MALTE WOYDT

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Kriecher

“Christian Lindner, der gerne ein Rechtspopulist für Villenbewohner wäre, war merklich betrübt, dass der bewunderte Multi­milliar­där Elon Musk auf seiner Fake-News-Plattform die Werbetrommel für die AfD rührte, statt Lindners Qualitäten ausreichend zu würdigen.

‘Elon’, schrieb er ranschmeißerisch, ‘ich habe eine Politikdebatte angestoßen, die von Ihren und Mileis Ideen inspiriert ist. … Ziehen Sie keine voreiligen Schlüsse aus der Ferne. Lassen Sie uns treffen, und ich zeige Ihnen, wofür die FDP steht.’ …

Elon Musk … dürfte unterwürfige Briefchen der deutschen Stützen der Gesellschaft gewohnt sein. ‘Warum kaufst Du nicht Twitter’, schrieb ihm Springer-Boss Mathias Döpfner seinerzeit und bot gleich an: ‘Wir managen es für dich’. Musk antwortete nur knapp ‘Interessante Idee‘. Musk hatte die offenbar schon vorher, nur ohne irgendeine Rolle für Döpfner vorzusehen.

Einige Tage später, der Deal war da schon über die Bühne, fasste der Springer-Chef nach und pries seine Dienste erneut an: ‘Klar, lass uns gerne reden’, gab Musk nach ein paar Stunden zurück. Dann wieder eine schnörkelvolle Nachricht Döpfners, und abermals ein maximal kurzes ‘Klar’ zurück. Döpfner schreibt wieder, bekommt nichts zurück, säuselt und schleimt ein paar Tage später erneut: ‘Ich würde sehr gerne Twitters Zukunft diskutieren, wenn du bereit bist. So aufregend.’ Eine halbe Stunde später kommt laut Spiegel die letzte Antwort: ‘Interessant’. …

Lindner und Döpfner … sehen … sich als die Mover und Shaker, wissen wohl, sich in ihren Kreisen als Stützen der Gesellschaft zu renommieren, und fallen ohne erkennbare Not in einen Ton der Servilität. …

Die Macht und das scheinbare Imponiergehabe sind … bei den Gewinnertypen offenbar ein dünner Firnis, unter dem die Bereitschaft zur Unterwürfigkeit schlummert. Ein kleiner Dienstbote und Untertan steckt am Ende auch in ihnen und ist nicht herauszubekommen.

Das ist insofern interessant, als unsere Protagonisten Individualismus und Autonomie hochhalten, diese sogar in einen autoritären ‘Libertarismus’ eskalieren lassen, also die Idee, dass dem Starken jedes Recht gebührt und den anderen nur die Pflicht zur Huldigung. …

Dieser Pathos des Individualismus ist meist … von der Vorstellung einer Würde des starken Subjekts grundiert. Der linke Philosoph Ernst Bloch sprach einst von den ‘Tagträumen vom aufrechten Gang’ … Die Vorstellung vom autonomen Menschen ist von Würde und Freiheitspathos gespeist, die diesen, wie Thomas Mann meinte, ‘ungeeignet zum Fürstenknecht’ machen. Anders gesagt: Sie verträgt sich schlecht mit Kriechertum und Würdelosigkeit. …

Subalterne, also erniedrigte Gruppen kämpfen stets nicht nur um formale Rechte oder materielle Besserstellung, sondern auch um ihren Selbstwert.

Der pseudoliberale deutsche Spießer nimmt dagegen schnell die Bücklingshaltung ein. Er gibt jene Selbstachtung und Würde auf, die andere in prekäreren Positionen entgegen allen Widrigkeiten verteidigen. Man kennt es aus Literatur und Lebenserfahrung, staunt aber dennoch immer wieder aufs Neue.”

aus: Robert Misik: Der deutsche Kriecher, taz online, 8.1.25, im Internet

Abb.: zirkuliert seit mind. 30.12.24 auf Facebook etc.

01/25

08/01/2025 (13:55) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Labelling

“… Years of research and clinical observation have yielded catalogues of presumed mental dysfunction, culminating in the Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, or DSM. First produced by the American Psychiatric Association seven decades ago, and currently in its fifth edition, the DSM organizes conditions into families … More than any other document, the DSM guides how Americans, and, to a lesser extent, people worldwide, understand and deal with mental illness. …

The DSM as we know it appeared in 1980, with the publication of the DSM-III. Whereas the first two editions featured broad classifications and a psychoanalytic perspective, the DSM-III favored more precise diagnostic criteria and a more scientific approach. Proponents hoped that research in genetics and neuroscience would corroborate the DSM’s groupings. Almost half a century later, however, the emerging picture is of overlapping conditions, of categories that blur rather than stand apart. No disorder has been tied to a specific gene or set of genes. Nearly all genetic vulnerabilities implicated in mental illness have been associated with many conditions. A review of more than five hundred fMRI studies of people engaged in specific tasks found that, although brain imaging can detect indicators of mental illness, it fails to distinguish between schizophrenia, bipolar disorder, major depression, and other conditions. The DSM’s approach to categorization increasingly looks arbitrary and anachronistic. …

But there’s a larger difficulty: revamping the DSM requires destroying kinds of people. As the philosopher Ian Hacking observed, labelling people is very different from labelling quarks or microbes. Quarks and microbes are indifferent to their labels; by contrast, human classifications change how ‘individuals experience themselves—and may even lead people to evolve their feelings and behavior in part because they are so classified.’ …

By promising to tell people who they really are, diagnosis produces personal stakes in the diagnostic system, fortifying it against upheaval. …

To be named is to be acknowledged, to be situated in a natural order. …

Online communities such as the subreddit r/BPD crystallize psychiatric tags into identities to be socially accommodated and invite people to diagnose themselves. Such communities, Kriss fears, can ‘pervert’ B.P.D. [borderline personality disorder] into a self-serving justification for misconduct. …

Yet there’s a broader issue here. People’s symptoms frequently evolve according to the labels they’ve been given. …

Any new psychiatric taxonomy develops in the shadow of the old. It must contend with the echoes of the previous scheme, with people whose selves have been cast in the shape of their former classification. By failing to take these into account, models such as hitop risk re-creating the categories of their predecessors. Psychiatric diagnosis, wrapped in scientific authority and tinged with essentialist undertones, offers a potent script. As Layle wondered after she was told about her autism, ‘How did I know what was truly me, and what I had convinced myself I was?’

Manvir Singh: Why We’re Turning Psychiatric Labels Into Identities, The New Yorker online, 06.05.2024, im Internet.

01/25

01/01/2025 (12:25) Schlagworte: EN,Lesebuch ::

Kriegslogik

“… Der zweite Grund, weshalb der Dreißigjährige Krieg gerade aus politiktheoretischer Perspektive interessant ist, besteht in dem gravierenden Defizit an strategischem Denken in der politisch interessierten deutschen Öffentlichkeit. Stark vereinfacht kann man vielleicht sagen, dass die vorherrschende Reaktion auf politikstrategische Herausforderungen hierzulande der Verweis auf juridische Regelungen ist, meist solche des Völkerrechts, wobei generell unterstellt wird, dass die Rahmenbedingungen nicht nur für die Geltung, sondern auch für das Geltendmachen des Rechts selbstverständlich gegeben seien und die Rechtsdurchsetzung mit der Bewältigung der Herausforderung identisch sei. Die Auseinandersetzung mit dem Dreißigjährigen Krieg ist eine vorzügliche Übung zur Desillusionierung solcher Erwartungen. In der Anfangsphase des Krieges nämlich sind alle Parteien in der festen Überzeugung in den Konflikt hineingegangen, das Recht auf ihrer Seite zu haben

Neben dem Reaktionsmodell des Rechtlichen steht hierzulande das des Moralischen. Die Erörterung politischer Herausforderungen im Horizont moralischer Normen und Imperative ist vielfach an die Stelle strategischen Denkens getreten. … Über die verhängnisvollen Folgen unbedingter Wertebindung lässt sich anhand des Dreißigjährigen Krieges sehr viel lernen – unter anderem auch, dass es ohne eine Abkehr davon zu keinem Friedensschluss gekommen wäre. Die auf ihren Werten insistierende Römische Kurie hat deswegen dem auf Kompromissen beruhenden Friedensschluss von 1748 nicht zugestimmt, sondern ihn verurteilt. …

Aber strategisches Denken lässt sich nicht dekretieren, sondern will geübt sein. Ein Krieg, der sich über einen Zeitraum von dreißig Jahren erstreckt hat, ist ein vorzüglicher Übungsplatz für strategisches Denken.”

aus: Herfried Münkler: Der Dreißigjährige Krieg, Einleitung, Reinbek:; Rowohlt 2019 (2017), S.37-39.

12/24

31/12/2024 (11:17) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Hoffnung 2

“Vaclav Havel sagt, Hoffnung sei nicht die Gewissheit, dass es gut wird, sondern nur die Sicherheit, dass etwas Sinn hat.”

aus: Ullrich Fichtner: Langfristig ist doch alles super, interviet durch Christian Jakob, taz online, 26.12.24, im Internet.

12/24

26/12/2024 (16:00) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Utopien

“Zu skandalisieren, was ist, ist ein wichtiger Schritt, um überhaupt eine andere Welt denken zu können. Was ich schwierig finde, ist, wenn man bei diesem ersten Schritt verweilt. Die Skandalisierung der Welt muss einhergehen mit dem Öffnen des Blickes dafür, was stattdessen sein könnte. Ohne das verfallen wir in Ohnmacht. Wer schon einmal mit Menschen gesprochen hat, die in Kriegsgebieten leben mussten, weiß: Es ist nicht so, dass die Menschen dort die ganze Zeit unglücklich vor sich hinvegetieren. Da findet Freude statt und Tanz und Kunst – trotz allem. Menschen sind adaptiv, sie können trotz widrigster Umstände Schönheit erschaffen. Das zeigt uns, wie Widerständigkeit auch aussehen kann. …

Einer Vision wie der von Elon Musk – etwa die Besiedlung des Mars, im Grunde eine Dystopie – wird nicht konsequent mit Abwehr begegnet, stattdessen zieht sie gar Milliardeninvestitionen an. Da frage ich mich: Warum gilt es als utopisch, also unmöglich, über eine Welt ohne Grenzen, Polizei und Gefängnisse nachzudenken, während ein Businessplan zur Bevölkerung des Mars als realistisch betrachtet wird? Diese Diskrepanzen zeigen, dass wir absichtlich realistische Ideen als utopisch abtun. Dabei sind sie darüber hinaus dringend notwendig. …”

aus: Kübra Gümüşay: Wir leben in einer realen Dystopie, interviewt durch Theresa Leisgang und Larry Faust, taz online, 22.12.24, im Internet.

12/24

22/12/2024 (16:01) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Congo

J’ai encore pu lire que la richesse de la Belgique, et les belles maisons de 1900 par exemple, auraient leur source au Congo. C’est faux.

La Belgique était le deuxième pays industrialisé du monde, elle avait le troisième PIB par habitant du monde derrière les EU et la Grande-Bretagne AVANT la colonialisation du Congo. Charbon et acier.

Le caoutchouc n’a rapporté au roi pendant dix ans environs, 1896-1906, durant laquelle il en contrôlait 7% de la production mondiale. Le Congo ne représentait jamais plus que 2% de l’économie Belge, ni plus de 3% des bateaux rentrant au port d’Anvers, sauf vers la fin de la 2ᵉ Guerre Mondiale, quand l’économie Belge était mise à l’arrêt par l’occupant.

C’est un mythe complètement infondé que le Congo aurait eu une grande importance pour l’économie Belge. Il y en a qui croient la propagande coloniale, là.

La Belgique, ou son roi, ont détruit l’économie du Congo, sans beaucoup en profiter (sauf certains secteurs comme les métaux non ferrique naturellement) – c’est dans une certaine manière encore pire que l’hypothèse que la richesse de la Belgique aurait sa source au Congo.

Lisez: Guy Vanthemsche: La Belgique et le Congo : empreintes d’une colonie 1885-1980.

reponse à un post facebook, 17.12.24

17/12/2024 (19:26) Schlagworte: FR,Notizbuch ::

Brain rot

“… the Oxford English Dictionary has just announced “brain rot” as its word of year. As an abstract concept, brain rot is something we’re all vaguely aware of. The dictionary defines it as ‘the supposed deterioration of a person’s mental or intellectual state, especially viewed as the result of overconsumption of material (now particularly online content) considered to be trivial or unchallenging’. But few people are aware of how literally technology is rotting our brains, and how decisively compulsive internet use is destroying our grey matter.

Brain rot was portended almost 20 years ago when scientists studied the effects of a new invention called ’email’, specifically the impact a relentless barrage of information would have on participants’ brains. The results? Constant cognitive overload had a more negative effect than taking cannabis, with IQs of participants dropping an average of 10 points.

And this was prior to smartphones bringing the internet to our fingertips, which has resulted in the average UK adult now spending at least four hours a day online (with gen Z men spending five and a half hours a day online, and gen Z women six and a half).

In recent years, an abundance of academic research … found evidence that the internet is shrinking our grey matter, shortening attention spans, weakening memory and distorting our cognitive processes. The areas of the brain found to be affected included ‘attentional capacities, as the constantly evolving stream of online information encourages our divided attention across multiple media sources’, ‘memory processes’ and ‘social cognition’.

Paper after paper spells out how vulnerable we are to internet-induced brain rot. ‘High levels of internet usage and heavy media multitasking are associated with decreased grey matter in prefrontal regions,’ finds one. People with internet addiction exhibit ‘structural brain changes’ and ‘reduced gray [sic] matter’. Too much technology during brain developmental years has even been referred to by some academics as risking ‘digital dementia’. …

Dr Gloria Mark, professor of informatics at the University of California and author of Attention Span, has found evidence of how drastically our ability to focus is waning. In 2004, her team of researchers found the average attention span on any screen to be two and a half minutes. In 2012, it was 75 seconds. Six years ago, it was down to 47 seconds. …

The term brain rot was popularised online by young people who are most at risk of its effects. The fact that those who are most at risk have the most self-awareness of the problem is heartening news. The first step towards any change is understanding the problem. And there is cause to be hopeful. In recent years, anti-technology movements have gained traction, from teenagers turning to dumbphones to campaigns for a smartphone-free childhood; green shoots for a future in which we are able to reclaim our minds. …”

aus: Siân Boyle: Is doom scrolling really rotting our brains? The evidence is getting harder to ignore, The Guardian online, 9.12.24, im Internet.

Abb.: Sarcasm, Facebook.

12/24

09/12/2024 (11:13) Schlagworte: EN,Lesebuch ::

Gewalt 2

“Wir alle denken bei Gewalt an Zerstörung – daran, etwas kaputt zu machen. Und wenn es um Lebewesen und Menschen geht, um Verstümmelung und Töten. Aber so ist es nicht. Nun, manchmal schon, aber das ist eine Folge der Gewalt. Nachdem die Aufseher uns Kriegsgefangene einmal dazu zwangen, Sit-ups, Push-ups zu machen, uns in Stresssituationen brachten, wurde mir plötzlich durch diese Erfahrung klar, dass es bei Gewalt darum geht, einen Menschen in ein Objekt zu verwandeln, das man wie ein Spielzeug manipulieren kann. Du willst, dass er sitzt, er wird sitzen. Er soll singen, er wird singen. Und wenn sich der Mensch nicht zum Objekt machen lässt, dann kommt Gewalt zum Einsatz, unter der Drohung, das ungehorsame Spielzeug zu zerstören – unter der Drohung, dir den Tod näher zu bringen. Gewalt ist eine Manipulation mit dem Tod.”

aus: Maksym Butkevych: Gewalt habe ich falsch verstanden, Interviewt durch Yelizaveta Landenberger, taz-online. 7.12.24, im Internet.

12/24

08/12/2024 (16:55) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Arab world

“The Arab world is increasingly divided between those who are losing everything, and those who have everything.

For the past few months, there has been a grim new ritual whenever I meet people from some Arab countries. It’s a sort of mutual commiseration and checking in. How are things with you? Where is your family? I hope you are safe, I hope they are safe. I hope you are OK. We are with you.

There is a comfort to it, and also an awkwardness. Comfort because the words are earnest, the solidarity almost unbearably meaningful. Awkward because the scale of what many are enduring is too large to be captured in those words. Everything feels shot through with survivor’s guilt, but also with a little bit of resolve in the knowledge that the calamities tearing apart our nations have closed the distances between us.

At the heart of it all is Palestine – an open trauma that haunts interactions. A muteness has set in, where before there was anger and shock. Added to this is Lebanon. … At the same time, Sudan is a year and a half into a bewilderingly savage war. …

Zoom out further and the scene across the Arab world looks historically bleak. Fires big and small are burning everywhere. Many countries – Libya, Iraq, Yemen, Syria – are either divided by low-grade rumbling conflicts (Syria is once again escalating), or struggling through humanitarian crises.

The tolls of the past few years are staggering. Not just in terms of death, but displacement, too. … Almost every Sudanese person I know, within and outside Sudan, is huddled with other family members in temporary circumstances, living out of a suitcase, waiting for the next time they have to move again. …

Another toll, less urgent when one is speaking of life and death, looms in the background. Large historical cities are being ravaged and a process of civilisational erasure is under way. All of Syria’s Unesco world heritage sites have either been damaged or destroyed. Gaza’s Great Omari mosque, whose origins date back to the fifth century and which has been described as ‘Gaza’s historic heart’, was laid to ruin by the IDF. The old city of Sana’a in Yemen, inhabited for more than 2,500 years, has been classified as ‘in danger’ since 2015. This year, in Sudan, tens of thousands of artefacts, some of them dating back to the pharaonic era, have been looted. Cities can be rebuilt, but heritage is irreplaceable.

Even stable countries such as Egypt have not escaped this cultural sabotage. Heritage sites are being razed to make way for urban development by a government that is racing to rebuild Egypt to conform with its monoculture of military rule. In this, there is a metaphor that applies across the region. For the sake of entrenching power, the political establishment is happy to vandalise identity.

Even in my own mind, I can feel cultural contours blurring as physical architecture disappears. And with it, so many other things are being erased – a sense of rootedness, of continuity, of a future. I look at my children and am chilled by the realisation that the very topography of Sudan, and the Arab world as I experienced it through literature, art and travel, is something they will never know. …

I sound like an old nostalgic woman now, I know. Singing the blues of exile, idealising a past that was always far from ideal, ready to annoy a new generation and tell them that it wasn’t always like this. Because I was once that new generation, listening to elders smoking Marlboro Reds and drinking tea and telling me it’s a shame you never experienced the heyday, when we used to study medicine in Baghdad for free, go to the theatre in Damascus, host Malcolm X in Omdurman. When we had behemoth publishing houses and a pan-Arab solidarity. I used to think, well, isn’t that failure yours as well? Because your class didn’t manage to translate that into a political project that wasn’t constantly hijacked by military men and dictators.

As the centre of political and economic power in the region shifts to the oil-rich Gulf states, which are becoming concentrated expressions of hyperconsumerism and modernity, … high-octane sports events and extravaganzas of glamour, as orgies of violence unfold elsewhere. …

An Iraqi friend recently offered me some solace on Sudan. Baghdad was starting to feel normal, she told me, for the first time in 20 years. Things were far from ideal, but there was a possibility that in a few decades, there would be a chance for a new start. And maybe the best you can hope for is a new start, and not a rehabilitation of the past. In the meantime, all that can be said to friends and strangers, all now countrymen, is I hope you are safe. I hope you are OK. We are with you.”

aus: Nesrine Malik: From Beirut to Khartoum, the Arab world is changing beyond our recognition, The Guardian online, 2.12.24, im Internet.

Abb.: Smurf our blue planet, Europakruispunt, Brussel, April 2024, auch im Internet.

12/24

02/12/2024 (12:28) Schlagworte: EN,Lesebuch ::

Klimapolitik

“Lange haben wir gedacht, Klimapolitik wird einfacher, wenn die Leute nur informiert genug sind. Dann dachte man, die Katastrophen müssten erst einmal da sein. Und später hat man gehofft, dass Klimaschutz, wenn er profitabel ist und sozial gerecht ist, aufgehen würde. Und heute? Heute sind die Menschen informiert wie nie, die Katastrophen sind sichtbar wie nie, und auf den notorisch unglücklichen UN-Klimakonferenz sind die einzigen, die wirklich strahlen, grüne Investoren.

In den vergangenen drei Jahren wurde mit einem unglaublichen Kraftaufwand mehr Klimaschutz umgesetzt als jemals zuvor. Das kann man nicht oft genug sagen. Und dennoch triumphiert nicht die Ökologie. Es triumphiert die AfD, die Klimaleugnung nimmt zwischen Hochwassern zu. …

Es bleibt ungeklärt, wie ökologische Politik gegen den Faschismus gewinnen kann. Es bleibt ungeklärt, wie ökologische Politik in einer Koalition nicht zur Unkenntlichkeit verprügelt wird. Es bleibt ungeklärt, wie 1,5-Grad-Politik in der Praxis aussieht. …

Es gibt Verlierer, selbst wenn das nur die fossile Nostalgie ist, es gibt Widerstand und Ressentiments. Und wer meint, über all das nicht sprechen zu müssen, den holt das von vorne ein. …

Auf alles sollen wir eine Antwort haben, aber wehe, du hast auf alles eine Antwort, das wäre ja arrogant: Der eigene Lebensstil wird auf Ökoregeln überprüft, die wir überhaupt nicht selbst aufgestellt haben und wehe, du lebst wirklich ökologisch, das wäre dann moralisierend. …”

aus: Luisa Neubauer: Politik ohne Klima ist Märchenpolitik. Laudatio auf Ricarda Lang, Kontext, 20.11.24, im Internet.

Abb.: Klaus Stuttmann: Noch 5 Minuten bis Rio, Tagesspiegel 1992, aus: Jean-Christophe Victor: Un oeuil sur le monde. Paris: Laffont 2012, S.53.

11/24

22/11/2024 (14:03) Schlagworte: DE,Lesebuch ::
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