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Antideutsche Ressentissements aus dem Zweiten Weltkrieg?

...... Mathias: Warum ist das Verhältnis zwischen Belgien und Deutschland bzgl. des 2. Weltkrieges nicht so vorbelastet wie das zwischen den Niederlanden und Deutschland - zumindest was die Ressentiments in der Bevölkerung angeht? Oder ist das genauso - und nur von Belgien kriegt es niemand mit???

...... 1. Also, Für Belgien wie für Frankreich ist "la grande guerre" der erste Weltkrieg, der große Schock, der das Land erniedrigende und zu großen Teilen zerstörende Krieg. Er hat 4 Jahre gedauert, 4 Jahre auf belgischem Boden, in Westflandern war danach nur noch Matsch, Müll und Leichen. Der zweite Weltkrieg hat nur 18 Tage gedauert (1940), dann war Ruhe, die alliierte Offensive 1944 war ebenfalls sehr schnell. Einzige Ausnahme: Die Ardennenoffensive. In der Region von Bastogne sind die Erinnerungen an den zweiten Weltkrieg bitterer als im Rest des Landes, aber Bastogne liegt für den Durchschnittsbelgier irgendwo weitweg in den Bergen. Die Neutralität der Niederlande wurde im ersten Weltkrieg respektiert, für die Niederländer war der zweite Weltkrieg der erste.
...... 2. Die deutsche Besatzung war in Belgien weniger brutal als in den Niederlanden, die Niederlande wurden von der SS, Belgien bis einige Wochen vor der Ankunft der Alliierten von der Wehrmacht regiert, Hitler war bis Ende '43 unentschieden, was er mit Belgien tun sollte. Die Militärregierung war - ähnlich wie die in Paris oder in Nordfrankreich - relativ human. Die "byzantinische" Organisation der belgischen Verwaltung mit ihren hunderten von Privilegien und Zuständigkeiten war für die Deutschen nicht durchschau- und instrumentalisierbar. Die Belgier haben es an vielen Orten gut geschafft, sich von den Deutschen nicht zuviel hineinreden zu lassen. Die calvinistische niederländische Verwaltung funktionierte auf Befehl wie am Schnürchen, war sofort und zu 100% für die SS einsetzbar. Die Belgier haben 50% "ihrer" Juden gerettet, die Holländer 20%. Belgien hat nicht zuletzt mit den Uranlieferungen für die amerikanische Atombombe (damals war Uran nur im Kongo bekannt) andererseits auch aktiv am Krieg teilgenommen.
...... 3. Die Niederländer sehen sich vollständig als Opfer der Deutschen, für die Belgier ist das nicht so einfach. Im ersten Weltkrieg waren sie auch bloß Opfer und heldenhafte Verteidiger von Ypern. Aber im Zweiten gab es einen kollaborationswilligen König, der im Land blieb, sogar die Besatzung soweit anerkannte, daß er 1943 eine pompöse Königshochzeit veranstaltete, nach Berchtesgaden zu Privatverhandlungen fuhr etc. Es gab auch zwei faschistische Bewegungen, die eher französischsprachig-katholische REX, die von einem antofaschistischen Kardinal gebremst und praktisch zerstört wurde und den flämisch-nationalistischen VNV, der - intelligent unterstützt von den Deutschen - einige Fortschritte für die "flämische Sache" erzielte. Dazu kamen noch die beiden Waffen-SS-Divisionen Flandern und Wallonie. In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurden zahlreiche mittlere Kollaborateure zum Tode verurteilt und auch exekutiert. Die Belgier haben genug mit ihrer eigenen Verstrickung wie mit der offenbar recht ungerechten Nachkriegsvergeltungsaktion zu tun, die große Fische und auch nicht wenige französischsprachige Kollaborateure auslies, um alle Schuld bei "den Deutschen" zu sehen.
...... 4. Niederländer denken als gute Calvinisten schwarz-weiß, gut-böse, Belgier als gute Katholiken in Ambiguitäten sowohl-als-auch.
...... 5. Holland hat eine lange offene Grenze mit Deutschland, Deutschland ist der einzige große Nachbar, sie sehen ihre Sprache und Kultur unter ständigem Druck von den Deutschen, die meinen, ihre Sprache sei ja fast wie deutsch... Die Belgier haben zwei lange offene Grenzen mit den Niederlanden und Frankreich, Deutschland liegt dagegen hinter den sieben Bergen. Die Flamen sehen sich von Frankophonen und Franzosen bedrängt und von englischsprechenden Holländern, die Frankophonen von den Flamen, Deutsche kommen da nicht vor. Es gibt hier praktisch keine Deutschenwitze, weil Deutsche zu dröge sind, um beachtet zu werden.

(c) Malte Woydt

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