen Monarchen und Bürgertum an Einfluss zu gewinnen. Beide Ideen zielten auf die Umgestaltung beider Elemente des Staates, des politischen Systems und des Rechtssystems. Im demokratischen Rechtsstaat soll das politische System das Demokratieprinzip umsetzen, das Rechtssystem das Rechtsstaatsprinzip. Beide sind als Antwort auf gesellschaftliche Konflikte konstruiert, stellen verschiedene Arten von Konfliktlösung zur Verfügung und stehen miteinander in einem "gewaltenteilenden Dialog", nicht zuletzt, da sie gemeinsam für die Fortentwicklung von Politik- und Rechtssystem verantwortlich sind, wenn neue Aufgaben oder Konflikte auftauchen (Steffani 1980: 141). Der König als Verwirklichung des monarchischen Prinzips ist seines früheren Einflusses auf Politik und Justiz dabei größtenteils enthoben.
...... Wurde in den letzten Jahren nach dem "richtigen" Verhältnis von Demokratie und Rechtsstaat gefragt, ging es dabei zumeist um Staaten, die nach Jahrzehnten der Diktatur eine verfassungsmäßige Stunde Null durchlebten. Ich möchte hier zum Vergleich einmal ein Land betrachten, dass seine letzte "Stunde Null" im Jahre 1831, also vor 170 Jahren hatte, und dessen Verfassung sich als so flexibel erwiesen hat, dass sie sich immer wieder an veränderte Gegebenheiten anpassen ließ.
...... Michael Becker stellt in diesem Band die Frage nach der Vorrangstellung von entweder Rechtsstaat oder Demokratie. In gewachsenen Demokratien wie Belgien war der Rechtsstaat historisch zuerst da und wurde im Laufe der Zeit durch Demokratisierung des politischen Systems und des Rechtssystems zum demokratischen (und sozialen) Rechtsstaat fortentwickelt. Aber auch der Rechtsstaat selbst wurde in seiner Reichweite ausgedehnt durch eine zunehmende Verrechtlichung politischer und sozialer Prozesse. Die Frage nach der Vorrangstellung hat sich historisch nicht gestellt, die Demokratie hat sich den Rechtsstaat zur teilweisen Umsetzung seiner Versprechen (etwa von Transparenz oder geregelter Partizipation) zunutze gemacht und dadurch auch den Rechtsstaat einigen seiner Versprechen wie des umfassenden Rechtsschutzes (für alle; vgl. den Beitrag von Linda Helfrich-Bernal in diesem Band) oder der "Filterung" sozialer Macht ihrer materiellen Verwirklichung näher gebracht. Das verhindert nicht, dass in der konfrontativen Auseinandersetzung von Justiz und Politik Thesen zur Vorrangstellung des vom jeweils eigenen Apparat repräsentierten Prinzips instrumentalisiert werden.
...... Dieser Aufsatz verfolgt drei Ziele: Zunächst möchte ich (1) das Verhältnis von Demokratie und Rechtsstaat in Belgien in mehreren Facetten schildern, um die These von Bobbio und Habermas über den ursächlichen Zusammenhang beider Prinzipien zu stützen. Anschließend (2) einen kurzen Überblick über die belgische Form der Demokratie geben, um die Bedeutung prinzipieller verfassungs- oder demokratietheoretischer Fragen für die gesellschaftliche Realität zu relativieren. Schließlich soll (3) das Beispiel der Dutroux-Affäre als Auslöser einer breiten Debatte über Demokratie und Rechtsstaat zur näheren Betrachtung des Habermasschen Diskurses oder Steffanis gewaltenteilenden Dialoges zur gleichzeitigen Fortentwicklung von Rechtsstaat und Demokratie dienen.

2. Rechtsstaat und Demokratie in Belgien

...... Drei Elemente sind wichtig, um das Verhältnis von Rechtsstaat und Demokratie in Belgien zu verstehen: (1) der Demokratisierungsprozess der Gesellschaft, insbesondere des politischen Systems seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, (2) die Verrechtlichung der Politik und die Ausdehnung juristischer Kontrolle politischen Handelns seit dem Zweiten Weltkrieg, (3) das Maß politischer Einflussnahme auf das Rechtssystem.

2.1 Demokratisierung

...... Die Geschichte Belgiens als unabhängiger Staat begann mit der Revolution von 1830 gegen die niederländische Herrschaft. Seitdem gab es mit Ausnahme der zweimaligen deutschen Besatzung keinen Bruch in der belgischen Verfassungsgeschichte. Die Verfassung von 1831 ist immer noch in Kraft, wenn auch mit gewissen Änderungen. Den Erfordernissen der Zeit entsprechend galt das Hauptaugenmerk der Verfassungsväter nicht der Balance von Rechtsstaat und Demokratie sondern der wirkungsvollen Beschränkung königlicher Macht durch Verfassung, Rechtssystem und (noch lange nicht demokratischem) Parlament.
...... Die belgische Verfassung vom 7.2.1831 galt Mitte des 19. Jahrhunderts als modernste Europas und hatte großen Einfluss auf die Verfassungen zahlreicher anderer Länder (vgl. Gilissen 1967: 63-69). Sie war durch Synthese der niederländischen und französischen Verfassungen von 1814 bis 1830 entstanden. Die Mischung opferte zum ersten Mal das 'monarchische Prinzip', der König hat nur die Befugnisse, die ihm die Verfassung ausdrücklich zuweist (Gilissen 1967: 60/61). Parlament und Justiz dienten im 19. Jahrhundert der Interessenwahrung einer kleinen wohlhabenden Führungsschicht gegenüber König und Masse der Bevölke-rung gleichermaßen. Die Wahlbürgerschaft war rechtlich absolut souverän, das Parlament war keinerlei verfassungsrechtlichen Kontrolle unterworfen, die Justiz ein Mittel zur Durchsetzung der vom Parlament beschlossenen Gesetze. Der König verdankte seine geschützten Privilegien formell allein der Gnade des Parlamentes. Leopold I. konnte sich faktisch allerdings auch auf einen gewissen ausländischen Druck in einem Europa der Monarchen stützen und auf seine von Belgien dringend benötigte militärische Erfahrung als General der russischen Armee in den napoleonischen Kriegen, Leopold II. auf die Reichtümer, die er aus seiner Privatkolonie Kongo presste (vgl. Hochschild 2000). Erst 1884 waren zudem die politischen Parteien zu so kohärentem Handeln fähig, dass sie die dem Parlament zustehenden Rechte vom König auch einforderten und durchsetzten (Magnette 1999: 81).
...... Für das 19. Jahrhundert stellt sich die Frage der Balance zwischen Rechtsstaat und Demokratie nicht. Demokratie war die Forderung der oppositionellen Arbeiterbewegung. Das Brüsseler Stadtbild wird weder durch das Parlament (wie Budapest, Bern und Washington) noch durch den Königspalast (wie die meisten Residenzstädte) sondern durch den Justizpalast beherrscht, das größe Bauwerk im Europa des 19. Jahrhunderts. Die den größten Teil des 19. Jahrhunderts hindurch regierenden Liberalen konnten sich mit dem König darauf einigen, mit dem Justizpalast den Rechtsstaat symbolisch in den Vordergrund zu rücken.
...... Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde Belgien nach langen blutigen Auseinandersetzungen mit der Arbeiterbewegung durchgreifend demokratisiert: Das politische System wandelte sich zum einen mit der schrittweisen Ausweitung des Wahlrechtes, 1893 dem allgemeinen und 1919 auch gleichen Wahlrecht für Männer, 1948 auch für Frauen. Seit schließlich zwischen 1960 und 1964 der Kongo, Ruanda und Burundi in die Unabhängigkeit entlassen wurden, hat die Mehrheit der erwachsenen Bewohner belgischen Territoriums das Wahlrecht. Zum anderen mussten die Könige mehr und mehr Kompetenzen an Parlament und Regierung abgeben. Ernst Fraenkel hat darauf hingewiesen, dass die (in ihren Ursprüngen bismarcksche) deutsche Sozialgesetzgebung außerhalb Deutschlands als wichtiger deutscher Beitrag zum Typus "westliche Demokratie" betrachtet wird. Kam eine ausgedehnte Sozialgesetzgebung in Deutschland auch vor der Demokratisierung des politischen Systems, muss sie überall sonst als Element der Demokratisierung betrachtet werden (Fränkel 1991: 50). Ein Rechtssystem, das nur Rechte kennt, die den Oberschichten zu Gute kommen (etwa Eigentumsrechte), ist natürlich undemokratischer als eines, das auch (soziale) Rechte kennt, die den Unterschichten zu Gute kommen. In Belgien wurde der Rechtsstaat sogar erst mit der Sozialgesetzgebung der 1940er Jahre derart demokratisiert (vgl. Alaluf 1999). In einem sprachlich gespaltenen Land ist darüberhinaus neben der sozialen auch die sprachliche Gleichberechtigung wichtig, die flämische Bevölkerungsmehrheit erreichte das erst in mehreren Schritten in den 30er bis 60er Jahren.

2.2 Verrechtlichung der Politik

...... Nach dem zweiten Weltkrieg wurden auch Elemente in das Verfassungssystem eingeführt, die der Parlamentssouveränität ein Ende machten. Jetzt gibt es Gerichte, die Parlaments- und Regierungsbeschlüsse überprüfen. Seit 1946 der Staatsrat, seit 1957 der Europäische Gerichtshof, seit 1959 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, seit 1985 der belgische Schiedshof. Im europäischen Mehrebenensystem sind die europäischen Institutionen so selbstverständlich Teil der politischen Systeme aller Mitgliedsländer wie die nationalen Regierungen Teil des europäischen Systems sind.
...... 1946 wurde nach jahrzehntelangen Debatten per Gesetz der Staatsrat geschaffen, weil dringend eine Institution gebraucht wurde, die sich mit Klagen gegen Verwaltungsakte beschäftigte (Lambotte 1970: 19-24). Er hat zwei Abteilungen, Gesetzgebung und Verwaltung. Seine 36 Mitglieder haben den Rechtsstatus von Richtern, kommen aber nicht nur aus der Justiz, sondern auch aus Verwaltung, Wissenschaft etc. Neue Mitglieder werden zur Hälfte vom Staatsrat selber, zur Hälfte vom Parlament vorgeschlagen (vgl. Arcq u.a. 1998: 92-95).
...... Föderal-, Regional- und Gemeinschaftsregierungen müssen für die meisten Gesetzes- und Verordnungsentwürfe den Rat der Gesetzgebungsabteilung einholen. Die jeweiligen Parlamente können ihn einholen. Das Gutachten des Staatsrates wird dem Entwurfstext beigefügt. Es obliegt dann allerdings dem Gesetz- oder Verordnungsgeber, dem Rat zu folgen oder nicht. Auch kann er umgehen, ein Gutachten einholen zu müssen, indem er sich auf die Dringlichkeit der Sache beruft. (Baeteman 1994)
...... Die Verwaltungsabteilung des Staatsrates kann auf Antrag jeder betroffenen Einzelperson Verwaltungsvorschriften und -beschlüsse für nichtig erklären, wenn sie oder ihr Zustandekommen geltendem Recht widersprechen, insbesondere auch, wenn sich Institutionen Befugnisse anmaßen, die sie nicht haben. Sie fungiert in dem Sinne auch als letzte Berufungsinstanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Darüberhinaus kann von den Regierungen auch im Vorfeld von Verwaltungsakten ein Gutachten eingeholt werden. Für einige Spezialbereiche gibt es kleinere Verwal-tungsgerichtsbarkeiten erster Instanz, die als Teil der Verwaltung, nicht der Justiz angesehen werden. In diesen Bereichen ist der Staatsrat übergeordnete Berufungsinstanz. (Arcq u.a. 1998: 170/171)
...... Belgien war Gründungsmitglied von NATO, EGKS und aller folgenden Organisationen, hat demnach seit 1949 Schritt für Schritt Teile seiner Souveränität an die europäischen Institutionen abgegeben. Dies stand jahrelang in eklatantem Widerspruch zur belgischen Verfassung, die erst 1970 an die faktische Situation angepasst wurde, und jetzt die Übertragung von Souveränitätsrechten an Institutionen des internationalen öffentlichen Rechts gestattet. (Art. 34, Lejeune 1996: 133)
...... Belgien war Gründungsmitglied des Europarates und hat später auch die Eu-ropäische Menschenrechtscharta ratifiziert. Damit hat Belgien sich der Jurisdiktion des 1959 gegründeten Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte unterworfen. 1987 hat Belgien in Folge eines Gerichtsurteils von 1979 Adoptivkinder natürlichen Kindern gleichstellen müssen. (Lejeune 1996: 130).
...... In letzter Zeit gibt es Versuche einiger französischsprachiger Politiker, die belgischen Sprachgesetze auf ihre Übereinstimmung mit der Europäischen Charta für Minderheitenrechte überprüfen zu lassen. Die Charta geht vom Individualprinzip aus, der von der belgischen Politik 1962 festgelegte Kompromiss legt auf Basis der Bevölkerungsverteilung von 1962 das Territorialprinzip an. Das Land ist unterteilt in einsprachige Zonen ohne Minderheitenrechte, das zweisprachige Brüssel und eine Reihe von Gemeinden mit Minderheitenrechten für eine 1962 starke sprachliche Minderheit. Die Verhandlungspartner haben damals festgelegt, dass spätere demographische Entwicklungen nicht in Betracht gezogen werden. Die Aufhebung dieser Regelung zugunsten von Rechten der seitdem stark angewachsenen frankophonen Bevölkerung im flämischen Umland von Brüssel verlangte nach allgemeiner Auffassung das Einverständnis beider Seiten. Deshalb hat Belgien die Europäische Minderheitencharta, die Rechte für Individuen und Gruppen an ihrem faktischen Wohnort verlangt, nicht ratifiziert. Die parlamentarische Versammlung des Europarates hat Belgien in einer Resolution verurteilt, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist aber wegen fehlender Ratifizierung nicht zuständig.
...... Bis 1984 gab es in Belgien keine Instanz, die über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen entschieden hätte. Das änderte sich mit der Föderalisierung. Wir haben jetzt ein kompliziertes System von zwei parallelen Föderalsystemen. Das Landesterritorium ist in drei Gemeinschaften (flämisch, französisch und deutsch) für personalisierbare Materien aufgeteilt und gleichzeitig in drei Regionen (Flandern, Wallonie und Brüssel) für nicht-personalisierbare Materien (vgl. Blanke 1991, Siegemund 1989). Das wurde als notwendig erachtet, weil sich die Grenzen von Regionen und Gemeinschaften nicht decken. In Belgien gilt der deutsche Grundsatz "Bundesrecht bricht Landesrecht" nicht, Föderal-, Gemeinschafts- und Regionalgesetze haben demnach gleichen Rang. Um daraus entstehenden Kompetenzkonflikten zu begegnen, wurde im Rahmen der Staatsreform von 1980 ein Schiedshof vorgesehen, der 1984 seine Arbeit aufnahm. Er umfasst zwölf Personen, davon je drei Juristen (Richter der hohen Gerichte oder Professoren) und drei ehemalige Politiker aus jeder der beiden Sprachgruppen.
...... Zu Beginn war der Schiedshof einzig dazu befugt, festzustellen, ob Gesetze im Kompetenzbereich der jeweiligen Körperschaft (Staat, Region, Gemeinschaft) la-gen. Die Staatsreform von 1988/89 hat die Bildungspolitik den Gemeinschaften überantwortet. Die katholischen Parteien wollten sicher gehen, dass ihre Schulen nicht unter einer antiklerikal-dominierten Französischen Gemeinschaft leiden. So wurde dem Schiedshof zugewiesen, auch über die Übereinstimmung von Gesetzen mit den Grundrechten Gleichheit, Nicht-Diskriminierung und Freiheit des Unterrichts zu beschließen. Letzterer Artikel wurde extra aus diesem Anlass noch um die Bestimmungen des Schulpaktes von 1958 ergänzt, die damit erstmals Verfassungsrang bekamen. Gleichzeitig bekam das Parlament das Recht, dem Schiedshof per Gesetz weitere Grundrechte zur Überprüfung zuzuweisen. Jener hat darauf allerdigs nicht gewartet, und leitet seit 1989 aus dem Nicht-Diskriminierungsartikel seine Zuständigkeit für alle anderen Grundrechte ab. So bekam Belgien durch die Hintertür ein vollwertiges Verfassungsgericht. Es kann seit 1989 von jeder natürlichen oder juristischen Person binnen sechs Monaten nach Bekanntmachung eines Gesetzes angerufen werden. (Suetens 1994; Lejeune 1996: 207-209)

2.3 Einfluss der Politik auf die Justiz

...... Verdussen (1999a:54-61) unterscheidet drei Formen der Intervention der Politik im Bereich der Justiz. Die Politik ist demnach "Auftraggeber" (Regelsetzer, Einsetzer und Financier), "Akteur" (Richter wie Angeklagter) und "Lieferant" der Justiz. Es ist die Politik, die die Verfassung verabschiedet und verändert, das Prozessrecht bestimmt und ähnliches - daher Regelsetzer. Es ist die Politik, die in Person des Justizministers mit der Ernennung von Richtern (auf Lebenszeit) und Staatsanwälten (auf Widerruf) befasst ist - daher Einsetzer. Es ist ebenso die Politik, die der Justiz ihr Budget zuweist - also Financier. Die Politik trete in bestimmten Fällen auch an die Stelle des Richters (was gleich näher erläutert wird) und Angeklagten (soweit z.B. Politiker Straftaten begangen haben). Sie ist Lieferant der Justiz, insofern viele gesellschaftliche Probleme auf die Justiz abwälzt, und schon allein durch die Gesetzesflut Arbeit schafft. Klassisches Einfallstor für Einflussnahme sind Ernennung und Beförderung von Richtern. Es gibt in Belgien keinen einzigen Richter, der sich nicht einer der großen Parteien zuordnen ließe (Misson 1997: 25).
...... Insbesondere lohnt die Funktion der "Politik als Richter" nähere Betrachtung. In manchen Bereichen üben Politik und Verwaltung nicht einfach nur Einfluss auf die Justiz aus, sondern annektieren geradezu Funktionen, die üblicherweise in den Kompetenzbereich der Justiz fallen. Verdussen (1999a:58/59) nennt hier überraschenderweise nur die Disziplinierung von Abgeordneten, die wegen derer Immunität vom jeweiligen Parlement selbst übernommen wird, Wahlprüfung und Kontrolle der Parteienfinanzierung, die ebenfalls von Parlamentsausschüssen durchgeführt wird, und die Überprüfung der Kommunalsteuern durch die Provinzialräte. Dabei gibt es noch weitaus interessantere Bereiche.
...... In offenbar krassem Gegensatz zu ausländischen Gepflogenheiten verlor die belgische Justiz bis vor kurzem mit Urteilsspruch und Strafmaßfestsetzung jedweden Einfluss auf das, was mit einem Verurteilten geschah. Das vom Gericht festgesetzte Strafmaß diente als Obergrenze, der Justizminister konnte nach Gutdünken einen späteren Haftantritt oder eine vorzeitige Haftentlassung verfügen, sogar eine Strafe auch von vorneherein aussetzen, ohne seine Entscheidung begründen zu müssen (Panier/Ch�telet 1997: 85-87). Im Zuge der Dutroux-Affäre kam zum Vorschein, daß Dutroux zum Zeitpunkt der Entführung von Julie und Melissa noch wegen einer früheren Verurteilung hätte im Gefängnis sitzen müssen, wenn der damalige Justizminister und heutige Richter am Europäischen Gerichtshof Wathelet ihn nicht 1992 vorzeitig entlassen hätte. Wathelet konnte nur deshalb angegriffen werden, weil diese Entscheidung in seinen persönlichen Verantwortungsbereich viel. In manch anderem Land wäre er weder damit befasst woren, noch nachher dem Volkszorn ausgesetzt gewesen. Jene Aufgabenverteilung aus dem Jahre 1888 (vgl. Liekendael 1996: 28) wurde kürzlich mit der Justizreform aufgehoben. Jetzt werden sich spezielle Kommissionen zur Haftentlassung auf Bewährung damit beschäftigen. Spötter meinen, einziger Beweggrund für diese Reform sei, völlig unabhängig von sachlichen Überlegungen, den Minister aus der Verantwortung zu ziehen (Dayez 1999:29).
...... Die Ergebnisse des ersten Untersuchungsausschusses zur "Mörderbande von Brabant" von 1988/89 (eine Serie äußerst brutaler Raubüberfälle auf Supermärkte, die offenbar nicht Geld sondern eine politische Destabilisierung zum Ziel hatte) hatten zwei Schlussfolgerungen nahegelegt: (1) dass organisatorische Schwächen, fehlender Wille und Konkurrenzverhalten bei Justiz und den drei Polizeidiensten, Gendarmerie, Justizpolizei und Kommunalpolizei skandalöse Funktionsschwächen zur Folge haben. (2) Dass es Justiz- und Polizeivertretern möglich war, mit Berufung auf Berufsgeheimnis und Gewaltentrennung die Arbeit des Untersuchungsausschusses erfolgreich zu verhindern (Vander Velpen 1998: 122-128). So gingen die Parlamentarier dann an eine Überarbeitung des Gesetzes über Untersuchungsausschüsse. Im Jahre 1990 legten die sozialistischen Spitzenpolitiker Di Rupo und Onckelinx einen Gesetzentwurf zu Parlamentarischen Untersuchungs-ausschüssen vor, der jenen weitgehende Rechte zur Kontrolle der Justiz einräumen sollte. Insbesondere die entsetzte Reaktion dreier pensionierter Generalstaatsanwälte fand Beachtung: Der verfassungsmäßige Grundsatz von der Gewaltenteilung bedeute, dass der Gesetzgeber keinen Vorrang vor der Justiz habe, der ihn etwa in Stand setze, letztere zu kontrollieren. (Ganshof van der Meersch u.a. 1990/91:18). Belgische Politologen teilen parlamentarische Untersuchungen währenddessen seelenru-hig in Enquête-Kommissionen, Untersuchungsausschüsse zur Kontrolle der Regierung und solche zur Kontrolle der Justiz ein (Deschouwer 1998:25).
...... Die Aufgaben parlamentarischer Untersuchungsausschüsse waren lange nicht klar umrissen gewesen. Auch obwohl dies 1996 dann geschah, haben weite Kreise der Bevölkerung, der Medien aber auch manche Abgeordnete eher zu weitgesteckte Erwartungen. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse sollen Tatsachen aufdecken und politische Verantwortlichkeiten feststellen. Es lässt sich kaum vermeiden, dass vor dem Ausschuss auch Aussagen und Feststellungen von strafrechtlichem Belang fallen. Der Untersuchungsausschuss ist jetzt dazu verpflichtet, derartige Ergebnisse seiner Arbeit an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten, aber er selbst muss keine Aussagen über strafrechtliche Schuld der Beteiligten machen. Der alten Formel aus einem Gesetz von 1880, dass einem Untersuchungsausschuss alle Rechte eines Untersuchungsrichters zustehen, wurden 1996 noch einige Rechte vis-à-vis der Justiz hinzugefügt. So wurde ausdrücklich festgestellt, dass ein Untersuchungsausschuss das Recht hat, Akten von Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz einzusehen und Zeugen aus den Institutionen zu hören. Auch sollten sich Richter und Anwälte nicht mehr auf das Berufsgeheimnis berufen können, wenn der Untersuchungsausschuss sie davon entbinde (Verstraeten 1998:58-63).
...... In diesem Zusammenhang wurde auch das Problem diskutiert, dass ein Untersuchungsausschuss Zeugen unter Eid verhört, die dort in Ermangelung eines Aussageverweigerungsrechtes in eigener Sache dazu gezwungen werden, gerichtsverwertbare Aussagen zu machen, die sie vor Gericht hätten unterlassen dürfen. Das widerspreche der Internationalen Konvention der Menschenrechte (Velu 1993/94: 209). Der Kassationshof hat dahingehend entschieden, dass die Justiz derartige Aussagen nicht verwerten darf (Verstraeten 1998:65/66). Ein großes Problem, das nicht zuletzt durch die Dutroux-Affäre deutlich geworden ist, besteht darin, dass die Untersuchungsrichter keinen Einfluss auf die Arbeitsaufteilung der Polizeidienste hat. Seine Untersuchungsaufträge können von der Polizei mit unzureicendem Personal bedacht werden, die Polizei kann sich ihres Auftrages auch entledigen oder völlig unabhängig von richterlichen Aufträgen ermitteln. Das hat zum Ergebnis, dass am Ende oft mehrere Polizeidienste und der Untersuchungsrichter aneinander vorbeiarbeiten (vgl. Matray/Martens 1999: 162).
...... Demokratie und Rechtsstaat sind in Belgien nicht zur selben Zeit entstanden. Nichtsdestotrotz hängen sie ursächlich zusammen. Die Existenz von Rechtsstaat und Parlamentarischem System ließ die Arbeiterbewegung das allgemeine und gleiche Wahlrecht fordern und schließlich durchsetzen. Das allgemeine Wahlrecht führte dazu, dass der Rechtsstaat um soziale und sprachliche Rechte ergänzt wurde. Der Rechtsstaat erzeugte seinerseits soviel Vertrauen, dass ihm später die Schlichtung von Konflikten unter den neu entstandenen Gliedstaaten anvertraut wurde. Andererseits hat die Politik der Justiz vielleicht nur deshalb soviel Macht überantwortet, weil sie sich ihrer verschiedenen Einflussmechanismen sicher war. In der Dutroux-Affäre gerieten beide in die Kritik.

3. Die belgische Form von Demokratie

...... Bis hierher war es möglich, das Verhältnis zwischen Rechtsstaatsprinzip und Demokratieprinzip in Belgien durchzudeklinieren, ohne näher auf die Funktionsweise des politischen Systems einzugehen. Ein paar Worte sind zu dessen Verständnis aber unbedingt nötig.
...... Der verfassungsrechtliche Rahmen des belgischen politischen Systems lässt sich nicht mit einem einfachen Blick in den Verfassungstext erschließen. Zum einen stehen der Verfassung mit Zweidrittelmehrheit verabschiedete sogenannte "Sondergesetze" zur Seite, in denen beispielsweise große Teile des föderalen Systems niedergelegt sind (Lejeune 1996: 160). Zum anderen ist die Bedeutung in der Verfas-sung mehrfach auftauchender Bezeichnungen nicht immer einheitlich. Wo in der Vefassung vom "König" die Rede ist, können drei unterschiedliche Dinge gemeint sein: Der König als Person, der König vertreten durch die Regierung als Kollektivorgan oder der König vertreten durch einen einzelnen Minister. Wer jeweils wissen will, welche dieser drei Bedeutungen an einer bestimmten Stelle gemeint ist, muss Kommentare studieren (vgl. Molitor 1979: 13). Darüberhinaus ist die Verfassungsinterpretation Veränderungen unterworfen. So wurde etwa die Auflösung der Kam-mer im maßgeblichen Kommentar von 1952 noch als Recht des Königs in Person angesehen und erschien 1971 als Recht der Regierung ohne dass sich Verfassungstext oder Gesetzeslage geändert hätten (Stengers 1996: 91). Übrigens wurden 1994 die Artikel der Verfassung umgruppiert und neu nummeriert (Lejeune 1996: 155).
...... Belgien hat stark korporatistische Prägungen, Vereinbarungen der Sozialpartner haben Gesetzeskraft (vgl. auch Prigge 2000: 45-53). Und in deren Zuständigkeitsbereich fallen nicht nur die Arbeitsbeziehungen im engeren Sinne, sondern etwa auch die Festsetzung der Strompreise (vgl. Reismann 1992) sowie die Ausführung vieler Politiken (die Arbeitslosenhilfe wird etwa von den Gewerkschaften ausbezahlt). Anfang der neunziger Jahre setzte sich aber die Regierung über den erbitterten Widerstand der Gewerkschaften hinweg und verabschiedete drastische wirtschaftspolitische Maßnahmen per Gesetz. Ein Jahr später saßen die Sozialpartner wieder an einem Tisch und akzeptierten weitgehende (liberale) Reformziele (Schmitter/Grote 1997: 538). In Belgien werden viele politische Konflikte nach Möglichkeit in kleine Fachprobleme zerteilt, die dann den jeweiligen Interessengruppen zu Beratung und Kompromissfindung überlassen werden. So umschifft die Regierung Krisen, die sie andernfalls hätten zerreißen können (vgl. Bulck 1992: 52 sowie ausführlicher: Dewachter 1992: 127-162). Entscheidungen fallen je nach Opportunität in den dafür geschaffenen formalen Gremien (etwa dem Nationalen Arbeitsrat) oder informell ohne diese Gremien, aber mit denselben Verbänden (Dewachter: 162)
...... Die an solchen Konzertationen teilnehmenden Verbände sind mitnichten nach ihrer Größe oder Repräsentativität ausgesucht. So ist zum Beispiel die größe Eisenbahnergewerkschaft der Wallonie systematisch von Tarifverhandlungen u.ä. ausgeschlossen, weil es sich um eine unabhängige Gewerkschaft handelt. Teilnahmeberechtigt sind nur die mit den großen politischen Parteien verbundenen Gewerkschaften, oft schließen Sozialisten und Christdemokraten selbst die kleine liberale Gewerkschaft noch von Gremien aus. Das hängt mit einem "Versäulung" genannten Phänomen zusammen. Belgien ist, und war in der Vergangenheit noch mehr, stark versäult. Mit Gewissen Ähnlichkeiten zu Holland hatten Sozialisten, Christdemokraten und Liberale jeweils ihr eigenes System von Gewerkschaften, Schulen, Hochschulen, Vereinen, Medien, Kultureinrichtungen und Krankenhäusern. Ja, hier war das System selbst auf Banken und Versicherungen ausgedehnt. Seit dem Schulpakt von 1958 wird bei Konflikten die Straße zwar mobilisiert, die Kompromissfindung findet aber im engen Elitezirkel am grünen Tisch statt. Heute hat die Bedeutung der Säulen für die Bürger stark abgenommen, die Menschen wählen Banken, Versicherungen, Schulen usw. nicht mehr nur aus der "eigenen" Säule, Zeitungsredaktionen müssen nicht mehr in allem der jeweiligen Parteizentrale zu Diensten sein. Auf der Elitenebene sind die spezifischen Netzwerke aber offenbar noch intakt. CVP-Politiker kommen selbstverständlich von katholischen Universitäten, Verbände, Unternehmen und Medien derselben Säule arbeiten eng zusammen, geben sich logistische Hilfe, tauschen Informationen untereinander aus, bilden gemeinsame Klientelismusnetzwerke (vgl. Dewachter 1992: 286). Die vertikalen Bindungen belgischer Politiker mit ihrer jeweiligen Säule sind wichtiger und stärker als die horizontalen Bindungen mit den Kollegen anderer Parteien in der "politischen Klasse". Belgische Politiker leben nicht auf einem abgehobenen Olymp, haben es aber schwer, die Stimmungen oder Bedürfnisse der Menschen außerhalb ihrer Säule und ihrer Bür-gersprechstunden wahrzunehmen.
...... Von entscheidender Bedeutung ist darüberhinaus der Konflikt zwischen Fla-men und frankophonen Belgiern (in Deutschland "Sprachenstreit" genannt). In dem ursprünglich einsprachig französisch konzipierten Staat bedurfte es jahrzehntelanger Kämpfe der flämischen Bewegung, um Gleichberechtigung und schließlich die Fö-deralisierung zu erzwingen. Praktisch alle Parteien und Verbände haben sich in den sechziger und siebziger Jahren entlang der Sprachgrenze zweigeteilt. Die alle Lebensbereiche detailliert regelnde Sprachgesetzgebung ist weitaus umfangreicher als in vergleichbaren Staaten (McRae 1986: 4). Von der Sprachgesetzgebung ging man über zur Föderalisierung, Belgien ist heute ein Bundesstaat mit 6 ineinander verschachtelten Gliedstaaten. Dieser Prozess geht schrittweise vonstatten. In jeder Legislaturperiode handeln die Regierungsparteien eine neue Staatsreform aus, die weitere Kompetenzen an die Gliedstaaten transferiert. Das belgische politische System, wie es in der Verfassung steht, wird im Fünfjahresrhytmus verändert, da die in einer Legislaturperiode zu ändernden Verfassungsartikel schon vor der Wahl angekündigt werden müssen und erst nach einer weiteren Wahl in Kraft treten.
...... Belgien wird oft als Konsensdemokratie bezeichnet. Das bedeutet nicht, dass belgische Politiker besonders konsens- oder harmoniewillig wären, es bedeutet nur, dass aus der Erfahrung vergangener existentieller Blockaden der politischen Entscheidungsprozesse heute für alle nationalen (wie auch Brüsseler) Entscheidungen eine doppelte Mehrheit, d.h. die Mehrheit jeweils beider Sprachgruppen verlangt wird. Weil in jeder Legislaturperiode eine Verfassungsrevision ansteht, bedeutet dies darüberhinaus, dass Regierungen jeweils nach Möglichkeit eine "übergroße" Mehrheit hinter sich versammeln, nämlich eine verfassungsändernde Mehrheit. Nur in sehr seltenen Fällen binden belgische Regierungen auch Oppositionsparteien mit ein. Typischerweise wird im Konfliktfall ein "compromis à la belge" abgestrebt, eine Paketlösung, bei der jede der Konfliktparteien in einer von manchmal völlig unzusammenhängenden Fragen ihren Willen bekommt. Lijphart hat sich in vielen Publikationen begeistert zum belgischen Modell einer "consociational democracy" geäußert (vgl. Lijphart 1981).
...... Als Beispiel für eine existentielle Entscheidungsblockade kann eines der Schlüsselereignisse der Nachkriegszeit dienen: die sogenannte Königsfrage von 1950. Mit großen Mehrheiten in Referendum und Parlamentsvotum war formell demokratisch beschlossen worden, König Leopold III. nach Belgien zurückzuholen. Ein von frankophonen Sozialiszen und Liberalen unterstützter Generalstreik in der Wallonie zwang die Mehrheit zu Neuverhandlungen. Die Kompromisslösung der Spitzenpolitiker am grünen Tisch: Wir bleiben Monarchie, Leopold III. dankt ab, sein Sohn Balduin I. folgt ihm nach (ausführlich: Theunissen 1984). Die politischen Entscheidungsprozesse wurden mit der "doppelten Mehrheit" im Laufe der Jahre so angepasst, dass die flämische Mehrheit die frankophone Minderheit nicht mehr überstimmen kann, dennoch bleibt im politischen Bewusstsein verankert, dass auch vollkommen legal getroffene Entscheidungen nie endgültig sind und immer noch einmal umgeworfen werden können, wenn sich zu großer Widerstand regen sollte.
...... Das System funktioniert in stark durchstrukturierten Gesellschaften, in denen wenige Spitzenpolitiker stellvertretend für ihre jeweilige "Säule" im kleinen Zirkel und meist wenig transparent verhandeln. So effizient ein derartiges "konsensdemokratisches" System zur Bewältigung der ihm zugrundeliegenden Konflikte ist, so ineffizient kann es in anderen Bereichen sein. Es gab lange keine wirkliche Opposition, die wirksam die Regierung kontrollieren könnte. Vetternwirtschaft, Filz und aufgeblähte, ineffiziente Verwaltungen und ein enormes Haushaltsdefizit werden gefördert. Vielleicht sollte man sagen, dass in Belgien weder Demokratie- noch Rechtsprinzip dominieren, sondern ein "Oligarchieprinzip" (Vogel 1997:29). Jahrzehntelang sind belgische Regierungen nicht durch Wahlen abgelöst worden, sie zerbrachen immer an internen (Eliten-)Konflikten. Wen die Dauerregierungspartei CVP/PSC mit in eine neue Regierung aufnahm, entschied nicht der Wähler sondern die Führungen von CVP (und PSC). In Belgien hält sich nicht wie in Frankreich ein Staat eine Gesellschaft sondern eine Gesellschaft einen Staat, wie ein verbreitetes Bonmot sagt. Institutionen und Regeln des Staates bleiben blass und abstrakt hinter den konkreten Auseinandersetzungen gesellschaftlicher Gruppen und Klientelismusnetzwerken. Es gibt keinen "objektivierten", von den Parteien unabhängigen Staatsapparat.
...... In Belgien kann man nicht abstrakt von Rechtsstaat und Demokratie sprechen, ohne deren personalisierten Ausdruck in Justizapparat und politischer Klasse zu berücksichtigen. Institutions matter, aber kein belgischer Politiker würde sie je als unveränderliche Rahmenbedingungen politischen Handelns akzeptieren. Institutionen sind papiergewordene von den gesellschaftlichen Gruppen geschlossene Kompromisse und können problemlos durch neue Kompromisse abgelöst werden. Dieses belgische Institutionenverständnis ist kein exotischer Sonderfall. Vielleicht ist unsere (deutsche?) abstrakte Art und Weise, Verfassungsfragen zu diskutieren, sogar exotischer. Schon Ernst Fraenkel schrieb "seit den Tagen Montesquieus hat Deutschland englische Verfassungsinstitutionen und politische Gepflogenheiten nicht unmittelbar von England übernommen, sondern sie auf dem Umweg über Frankreich und teilweise auch über Belgien importiert. So wurde das englische Regierungssystem einem doppelten Abstraktions- und Umformungsprozess unterworfen bevor es in Deutschland engültig Fuß fasste" (1991: 55). An anderer Stelle spricht er von der "kontinentaleuropäischen Neigung, als Prinzipien des englischen Verfassungsrechts zu deklarieren, was sich unterhalb der Sphäre verfassungstheoretischern Bewusstseins im Verlauf von Jahrhunderten organisch entwickelt" habe. Was uns als Idee erscheine, sei häufig nur die Abstraktion einer fremden Existenz (1991:27). Auch Belgien war dieser Neigung verfallen, man kann die Verfassungsreformen der vergangenen 100 Jahre interpretieren als mühsame Anpassung der ursprünglich in seinen wesentlichen Bestandteilen unkritisch aus Frankreich importierten Verfassung an die belgischen sozialen und politischen Realitäten (Seiler 1999: 16/17).

4. Dutroux und die Folgen für Rechtsstaat und Demokratie

4.1 Ereignisse

...... Werfen wir einmal einen Blick auf die Dutroux-Affäre. Die Dutroux-Affäre ist nicht irgendeine beliebige Justizaffäre, sie hat eine schwere Vertrauenskrise des politischen Systems hervorgerufen und eine breite Debatte über mögliche und nötige Veränderungen in Justiz und Politik, Rechtsstaat wie Demokratie hervorgerufen. Habermas nennt so etwas in seiner geschraubten Sprache "Betroffene, [die] selbst in öffentlichen Diskussionen die jeweils relevanten Hinsichten für die Gleich- und Ungleichbehandlung typischer Fälle" klären, "und kommunikative Macht für die Berücksichtigung ihrer neu interpretierten Bedürfnisse mobilisiert haben." (Habermas 1998: 664). So werden Demokratie und Rechtsstaat beide fortentwickelt, neuen oder neu artikulierten Bedürfnissen entsprechend angepasst.
...... Am 17. Oktober 1996 setzte die Kammer ihren ersten Untersuchungsausschuss zur Überprüfung der Justiz ein. Wütende Reaktionen der Justiz: Das Parlament habe genau zwei verfassungsmäßige Aufgaben, Gesetze zu verabschieden und die Regierung zu kontrollieren. Es habe nicht das mindeste Recht, die Justiz zu kontrollieren. So Christine Matray, Oberstaatsanwältin am Kassationshof, und Paul Martens, Richter am Schiedshof (Matray/Martens 1999: 159/160).
...... Was war geschehen? Im August 1996 bekamen Untersuchungsrichter Connerotte und Staatsanwalt Bourlot die Untersuchung einer Kindesentführung zugewiesen. Nur drei Tage später wird Marc Dutroux festgenommen, und macht Aussagen. Drei weitere Tage später werden zwei Mädchen lebend aufgefunden, im Laufe weniger Wochen wird eine Kinderleiche nach der anderen gefunden. Die Öffentlichkeit bekam den Eindruck, dass die Justiz endlich effizient arbeitete. Connerotte und Bourlot waren schon zu Volkshelden geworden, als sie auf einer Benefizveranstaltung für die Eltern der vermissten Kinder einen Teller Spaghetti aßen. Die Verteidigung beantragte die Parteilichkeit festzustellen und bekam vom Kassationshof Recht. Connerotte musste den Fall abgeben. (vgl. Kalisz/Moriau 1997:51-55). Die Ereignisse überstürzten sich. Ein Aufschrei ging durch das Land. Für den 20. Oktober wurde ein Protestmarsch durch Brüssel angekündigt, die Kammer hatte noch vor dem Marsch ihren Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Defizite bei den Polizei- und Justizermittlungen in Sachen Dutroux eingesetzt. Der Weiße Marsch wurde zur angeblich größten Demonstration in der belgischen Geschichte, 300.000 Menschen alleine in Brüssel, weitere 250.000 an anderen Orten (vgl. Rihoux/Walgrave 1997: 49/50). Überall im Land bildeten sich "weiße Kommittees" um die Bewegung am Laufen zu halten. Tagaus, tagein saßen Millionen BelgierInnen vor dem Fernseher, um die Sitzungen des Untersuchungsausschusses live zu verfolgen.

4.2 Debatte

...... Auch wenn manche die "Abwesenheit der Intellektuellen" in der Bewegung beklagten, so etwa der Politologe Vogel (1997:36) gab es doch Stellungnahmen und Analysen Schlag auf Schlag. Alles begann mit der Empörung über das Handeln von Justiz und Polizeidiensten. Der von Habermas für einen Rechtsstaat geforderte umfassende individuelle Rechtsschutz wurde offenbar nicht gewährleistet. Man suchte nach Fakten, Verantwortlichen und Lösungsmöglichkeiten für die Effizienzprobleme von Justiz und Polizei. Damit Hand in Hand ging eine Debatte über die Probleme der Gesellschaft mit Justiz und Polizei: Werte und Maßstäbe der Justiz wurden prinzipiell in Frage gestellt. Inwieweit hat sich die richterliche Vision vom Rechtsstaat entfernt von dem, was sich die Bürger unter einem Rechtsstaat vorstellen? Schnell wurde klar, dass auch Grundwerte der Demokratie berührt waren.
...... Proteste gab es gegen eine Justiz, die unmenschlich kalt nur strikt ihre Regeln anwende. Fernand Tanghe von der Rechtsfakultät der Universität Antwerpen (1997:153-162) meinte, dass sei noch viel zu freundlich geurteilt. Die Justiz habe ihre juristischen Ermessensspielräume, und mit der Spaghetti-Entscheidung hätten sie ihren Spielraum weit ausgenutzt. Er führte aus, dass es sehr wohl gute juristische Gründe gegeben habe, Connerotte nicht aus dem Verfahren zu werfen. Der Kassationshof habe sich von einer Anzahl möglicher Interpretationen die am wenigsten plausible gewählt. Von "Legalismus" zu reden, mystifiziere den Griff nach der Macht. Wer auch nur die leiseste Kritik am Spaghetti-Erlass äußerte, sah sich von Justizvertretern als Gegner des demokratischen Rechtsstaates gebrandtmarkt, stellte Tanghe fest (1997:135/136): Als ob "demokratischer Rechtsstaat" ein Pleonasmus sei, als ob das Adjektiv nichts hinzufüge zum Substantiv. Demokratie verlange nach mehr als nur formaler Rechtstaatlichkeit. In einer Demokratie bleibe die Frage, wie eine gerechte Gesellschaft auszusehen habe, fortdauernd Gegenstand von Diskussionen. Demokratie müsse durch die Menschen gewollt werden, so Tanghe (1997: 167/168) weiter. Das ginge nicht ohne Rechtsbewusstsein in der Gesellschaft, und wenn sich dieses Bewusstsein in den Gerichten nicht wiederfinde, werde es langsam auslöschen und der "demokratische" Rechtsstaat werde nur noch ein Phantom sein. Der Kassationshof habe sich außerhalb der Demokratie gestellt, nicht seine Kritiker.
...... Da gab es Politiker, die von begrenzten "Disfunktionalitäten" bei Justiz und Polizei sprachen, die man durch ein paar Reformen schon beheben könne. Andere fanden, dass die Selbstreinigungskräfte der Justiz nicht ausreichten, sonst hätte sich seit dem Untersuchungsausschuß zur Mörderbande von Brabant etwas getan. Die Politik solle keine Rücksicht mehr nehmen auf die Befindlichkeiten der Justiz. Aus der Justiz meldeten sich beleidigte Stimmen, wer sei es denn, der der Justiz seit Jahrzehnten die dringend benötigten Budgeterhöhungen verweigere? Wer sei es denn, der die Richter nicht nach Fähigkeit sondern nach Parteizugehörigkeit auswähle? Die Politik solle endlich die Gendarmerie dazu zwingen, ihrer Aufgabe gemäß der Justiz zuzuarbeiten, anstatt ihr eigenes Süppchen zu kochen. Aus der Gendarmerie kam der Kommentar, sie hätten ja eine nationale Struktur. Es seien Justiz und Justizpolizei, die von einem Gerichtsbezirk zum anderen nichts voneinander wissen wollten. Auch habe man schon früh Informationen angeboten, erst als die Justiz kein Interesse gezeigt habe, hätte die Gendarmerie ihre Untersuchungen alleine weitergeführt.
...... Die Vereinigungen progressiver Richter und Anwälte (Magistratuur en Maatschappij und Syndicat des Magistrats) sehen endlich Licht für ihre jahrelangen Forderungen nach Reformen in der Justiz. Gleichzeitig suchen sie aber den Schulterschluss gegen den Untersuchungsausschuss, der sich anschickt, die Arbeit der Justiz zu überprüfen. Es fanden sich nur vereinzelt Anwälte, die den Untersuchungsausschuss für legitim hielten (vgl. Tanghe 30/31, Mallet 1998:24). Von Politologen wurde erstaunt gefragt, in was für einer Welt diese Juristen leben. Die Stimmung war so aufgeheizt, dass der Untersuchungsausschuss mit seinen Live-Übertragungen ein Legitimitätsloch ausgefüllt habe. Weder Justiz noch Polizei noch Regierung konnten den empörten Volksmassen befriedigende Antworten geben. Da sprangen die Parlamentarier in die Bresche und versprachen zumindest die Wahrheit ans Licht zu bringen (Mallet 1998:24). Das Recht auf Untersuchungsausschüsse repräsentiert für viele den Vorrang des Parlamentes vor den anderen Gewalten, so für den Kriminologen Cyril Fijnaut (Fijnaut u.a. 1998: 175). Die zeitweilig diskutierte Frage, ob das von der Regierung weitgehend an den Rand gedrängte Parlament etwa in Zukunft in Untersuchungsausschüssen sogar seine Hauptaufgabe finden könnte, wurde dann doch wieder verworfen (vgl. Deschouwer 1998:31, Ringelheim 1997:58).
...... Die Justiz präsentierte sich allerdings als ein ähnlich hierarchisch durchstrukturierter, nach Befehl und Gehorsam funktionierender Apparat wie die Gendarmerie. Ihre innere Struktur stammt aus napoleonischer Zeit und wurde nie demokratisiert, so der Richter Ringelheim (1987: 22). Bis zur Dutroux-Affäre wurden Richter, die sich ohne vorherige Genehmigung öffentlich zu irgendeinem Thema äußerten, völlig unabhängig vom Inhalt ihrer Worte disziplinarrechtlich bestraft (Ringelheim 1997:74). Einem Staatsanwalt, der sich lange vergeblich bemüht hatte, Informationen über die Ermittlungen wegen des Mordes an seinem eigenen Sohn zu bekommen, wurde verboten an einer Aktion der weißen Bewegung teilzunehmen (Roviello 1998:105). Premierminister Dehaene lancierte in einer Anwandlung von Selbstkritik die Parteipolitisierung der Richterernennung als Hauptproblem und versprach, Abhilfe zu schaffen. (Hachez 1997: 33). Aber die Parteipolitisierung ist ja mitnichten ein Merkmal der Justiz allein, eines der Hauptprobleme belgischer Minister sind Beamte anderer politischer Färbung, die sich ihrer Partei gegenüber loyaler verhalten, als dem ihnen übergeordneten Minister (Dewachter 1992: 246). So nimmt es nicht Wunder, bei dem Jura-Professor Lode Van Outrive (1998: 336) zu lesen, dass die Disfunktionalitäten in der Justiz eine Folge des Zustandes seien, in dem sich die Demokratie insgesamt befinde.
...... Der weiße Marsch richtete sich nicht mehr nur gegen vermeintliche Ineffizienzen hier und da. Die gegenseitigen Anschuldigungen der verschiedenen Institutionen untereinander ließen bei vielen Bürger Zweifel virulent werden, ob sich nicht alle Institutionen in ihrer Funktionsweise weit von den sie begründenden Grundprinzipien, Demokratie wie Rechtsstaat, entfernt hätten (Hachez 1997: 32). Für viele entstand ein Bild des Staates als Beute verschiedener Feudalclans, die eifersüchtig über jede Veränderung des Mächtegleichgewichtes wachten, so der Publizist Théo Hachez (1997: 34). Schnell stieß die Debatte deshalb auf den Zusammenhang zwischen den Defiziten der staatlichen Institutionen und der politischen Kultur der belgischen Bevölkerung insgesamt, "Hinter der Justiz, die ins Rutschen kommt, steht die Demokratie auf der Suche nach sich selbst." (Cartuyvels/Mary:1997: 98). Von der Politik werden Transparenz, Dialog und Effizienz eingefordert. Forderungen nach mehr direkter Demokratie kamen auf, nach mehr Mitspracherecht, etwa seitens des Staatsrechtlers Francis Delpérée (1998: 39-43). Aber auch vorhandene Möglichkeiten wurden mehr genutzt, beim Ombudsman der Eisenbahn gingen doppelt soviele Beschwerden ein als in den Jahren zuvor, ohne das sich der Service entsprechend verschlechtert gehabt hätte. Denn wie steht es mit der Mitverantwortung der Bürger selber? Mit dem weißen Marsch hätten die Bürger gezeigt, dass sie nicht alle Zeit so apathisch und inaktiv blieben, wie es für Belgien typisch sei. Eine neue "citoyenneté", ein neuer "Bürgersinn" sei nötig. Mir scheinen die Belgier allerdings gar nicht so apathisch zu sein, wie sie sich selber sehen. Es hatte ja auch schon große Demonstrationen etwa in der NATO-Nachrüstungsdebatte gegeben, und Brüssel ist eine Stadt der 100 Bürgerinitiativen. Manche von denen waren in der Vergangenheit schon ausnehmend erfolgreich. Mein persönlicher Eindruck ist, dass es vielmehr autoritäre Strukturen im Innern von Initiativen und Verbänden sind, die deren Lebensdauer und Erfolgschancen stark einschränken. Das wäre aber noch getrennt zu untersuchen.
...... Die Gendarmerie hatte schon früh die Politik gewarnt, ihre Anschuldigungen nicht zu weit zu treiben, man werde gegebenenfalls Politikerdossiers aus der Schublade ziehen (Hachez 1997:31). Jetzt tauchten plötzlich Dossiers auf, die eine angebliche Verwicklung des sozialistischen Vize-Premiers Di Rupo in Kreise homosexueller Kinderprostitution zum Inhalt hatten. Die einige Wochen anhaltende scheinbare Allianz zwischen Politik, Medien und Bürgern zur Aufklärung von Missständen bei Justiz und Polizei war damit zu Ende. Weit davon entfernt, sich zu einem glaubwürdigen Bild zu verdichten, trieben die Anschuldigungen zum einen einen Keil zwischen Medien und Politik, zum anderen begannen Leitartikler und PS-Vertreter den Bürgerzorn in dumpfe Skandalsucht umzudeuten (Hachez 1997:33/34).
...... Es kamen auch Stimmen auf, die meinen, die Arbeit der Institutionen hätte sich nicht verschlechtert, nur die Ansprüche der Bürger seien gestiegen. Aus der Justiz hieß es beispielsweise, der neue Aktivismus der Politik gegenüber der Justiz verschleiere nur mühsam die Machtlosigkeit der Politik gegenüber sozioökonomischen Veränderungen im Zuge der Globalisierung (Mary 1999:14). Im Anschluss an Gedanken des Franzosen Garapon meinte der Staatsrechtler Verdussen (1999b: 16/17), die Justiz sei für die Bürger immer wichtiger geworden, weil sie den Bürgern die Möglichkeit zu eröffnen scheine, individueller, näher und dauerhafter aktiv zu werden, als die Politik. Damit seien die Ansprüche an die Justiz eine Folge des Demokratiedefizits der Politik. Darüberhinaus wälze jene auch bewusst - um Konflikten aus dem Weg zu gehen - immer mehr Probleme an die Justiz ab. Somit erkläre sich der aktuelle Konflikt zwischen Justiz und Politik zu einem Gutteil aus der Unfähigkeit der Politik, die Machtverschiebung der letzten Jahre zugunsten der Justiz in allen ihren Folgen zu akzeptieren. Die Disfunktionalitäten bei der Justiz erklärten sich aus der Überforderung derselben, die wiederum eine Folge unzureichender Finanzausstattung sei. Für die Philosophie-Professorin Roviello (1998:112) wird "unser Staat ... seine Existenzberechtigung als Rechtsstaat nur dann aufrechterhalten, wenn er es schafft, die Autorität seiner Institutionen wiederherzustellen, d.h. wenn jene von den Bürgern anerkannt wird, weil sie wahrnehmbar jedem von ihnen in gleichem Maße zu Diensten ist."

4.3 Reformen

...... Soweit ein kleiner Ausschnitt aus der Debatte, die durch die Dutroux-Affäre ausgelöst worden war. Habermas und Steffani gehen davon aus, daß aus Diskursen und Dialogen dann auch konkrete Veränderungen erwachsen. Es ist auch tatsächlich so, daß in Belgien seitdem versucht wurde, Rechtsstaat und Demokratie zu verbessern. Wenn auch die Verfassung im engeren Sinne dafür nicht angetastet wurde, sind doch einige Reformen in Angriff genommen worden. So lassen sich fünf Bereiche feststellen: (1) Ausweitung der Informationsrechte zum Fortgang der Ermittlungen (insbesondere für Opfer und deren Angehörigen); (2) Rechte der Opfer (insbesondere in Strafverfahren); (3) Neuordnung der Zuständigkeiten zur vorzeitigen Haftentlassung; (4) Polizeireform (Neugliederung in eine Bundes- und eine Kommunalpolizeistruktur), (5) Die Einrichtung eines Hohen Justizrates (Dayez 1999: 27-34). Für unser Thema ist insbesondere der letzte Punkt interessant.
...... 1999 wurde mit dem Hohen Justizrat ein neues Gremium geschaffen, um der Justiz mehr Unabhängigkeit von intransparenten parteipolitischen (Personal-) entscheidungen zu geben, andererseits aber auch Fehlverhalten im Justizapparat effizienter aufdecken zu können. Die Hälfte seiner Mitglieder (22) wird von den Richtern des Landes aus ihren eigenen Reihen gewählt, die andere Hälfte wird vom Senat mit qualifizierter Mehrheit bestimmt (8 Rechtsanwälte, 6 Juraprofessoren, 8 weitere Experten) (Delpérée 1999:46-48). Der Hohe Justizrat wird die Arbeit der internen Kontrollorgane der Justiz verfolgen, und dem Justizminister kritischen Bericht erstatten. Ein Antrag zweier grüner Abgeordneten, dem Hohen Justizrat auch die Möglichkeit zu geben, selbst disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Schritte gegen Richter einzuleiten, die Fehlverhaltens verdächtig sind, wurde abgelehnt. (Bosly 1999: 146/147). Richter, die nicht weiterhin darauf beharren, dass die Disziplinarverfahren der Justiz bisher schon zur allerbesten Zufriedenheit funktioniert hätten (so Piret 1999: 224), beklagen nun, dass es mit der Selbstorganisation und damit mit der Unabhängigkeit der Justiz zu Ende sei, weil sie in dem Gremium keine Mehrheit habe. Von Außenstehenden wird beklagt, dass dort die Justiz wieder nur über sich selber entscheide, da Richter, Rechtsanwälte und die in der "Experten"-Kategorie versteckten Rechtspfleger klar in der Mehrheit seien (Van Outrive 1998: 324). Diese Form der "externen Kontrolle" war offenbar das Äußerste, was der Justiz abzuringen war. Ansätze, etwa wie in Deutschland Rechtsschutzversicherungen in Belgien zuzulassen und damit ärmeren Bevölkerungsschichten Zugang zur Justiz zu verschaffen, scheitern am erbitterten Widerstand der Rechtsanwälte, deren Kollegen in anderen Ländern oft die größten Befürworter waren (Huyse 1989:21, Van Outrive 1998: 325).
...... Das Parlament hat übrigens 1998 darauf verzichtet, erneut einen Konflikt mit der Justiz zu beginnen. Der bereits beschlossene Untersuchungsausschuss zur Affäre Cools (des vormaligen PS-Vorsitzenden, dessen Mörder wahrscheinlich von seinen Vorstandskollegen angeheuert worden war), wurde am Ende doch nicht eingesetzt, nicht zuletzt, weil die Justiz davor warnte, der Untersuchungsausschuss könnte das parallele Strafverfahren stören. (Bock 1998:46). Mit dem Argument könnten in Zukunft sie jeden Ausschuss verhindern...
...... Jetzt, Anfang 2001 ist auch die Polizeireform im vollen Gange, die für mehr Effizienz sorgen soll. Die Justizpolizei verschmilzt mit Teilen der Gendarmerie zur neuen Bundespolizei, die Kommunalpolizeien werden für jeweils mehrere Gemeinden zusammengelegt, und ebenfalls mit Teilen der Gendarmerie verschmolzen. So gibt es bald nur noch zwei anstelle dreier Polizeidienste, deren Aufgabenverteilung sich hoffentlich klarer formulieren lässt als in der Vergangenheit. Kritiker befürchten allerdings, dass man damit der Gendarmerie ohne Gegenleistung die Kontrolle über ihren früheren Konkurrenten geschenkt habe und dass sich die demokratische Kontrolle der Polizei mitnichten vergrößere (Paye 2000: 54). Die Gendarmen beschwerten sich im Gegenzug darüber, daß die im Allgemeinen über höhere Bildungsabschlüsse verfügenden Justizpolizisten in den höheren Etagen der neuen Nationalpolizei überrepräsentiert seien. Inzwischen realisieren mehr und mehr Gemeinden, welche hohen Kosten ihnen durch die Fusionierung der Kommunalpolizeien erwachsen und verlangen entsprechende Unterstützung vom Föderalstaat. Auch stellt sich die Frage, ob in Zeiten der bar jeglicher Kontrolle agierenden Europol im Bezug auf die Polizei überhaupt noch von Rechtsstaat oder Demokratie die Rede sein kann. Die Richterin Matray (1997:80/81) bezweifelt das jedenfalls mit Blick auf Belgien stark.
...... Nichtsdestotrotz reformiert die Politik also fleißig an Justiz und Polizei - im Bereich der Politik selbst ist eher weniger auszumachen. Vom ersten Tag an wurde auch über den Charakter der weißen Bewegung diskutiert. Ihr wurde zu große Emotionalität und Moralismus vorgeworfen, ein Anti-Politikaffekt, der es ihr unmöglich mache, zu konstruktiver Politikgestaltung zu kommen. (so etwa De Munck/De Schutter 1997: 69). Die weißen Kommittees verschwanden dann auch nach anderthalb, zwei Jahren wieder von der politischen Bühne, eine "weiße Partei" zerbrach am autoritären Gehabe ihrer Gründer. Toussaint (1998: 33) meint in allen Reformen nur den Willen der Politik zu sehen, sich möglichst vieler Verantwortlichkeiten zu entledigen. Aber "weniger Staat" löse die Probleme nicht. Nichtsdestotrotz ist die politische Szene etwas in Bewegung gekommen. Nicht nur, dass die Reformvorhaben in Justiz und Polizei ohne den weißen Marsch nie oder nie so schnell in Angriff genommen worden wären, auch die Ergebnisse der Wahlen von 1999 lassen sich ohne ihn nicht erklären. Der rechtsextreme Vlaams Blok legte weiter zu, die Grünen haben ihre Ergebnisse verdoppelt, die Liberalen sind in allen Landesteilen stärkste Partei geworden. Zum ersten Mal seit den 50er Jahren sind die Christdemokraten an einer Regierung nicht beteiligt. Es fällt auf, daß im Sinne von mehr Effizienz eine ganze Reihe von Dossiersangepackt wurden, die ihre Vorgängerregierungen auf die lange Bank geschoben hatten. Interessant ist außerdem, wie die traditionellen Parteien das Bürgerrechtsengagement der Grünen zu kopieren suchen. PSC und PS kopieren das Kommunikationsmittel "Politisches Café" und veranstalten zwei Jahre nach den Grünen großangelegte "Zukunftskongresse" um unter Einbeziehung möglichst vieler gesellschaftlicher Gruppen über ihre Programmatik zu diskutieren. Außenminister Michel von der PRL, normalerweise der Rechtsaußen-Partei des demokratischen Spektrums, macht mit moralischer Außenpolitik Schlagzeilen. Die belgische Politik öffnet sich für mehr Partizipation. Der Dialog mit säulenungebundenen Gruppen wurde vergrößert. Bei den Kommunalwahlen von 1999 wurden in bisher unbekannter Zahl Belgier ausländischer Herkunft auf Listen aller demokratischen Parteien in Gemeinderäte und Bürgermeisterkollegien gewählt. In manchen Gemeinderäten sitzen jetzt bis zu 50% marrokkanisch- und türkischstämmige Gemeinderäte. Zum Scheitern verurteilt war allerdings 1999 die reichlich akademische Idee des grünen Staatssekretärs Deleuze, die Bürger aufzufordern, seinen buchstarken Plan zur nachhaltigen Entwicklung zu kommentieren. Nie wurde erklärt, was mit den gesammelten "Ideen" passieren sollte, niemand traute sich zu, Ideen zu haben, die den Experten des Ministeriums noch nicht bekannt waren, wozu also das Buch lesen? Selbst seine eigene Partei kam nicht auf die Idee, etwa mit Infoständen auf der Straße die Menschen zu motivieren. Inzwischen wurde auch eine papierne "Verwaltungsreform" mit großem Tamtam den Bürgern zur Akklamation ins Haus geschickt...

5. Resumé

...... Politik und Justiz waren bei der Gründung des belgischen Staates bereits voneinander getrennt. Demokratisiert wurden beide erst nach und nach. Nimmt man Demokratie wie Rechtsstaatlichkeit als anzustrebende Idealzustände, ist Demokratisierung ein langwieriger Prozess hin zu mehr Transparenz, Effizienz, Mitbestimmung (und damit Gleichheit). Die belgische Verfassung von 1831 war zu ihrer Zeit sensationell. Der belgische König hat nur die Kompetenzen, die ihm die Verfassung zuweist. Obwohl das Stadtbild von Brüssel vom Justizpalast dominiert wird, hinter dem Königspalast und Parlament weit abfallen, hatte die Justiz doch nur eine nachgeordnete Rolle hinter Parlament und König. Die Demokratisierungen des frühen 20. Jahrhunderts führten zu einer Verfassung fast uneingeschränkter Volkssouveränität. Seit dem Zweiten Weltkrieg wurden zunehmend Gerichte bzw. gerichtsähnliche Instanzen eingeführt, die Verwaltung, Parlament und Regierung kontrollieren. Das gipfelte 1988 in der Entscheidung des Schiedshofes, die ihm zugewiesenen Kompetenzen so weit zu interpretieren, dass er neue Gesetze bei Verstoß gegen Grundrechte einkassierten kann.
...... Das so beschriebene Verhältnis von Rechtsstaat und Demokratie beschreibt nur die Hälfte der belgischen Realität. Belgien ist in hohem Maße eine Konsensdemokratie, seit frankophone Sozialisten und Liberale 1950 mit einem Generalstreik in der Wallonie die demokratisch legitimierte Entscheidung zur Rückkehr des Königs zu Fall brachten, und die Christdemokraten zu Nachverhandlungen zwangen. Über lange Strecken der belgischen Nachkriegsgeschichte lag das tatsächliche Machtzentrum des Landes weder bei Parlament und Regierung noch bei der Justiz, sondern bei informellen Zirkeln von Parteivorsitzenden und Vertretern "versäulter" Interessen. Das Oligarchieprinzip überwog (überwiegt?) gegenüber Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip. Konsensdemokratische Systeme können ineffiziente aufgeblähte Verwaltungen und Justizapparate fördern. Wodurch weniger das Verhältnis zwischen Demokratie und Rechtsstaat, sondern mehr deren beider gutes Funktionieren zum Problem wird.
...... Die belgischen Entwicklungen der letzten Jahre bilden ein anregendes Lehrbeispiel, wie dieser Anpassungsprozess vor sich gehen kann. Nach der Betrachtung des - oft interessegeleiteten - Austauschs normativer Argumente, interessiert vor allem die Frage, wie aus dem Bedürfnis nach Veränderung tatsächlich Veränderung werden kann. Zwei Elemente drängen sich auf: (1) Es braucht konkrete Reformkonzepte. Die aktuellen Justizreformen folgen fast ausnahmslos den schon lange vorliegenden Vorschlägen der "progressiven" Juristenvereinigungen oder waren sogar schon 1995 im Programm der Regierung Dehaene enthalten, mokierten sich die Richter Matray und Martens (1999:156) - sie waren deswegen aber noch lange nicht umgesetzt. Bei den Polizeidiensten haben die Befürworter einer Einheitspolizei und die Verteidiger der Gemeindepolizei offenbar einen Kompromiss gefunden. Im politischen Bereich sind es insbesondere die Grünen, die gemäß ihrem Motto "Politik anders machen" konkrete Vorschläge für eine "neue politische Kultur" entwickelt haben. (2) Diese Konzepte müssen sich mit den vorhandenen Akteuren umsetzen lassen. Van der Velpen (1998: 148) sieht in der Gendarmerie eine neue Generation am Werk, die sich von der heroischen militärischen Vergangenheit aus Krieg und Kaltem Krieg lösen will und Anerkennung über effiziente Arbeit (zurück-)erlangen möchte. Man möchte es hoffen, der forcierte Ausbau von Europol gibt der Frage nach rechtsstaatlicher und/oder demokratischer Kontrolle der Polizei allerdings eine ganz neue Dimension. Bei der Justiz sind jedenfalls Zweifel angebracht. Die im Rahmen der Dutroux-Affäre ausgesprochenen Disziplinarmaßnahmen scheinen alle vom Staatsrat wieder aufgehoben worden zu sein. Auch gibt es eine Tendenz, Ergebnisse des Untersuchungsausschusses wegen "Verfahrensfehlern" für nicht verwertbar zu erklären. Matray (1999:79) weist allerdings darauf hin, dass die allgemeinen und gleichen Wahlen der Richter des Hohen Justizrates eine Revolution im bislang auf Homogenität und hierarchischen Gehorsam getrimmten Justizapparat bedeuten. Die Parlamentswahlen vom 13. Juni 1999 haben schließlich eine neue Regierung an die Macht gebracht, die versprochen hat, transparenter und effizienter zu arbeiten. Es fällt auf, daß eine ganze Reihe von Dossiers angepackt wurden, die ihre Vorgängerregierungen auf die lange Bank geschoben hatten. Ob man aber etwa angesichts der Verwaltungsreform "Kopernikus-Programm" von Transparenz sprechen kann, ist eher zweifelhaft. Einer großen Informationskampagne zum Trotz bleibt der weiteren Öffentlichkeit ebenso wie den Beamten selbst der Eindruck, dass die wahren Ziele der Reform noch nicht offengelegt wurden.
...... Der Aufschrei der weißen Bewegung hat einen Anstoß zu einer weiteren Demokratisierung Belgiens gegeben, gleichzeitig in den Bereichen Politik, Justiz und Polizei. Der Prozess ist noch in Gang. Ob es sich am Ende tatsächlich um große Reformen, um Reförmchen oder gar nur um eine Episode gehandelt haben wird, wird sich erst mit mehr Abstand beurteilen lassen.
...... Es gibt vermutlich keine allgemeingültigen Maßstäbe, wie rechtsstaatlich und demokratisch Justiz und Politik organisiert zu sein haben. Ihr Grad an Rechtsstaatlichkeit und Demokratie sollte jedoch in etwa dem entsprechen, was die Bevölkerung erwartet. Man könnte sagen, dass damit der Demokratie, deren Legitimität aus der Unterstützung der Bevölkerung erwachse, der Vorrang gebühre vor einem Rechtsstaat, der seine Legitimität aus ewig gültigen Rechtssätzen zu ziehen versuchte. Aber ich denke die hier beschriebenen belgischen Realitäten deuten eher darauf hin, dass die schrittweise Verwirklichung der Versprechen von Demokratie und Rechtsstaat, die demokratische Fortentwicklung des Verfassungssystems mit seinen beiden Pfeilern Politik und Justiz von denselben praktischen Faktoren abhängen, wie in "normalen" Politikfelder auch: Problembewußtsein und Mobilisierung, konkreten pragmatischen Alternativen und der Kooperationswilligkeit der direkt Betroffenen.


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  • (c) Malte Woydt

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