MALTE WOYDT

HOME:    PRIVATHOME:    LESE- UND NOTIZBUCH

ANGE
BOTE
BEL
GIEN
ÜBER
MICH
FRA
GEN
LESE
BUCH
GALE
RIE
PAM
PHLETE
SCHAER
BEEK
GENEA
LOGIE

Härte

“Georg Knill ist heute Chef der Industriellenvereinigung. … [Er]
ist ein großer Fürsprecher der Leistungsgesellschaft, womit gemeint ist, dass die Privilegierten keine Krümel abgeben sollen, was natürlich irgendwie das Gegenteil des Leistungsprinzips ist. Aber die Rhetorik der Reaktion ist oft dadurch charakterisiert, dass die Worte das Gegenteil dessen bedeuten, was sie eigentlich bedeuten. Georg Knill hat jetzt ein Interview gegeben, das mit dem Zitat übertitelt war: ‘Es werden harte Jahre und jeder und jede muss einen Beitrag leisten.’

Ich habe mich gefreut und mir gedacht, das muss ich gleich lesen, in der Vorfreude auf die Leistungen, die Georg Knill zu erbringen in diesem Interview ankündigen würde. Leider fand ich keine, was meine Freude dämpfte, da ich doch annahm, als Fürsprecher der Leistungsbereitschaft wäre er gerne vorne dabei beim Leistungerbringen. Die Leistungsbereitschaft gehört ja zu den zentralen Werten des Konservatismus, die Werte leisten diesem aber auch deshalb so famose Dienste, weil sie elastisch sind wie ein guter Hosenträger.

Sie ahnen es sowieso längst: In besagtem Interview fanden sich viele Hinweise darauf, was andere zu leisten haben, und kein Hinweis darauf, welche Leistungen denn Knill und seinesgleichen beizutragen gedenken. …

Wir können Wortmeldungen wie die von Herrn Knill als Rhetorik in einem normalen Verteilungskampf nehmen, der Begriff des ‘Klassenkampfes’ ist nicht fehl am Platze. Aber es gibt auch immer einen ideologischen, ja fast metaphysischen Überschuss. Ein ‘Kult der Härte’ schwingt mit. Dass man die Tüchtigen in ihrem Lauf nicht behindern solle, dass man die Unterschichten aus der ‘Wärmestube’ des Sozialstaats vertreiben und sie der Härte des Existenzkampfes aussetzen solle …

Diese Rhetorik ist ja ganz besessen davon, Härte ins Leben zu bringen. Wohlgemerkt: Immer nur Härte ins Leben der Anderen.

Der Kult der Härte ist ein ideologisches Motiv, das die alte und die neue Rechte aber auch die Neo- und Pseudoliberalen teilen, weshalb es einen wesentlichen Beitrag zu der perversen Allianz von Pseudoliberalismus und Rechtsextremismus leistet, die wir heute überall beobachten können. Was den Faschisten die autoritäre Kraftmeierei, ist den Ultraliberalen die Anbetung des Winners und die Verachtung der Loser. Mitgefühl ist aus ihrer Sicht das Laster von Pussys und Weicheiern. ‘Die fundamentale Schwäche der westlichen Zivilisation ist Empathie’, meint der Tech-Milliardär und bis vor kurzem Trump-Unterstützer Elon Musk. Für Tech-Investor und Paypal- sowie Palantir-Gründer Peter Thiel begann alles Beklagenswerte mit dem Christentum, weil ‘es immer die Seite der Opfer einnimmt’. Der leidenschaftliche Kampf gegen ‘Toxic Empathy’ ist neuerdings der letzte Schrei unter Rechtsextremen, Neo-Konservativen und Post-Liberalen. Die Grammatik der Härte verbindet Männlichkeitsideale, eine Ästhetik der Erbarmungslosigkeit mit Volks- und Umerziehungsidealen schwarzer Pädagogik, wonach ‘notwendige Härte’ die effektivste Form der Zuneigung sei.

Entsprechend des alten Bibel-Wortes: ‘Wen der Herr liebt, den züchtigt er.'”

aus: Robert Misik: Verachtung für Verlierer, Zackzack, 26.11.25, im Internet.

11/25

26/11/2025 (10:32) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Theorism

“… Theorism is not about thinking about reality.

oh  no, but about destroying it: producing what is perceived to be real.

oh no, but about destroying it: producing what is real.

Theorism is not about thinking about reality but about destroying it.

When the angel is added to theory, he short-circuits practice.

Theorism is radical poverty. …”

aus: Juan Pérez Agirregoikoa: Concert for a raised fist, 2007, hier Brüssel: Bozar 2025

11/25

08/11/2025 (0:58) Schlagworte: EN,Lesebuch ::

Osteuropa 2

“Gibt es so etwas wie einen kulturellen Raum, der all diese osteuropäischen Länder zusammenfasst?

Ich befürchte, nicht …

Beim ‘Westen‘ verhält es sich anders, denn er ist neben einer Wertegemeinschaft eindeutig auch ein gemeinsamer kultureller Raum: Aristoteles ist nicht nur Grieche, Caravaggio ist nicht nur Italiener, Bach nicht nur Deutscher, Van Gogh nicht nur Niederländer, Cervantes nicht nur Spanier, Shakespeare nicht nur Brite, Freud nicht nur Österreicher, etc. Sie sind alle in erster Linie Europäer, sie sind ein fester Teil der sogenannten ‘abendländischen Kultur’. Will man das auf Osteuropa übertragen, stößt man sehr schnell an seine Grenzen.

Um dies zu gewährleisten, müssten wir genügend lettische, rumänische, moldawische, slowakische Autoren kennen, georgische und estnische Maler, armenische und ukrainische Musiker. Aber das tun wir nicht. Ein Land, dessen Kultur wir alle kennen und das die unsere gut kennt, ist Russland. Russland ist quasi die ‘fatale Verbindung’ zwischen uns allen. Alles, was wir über einander wissen, wissen wir hauptsächlich aus siebzigjähriger
Kolonialperspektive.”

aus: Nino Haratischwili: Rede zur Demokratie 2025, Leipzig, 9.10.25, im Internet.

10/25

10/10/2025 (10:47) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Hoop 3

“Misschien is hoop geen geloof, noch een gemoedsstemming, maar een besluit; het besluit om je niet te laten verpletteren door wanhoop en cynisme. Misschien is hoop de ultieme voorwaarde om te kunnen leven, omdat zonder hoop elke handeling bij voorbaat zinloos is. Hopen betekent dan niet dat je nooit wanhoopt, noch dat je rotsvast gelooft in datgene waarop je hoopt. Het betekent hooguit dat je weigert toe te geven aan de duisternis.”

aus: Bieke Purnelle: Iemand stelt een vraag, MO online, 25.7.25, im Internet.

10/25

07/10/2025 (17:26) Schlagworte: Lesebuch,NL ::

Méritocratie

“Le mot méritocratie n’a pas été inventé pour célébrer le mérite. En 1958, le sociologue britannique Michael Young publie The Rise of the Meritocracy. Ce n’était pas une ode au mérite, mais une satire. Il y décrivait une société arrogante divisée entre ‘méritants’ et ‘non-méritants’, où les inégalités s’enracinent au lieu de disparaître. Une critique devenu slogan, l’alerte d’un sociologue récupérée comme un idéal.”

aus: Ihsane Haduach: De la satire au slogan: comment la méritocratie nous trompe, Le Soir, 1.10.25.

10/25

 

04/10/2025 (17:43) Schlagworte: FR,Lesebuch ::

Antifascisme 3

“Le combat contre le Front national s’est trop souvent éloigné du champ politique pour rejoindre celui de la démonologie. Certains tentent de combattre ce parti comme ils organiseraient une séance collective d’exorcisme. Les dommages de cette stratégie, humiliante pour leurs électeurs et inefficaces pour ceux qui tentent de les convaincre, sont aujourd’hui connu de tous. … L’extrème-droite me semble avoir encore de belles heures devant elles.” (Préface, juillet 2024)

“‘Ils ont gagné et il va falloir faire avec.’ J’en suis à peu près là lorsque je reçois un coup de fil inattendu de SOS Racisme. Ils sont quelques dizaines à bord d’un bus, avec des membres de l’Union des étudiants juifs de France, et me préviennent qu’ils arrivent ‘d’ici deux heures’, ‘sensibiliser la ville au racisme’. Je ne suis pas certaine de comprendre. J’explique que cela n’a pas vraiment de sens, que ça risque même d’apparaître très décalé.

– Non, non, ne t’inquiète pas, c’est notre campagne d’entre deux tours, on fait la tournée des villes qui peuvent tomber FN pour alerter les gens.
– OK, mais il ne vous aura pas échappé qu’ici, il est un peu tard.
– De toute facon on est déjà sur la route, on arrive! …
L’intention est bonne. La démarche audacieuese. Mais a-t-elle vraiment du sens dans une ville qui est aux mains du FN depuis vingt-quatre heures? Un supporteur du Front changera-t-il d’avis parce qu’un bus de militants antiracistes parisiens vient lui expliquer que son choix dans l’isoloir était le mauvais? …

Avant de repartir, ils ne peuvent s’empêcher de coller quelques affiches ‘pas de fachos dans nos quartiers’ sur les murs de la ville. Le message est très anachronique. Personne ne s’y reconnaît vraiment …” (sur mars 2014)

aus: Martine Tondelier: Nouvelles du Front. S.21-22 und 35-37.

09/25

30/09/2025 (21:32) Schlagworte: FR,Lesebuch ::

Lesen 3

“Das Lesen ist … eine schwere Untugend, ein Laster, wenn es seinen Grund darin haz, daß der Mensch nicht mit seinen Gedanken und noch weniger mit seinen Nicht- und Ungedanken allein sein kann, sei es, weil er zu schmerzhafte, zu langweilige, oder gar keine hat. In diesem Falle ist er bestrebt, die Lücke, das gähnende Loch um jeden Preis auszufüllen. … [Der moderne Mensch] greift in jeder Situation, die ihm Nichtstun auferlegt, zur Lektüre, um sich zu entfliehen, denn er selber ist sich die trostloseste Gesellschaft von allen. Das Buch wird zum Lückenbüßer und Narkotikum. …

Wir lesen viel mehr Stoffe, Kenntnisse, Erkenntnisse und Unkenntnisse in uns hinein, als wir verdauen können, und das einzig Tröstliche dabei ist noch, daß fast alles davon zum einen Ohr hinein und zum andern herausgeht. Aber das zeigt auch wieder die Absurdität des ganzen Überfütterungsvorganges. Wir leben künstlich, weil wir unsere Meinungen und sogar unsere Gefühle anlesen. Das ist eine traurige und tiefgreifende Beeinträchtugung der Ursprünglichkeit, der Naivität unseres Daseins, uns je mehr wir uns ihr hingeben, desto künstlicher und farbloser, automatischer und dümmer werden wir.

Es ist eine Zeit erstickender Verschlammung durch Druckerschwärze, Tinte und Farbband. Es bedarf schon eines starken Willens, eines Eigensinnes, den Versuchungen zu widerstehen, die das gedruckte Wort an uns richtet. … Die Formel nach der sich der Leser richen sollte, sei er Vielleser oder Wenigleser,[ist]: Lies nur, was sich wirklich angeht und interessiert. Allem anderen Lesen ist das Nichtlesen weitaus vorzuziehen. …

Wir Modernen sind ein ganzes Geschlecht, das … in einem fort liest, um nicht nur bevorstehende Katastrophen, sondern überhaupt nichts mehr wahrzuhaben. Unser Massen- und Dauer-Lesen ist keine Unbefangenheit und Tapferkeit, sondern sturer Unsinn, der uns für Untergänge, wenn sie wirklich kommen, nur noch unbereiter, feiger, dümmer und kopfloser macht.”

aus: Martin Reheim-Schwarzbach: Von den Büchern. Hamburg: Hans Dulk, 1952, S.57-60.

09/25

29/09/2025 (16:34) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Lesen 2

“Ich las einmal eine Geschichte, die … mir viel Eindruck gemacht hat. … Sie schildert wie eine Reihe von Chinesen durch Erschießen hingerichtet werden soll. … Unter den Wartenden befand sich auch ein alter Mann mit einem langen weißen Bart, der im Stehen, an eine Mauer gelehnt, ein Buch las und sich durch die Schußsalven und das Näherrücken seines eigenen letzten Minütleins durchaus nicht im Lesen stören ließ. …

Er betete nicht und war in keine Sterbesakramente, Litaneien, Trostsprüche vertieft, sondern in eine Lektüre schlechthin. Er laß ein Buch, dessen Inhalt ihn  mehr interessierte als das herannahende Ende, und es wurde in der Geschichte auch berichtet, daß er dann und wann vor sich hinlächelte. Nur einmal, während er eine Seite umschlug, warf er einen ganz kurzen und gleichgültigen Blick in die Runde. … Er beeilte sich nicht beim Lesen, sondern kostete bedächtig und versunken die Worte und Sätze des Dichters aus, die er da las. …

Wenn er die Gewehrläufe schon auf sich gerichtet sieht und da erst das Buch aus der Hand legt, als gäbe es nur eine kurze Pause vorm nächsten Kapitel, und sich sinnend durch den Bart fährt, dann hat er eine sehr hohe Stufe der Existenz erreicht: sein Leben hat sich gelohnt, und seine Lektüre auch.”

aus: Martin Reheim-Schwarzbach: Von den Büchern. Hamburg: Hans Dulk, 1952, S.53-61.

09/25

29/09/2025 (15:53) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Bürgerlichkeit

“Vielleicht ist das die Sollbruchstelle aller Bürgerlichkeit, dass bürgerliche Werte wie Mäßigung, gegenseitiger Respekt bei Wertschätzung der individuellen Freiheit, Abwägung von Positionen und Argumenten als politische Prinzipien in Friedenszeiten sehr gut funktionieren. Sogar so gut, dass sie dazu verführen, in unruhigen oder sogar Kampf- und Kriegszeiten zu hoffen, dass sie unverändert weiterfunktionieren mögen.

Tun sie aber nicht. … Zur Bürgerlichkeit muss zwingend die Wehrhaftigkeit gegen diejenigen gehören, die die Werte der Bürgerlichkeit ablehnen. Man kann nicht zugleich bürgerlich sein wollen – und dann ungerührt akzeptieren, dass Freiheit und Anstand als bürgerliche Garanten der Entfaltung und der Mäßigung zerstört werden.”

aus: Sascha Lobo: So besiegen wir die allgegenwärtige Bigotterie, Spiegel online, 26.9.25, im Internet.

09/25

27/09/2025 (0:32) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Islamismus 6

“L’islamisme … n’est rien d’autre qu’une extrême droite en robe de catéchisme exotique”

aus: Sam Touzani, Facebook, 26.9.25.

09/25

26/09/2025 (15:08) Schlagworte: FR,Lesebuch ::
Next Page »