Na, das ist ja ulkig. Da sitze ich hier fröhlich in meinem gemütlichen kleinen Belgien, ignoriere monatelang, was da drüben in Deutschland geschieht, schaue zufällig mal wieder über die Grenze, und siehe da: Da sind die doch tatsächlich alle am Parteien gründen! (Siehe: www.initiative-asg.de, www.wahlalternative.de, www.elew.de…)
Geschähe das in einem Land ohne Fünfprozenthürde, könnte ich mir das ja als intellektuelle Fingerübung noch ganz amüsant vorstellen, aber in Deutschland? Fünf Prozent, das heißt 2-3 Millionen WählerInnen… Und schlußendlich wollen wir doch Mehrheiten gewinnen!
Ich habe den Eindruck, daß viele dieser Parteigründer ziemlich seltsame Vorstellungen von der Natur einer politischen Partei haben. Natürlich braucht man ein interessantes Programm (wer sich darunter ein typisch deutsch-linkes Theoriepapier von 80 Seiten vorstellt, hat von vorneherein verloren :-)), aber viel wichtiger ist doch erst einmal die soziale Basis: Welche soziale(n) Gruppe(n) soll(en) für die Partei stimmen, weil sie ihre Interessen durch diese Partei vertreten sieht/sehen?
Ich lese da von Gewerkschaftern, die sich angeblich massenweise nach einer Partei links von der SPD sehnen – wie das? Wo kommen die denn plötzlich her? Die Gewerkschafter saßen in der SPD doch immer am rechten Rand? Stichwort Kanalarbeiter? Vermutlich handelt es sich bei diesen “Gewerkschaftern” doch wohl nur wieder um die üblichen Verdächtigen der Achtziger Jahre: GEW + Betriebszellenarbeit leistende Altkommunisten? Seit wann stehen deutsche Gewerkschafter links?
Und wer erhofft, von den Grünen 5 Prozent zu erhaschen (was soll von den Grünen nach einer solchen Operation noch übrigbleiben? Wo kommt der Optimismus her, von außen das zu erreichen, was man von innen nicht hinbekommt: Den Kuhns, Fischers und Bütikofers einen neoliberalismuskritischen Dämpfer zu verpassen?), sollte sich doch zunächst einmal fragen, warum die Grünen eigentlich so weit nach rechts gewandert sind (womit es dann nur ein kleiner Schritt zu der Frage wäre, warum eigentlich das gesamte Parteiensystem so weit nach rechts gewandert ist, aber zu der Frage kommen wir später noch)? Die Grünen sind im Kern eine Generationenpartei, die Partei einer einzigen Generation von Akademikern, die links waren, als sie als Studenten mit wenig Geld auskommen mußten, und die genau in dem Tempo weiter nach rechts wandern, wie sich ihre Gehälter von Durchschnitt entfernen. Wer sagte da noch so schön “bei 2000 DM netto im Monat beginnt die Gegenaufklärung“? Die Grünen wandern politisch nach rechts, weil ihre Wähler das so wollen, weil ihre Wähler objektive Gründe dafür haben, sich zunehmend für die Probleme von Aktionären zu interessieren… :-)
Na, und die paar Hanseln, die die PDS im Westen abzugeben hätte, machen den Kohl auch nicht fett – zur Ost-PDS fragen sich die Parteigründer natürlich zu recht, was an denen links sein soll… Abgesehen davon, daß man mit K-Gruppen-Rhetorik nun wirklich keine deutschen Kleinbürger hinter ihrem Ofen hervorlockt. :-)
Schließlich sollte das Schicksal des Hamburger “Regenbogens” (Siehe www.regenbogen-hamburg.de) zu denken geben: Wenn eine linke Bewegung eine Chance hat durchzubrechen, dann in den Großstädten. Und wenn das in Hamburg schon so schlecht läuft…
Nach dieser kleinen Umfelderkundung die Preisfrage: Welche sozialen Gruppen, die zusammen fünf Prozent ausmachen, könnten für eine neue “globalisierungskritische” Partei gewonnen werden? Arbeitnehmer, die hoffen, daß nicht sie es sind, die von der nächsten Umstrukturierung getroffen werden? Kleinunternehmer, denen die Weltmarktkonkurrenz abhold ist (Chapeau gegenüber demjenigen, der es schaffte, deutschen Kleinunternehmern oder Landwirten so etwas wie eine Underdogidentität nach französischen Vorbild einzuimpfen!)? Arbeitslose, die sich nicht mehr einreden ließen, sie persönlich seien für ihre Lage verantwortlich (bisher haben Arbeitslose meines Wissens noch nie eine entscheidende Rolle bei gesellschaftlichen Veränderungen gespielt, die neigen eher zur Apathie)?
Ich halte diese ganze Parteigründerei für verlorene Liebesmüh und gigantische Energieverschwendung – allein schon sich selbst den Zwang aufzuerlegen, alle “globalisierungskritischen” Positionen unter einen Hut zu bringen!
Da halte ich es für viel sinnvoller, das Problem dort anzupacken, wo es steckt: Wir haben ein Parteienspektrum, das ausreichend von links nach rechts aufgefächert ist. Das Problem liegt nicht in einer fehlenden Partei im Angebot, sondern in der Bewegung nach rechts, die das gesamte Parteiensystem in den letzten 15-30 Jahren vollzogen hat.
So, und das rührt wiederum von der unheimlichen Anziehungskraft des neoliberalen Virus her. Der Neoliberalismus hat es geschafft, zuerst die Liberalen, dann die Christdemokraten, dann die Sozis und schließlich auch die Grünen zu infizieren. Was wir da brauchen, ist ein Gegengift samt Impfstoff. Und das darf nicht einfach nur neutralisieren, das muß echte Perspektiven und Alternativen aufzeigen. Attac und Konsorten sind doch bereits dabei. Sie müssen so oder so neue Bevölkerungsschichten für ihre Ideen gewinnen, und das geht mit den Altparteien vermutlich einfacher, als mit neuen. Statt sich endlos mit dem Aufbau von Parteistrukturen zu verzetteln (jaja, ich kenne meine linken Pappenheimer, die gar nichts anderes können, als Organisationsstrukturen zu erdenken, aber auf die sollte man gesellschaftliche Veränderungen nun wirklich nicht aufbauen wollen :-)), sollte weiterhin alle Kraft auf das Suchen von Alternativen und die dazugehörige Überzeugungsarbeit gesteckt werden. Was viele Menschen wollen, wird von populistischen Politikern à la Schröder doch sofort übernommen…
Malte Woydt
04/04