MALTE WOYDT

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Anführungszeichen

“Es hat eine eigenartige Wirkung auf ein Wort, wenn es in Anführungszeichen gesetzt wird: Anfang ist etwas ganz anderes als “Anfang”. Man heftet etwas Unaussprechliches, Zweideutiges, Doppelbödiges und Buckliges an das Wort, wenn man es in Anführungszeichen setzt. Man kann das mit vollkommen nichtsahnenden, völlig unschuldigen Wörtern machen, man könnte zum Beispiel Konjunktionen und Präpositionen in Anführungszeichen setzen – die nichtssagensten und harmlosesten unter unseren Brüdern, den Wörtern. Nehmen wir an, ich setzte die Wörter: und, auf oder gegen in Anführungsstriche. Also: Der Bürgermeister “und” seine Frau. Oder: Ich legte das Buch “auf” den Tisch. Auf diese Weise kann man auf der Welt allerlei ins Wanken bringen. Er ging “gegen” das Rathaus. Wenn man nihilistisch genug ist, kann man auch das unschuldigste aller Worte, das Zeichen des Infinitifs nehmen, um es zu mißbrauchen und auf folgende Weise zu schänden. Es begann “zu” regnen. Kann man die Welt mit weniger Begeisterung ansehen?”

aus: Jens Bjørneboe: Der Augenblick der Freiheit, Hamburg: Merlin 1968 (norwegische Originalausg. 1966), S.25.

02/12

09/02/2012 (0:12) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Lachen

“Diejenigen, die diese Kultur, die Renaissance, schufen, lachten über Grausamkeiten. Unsere ganze neue Welt und unsere moderne Kultur wurden in der Toskana geboren; die ganze inkarnierte, präzise, empirische Kunst und die ganze exakte Naturwissenschaft – alles kommt aus den Steinstädten der Toskana. Und die Toskaner waren gefürchtet wegen ihres Lachens. Die Florentiner waren neidisch und boshaft, aber witzig. Sie waren großartige Beobachter, kühl und mit Abstand; – sie lehrten die Welt, zwischen Willkür und Gesetzmäßigkeit zu unterscheiden. …

… dieses Gelächter ist der Grund dafür, daß die Toskaner die Naturwissenschaft erfanden und die klare toskanische Zeichnung in ihrer kühlen Malerei; das Gelächter bedeutet Abstand. Umgekehrt: wo nicht gelacht wird, beginnt die Geisteskrankheit. … In dem Augenblick, in dem man die Welt ganz ernst nimmt, ist man potenziell geisteskrank. Die ganze Kunst, zu lernen, wie man sich am Leben erhält, liegt darin, daß man am Lachen festhält; ohne Lachen ist die Welt eine Folterkammer, eine dunkle Stätte, in der dunkle Dinge mit uns geschehen, eine Schreckenskammer blutiger Gewaltakte.”

aus: Jens Bjørneboe: Der Augenblick der Freiheit, Hamburg: Merlin 1968 (norwegische Originalausg. 1966), S.133/134.

02/12

09/02/2012 (0:04) Schlagworte: DE,Lesebuch ::