Rechte 1
“Aus unserer Sicht haben die Rechten ein gewaltiges Identitätsproblem. Sie kreisen unentwegt um die Frage, was und wer sie sind …
Am Anfang des rechten Identitätskomplexes steht fast immer Enttäuschung. … Irgendwer oder irgendwas verweigert mir das Leben und die Anerkennung, die ich verdiene.
Nur, wer kennt das nicht? … Enttäuschungen dieser Art [sind] kein Privileg der Rechten. … Was folgt aus solchen Erfahrungen? … Die Einsicht, dass die Suche nach einem Platz in der Welt immer ein Problem darstellt, und zwar angesichts der Größenverhältnisse eher für mich als für die Welt. … Es heißt …, dass ich Mittel und Wege finden muss, um mir die Welt anzueignen, … mich in den Verhältnissen einzurichten. … Die ‘Welt’ oder die ‘Verhältnisse’ … sind … zuallererst die anderen. Und die sind nun mal anders als man selbst. Genau wie ich wünschen sie sich, in ihrem Sein anerkannt zu werden und ihre Möglichhkeiten entfalten zu können, aber ihr Sein und ihre Möglichkeiten sind eben nicht die gleichen wie meine. …
Die Rechten werden erst dadurch zu Rechten, dass sie sich genau dieser Einsicht verweigern. Die anderen, sagen sie, sind nicht die Welt. Sie sind die Hölle. Die Rechten verhalten sich tatsächlich so, als hätten sie Sartres ‘Geschlossene Gesellschaft’ wie einen Ratgeber gelesen, oder den ‘Don Quichote’ wie einen Heeresbericht. …
Wenn die Verlagerung ihres Identitätsproblems für uns – die anderen – nicht so problematische Konsequenzen hätte, könnte man sich ausschütten vor Lachen oder Tränen des Mitleids vergießen über erwachsene Menschen, die sich statt in der Welt im Widerspruch zu ihr eingerichtet haben. Genau das tun sie aber, und zwar allein dadurch, dass sie sagen: Mein Problem, das seid ihr. … Pubertät sozusagen. als Lebensform. …
Unser Problem mit euch ist … gar kein moralisches. Vielmehr sehen wir mit Staunen, wie ihr euch laufend in euer eigenes Problem hineinmanövrieert … Um das Nein der anderen zu provozieren, macht ihr euch ständig zum Arschloch. Um das Nein der anderen abzuwehren, macht ihr euch ständig zum Opfer.” “Ihr lauft im Hamsterrad.””
aus: Per Leo / Maximilian Steinbeis, Daniel-Pascal Zorn: Mit Rechten reden. Ein Leitfaden. Stuttgart: Klett-Kotta 2017, S.29-109.
05/19