Zu beschreiben, worum es geht, ist eigentlich ziemlich einfach…….
Bei den Wahlen zu Abgeordnetenkammer und Senat bekommen die Wähler je nach Wahlkreis unterschiedliche Wahlzettel vorgelegt. Man kann nur Kandidaten aus dem eigenen Wahlkreis wählen. Es gibt also keine Landes- oder Bundeslisten. Früher gab es mehr Wahlkreise als heute, manche davon sehr klein (in denen nur zwei Sitze vergeben wurden). Dadurch hatten große Parteien einen großen Vorteil, in kleinen Wahlkreisen waren Stimmen für kleine Parteien verloren.
Das störte jahrelang nur die kleinen Parteien, aber die zählten ja nicht. Dann wurde aber mit der Zeit der rechtsextreme Vlaams Blok immer größer, anstelle der Regierungsparteien drohten also die Rechtsextremen vom Wahlrecht zu profitieren. Also beschloß man 2002, die Wahlkreise zu vergrößern: Lassen wir Wahlkreisgrenzen einfach mit Provinzgrenzen zusammenfallen! Problem gelöst und man hatte den Grünen gezeigt, daß man super demokratisch auch ihren Kleinparteien mal Geschenke machte.
Jetzt gab es aber die alte Provinz Brabant. Da ging es andersherum. Diese Provinz umfaßte das zweisprachige Brüssel und einsprachig-französische sowie einsprachig-niederländische Gebiete. Bei einer der vielen Staatsreformen, 1994, war die Provinz Brabant geteilt worden in Brüssel, Flämisch-Brabant und Wallonisch-Brabant.
Die alte Wahlkreiseinteilung war aber damals nicht verändert worden, und die drei brabanter Wahlkreise waren nicht identisch mit den neuen Provinzen, es geht um Nivelles (identisch mit Wallonisch-Brabant), Leuven (der Osten des heutigen Flämisch-Brabant) und Brüssel-Halle-Vilvoorde (Brüssel zusammen mit dem Westen von Flämisch-Brabant).
Was geschah genau 2002? Man schrieb als Prinzip ins Gesetz, “alle Wahlkreisgrenzen fallen zusammen mit den Provinzgrenzen”, beschloss gleichzeitig die praktische Umgruppierung aller Wahlkreise bis auf einen, über den man sich nicht einigen konnte: BHV. Ein typisch-belgischer Kompromiß: Man kann sich nicht einigen, läßt also einander widersprechende Sachen in Gesetzen stehen…
Inzwischen hat das Verfassungsgericht festgestellt, daß nicht gleichzeitig das Prinzip “Wahlkreis=Provinz” gelten kann und zwei Wahlkreise belassen, auf die das nicht zutrifft (Löwen und BHV). Der Gesetzgeber “muß” also laut Verfassungsgericht entweder B abtrennen und HV mit Löwen zusammenfügen oder das Prinzip aus dem Wahlgesetz streichen…
Die Flamen wollen BHV trennen, die frankophonen BHV beibehalten. Warum? Bisher können die frankophonen Einwohner des Brüsseler Umlandes (HV) bei den Wahlen auch brüsseler, frankophone Listen wählen, zusammen haben sie genug Masse, um Kandidaten durchzubekommen. Auch werden die brüsseler Stimmen für niederländischsprachige Parteien mit denen des Umlandes zusammengezählt, auch das gibt ihnen genug Masse, um ihre Stimme nicht im Mülleimer verschwinden zu sehen. (Man merke: Die brüsseler Flamen sind der flämischen Politik egal, während die Umlandfrankophonen starke Freunde haben.)
DIe Teilung von BHV hätte zur Folge, daß die beiden frankophonen Abgeordneten aus dem Umland ersetzt würden durch zwei flämische Abgeordnete UND gleichzeitig die beiden Brüsseler Flamen ersetzt würden durch zwei frankophone Abgeordnete.
Die frankophonen Parteien in Flämisch-Brabant müßten auch bei nationalen Wahlen eine gemeinsame Liste aufstellen, um gemeinsam vielleicht eines Tages einen Sitz zurückzuerobern und die brüsseler Flamen müßten dasselbe tun. Nach bisherigen Wahlergebnissen zu urteilen, haben beide Vorhaben bisher keine Chance.
Es geht also um eine rein symbolische Angelegenheit, und das macht es so schwer, eine Lösung zu finden. Echte Probleme lassen sich mit echten Kompromissen lösen, Probleme aus Luft lassen Pragmatik nicht zu…
Zu Lösungsdiskussionen bräuchte man ein weiteres Post…
geschrieben am 4.1.10 als Diskussionsbeitrag bei www.belgienforum.net
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