Schmeichelei
“Zwar gibt es auch eine verderbliche Schmeichelei, mit der Verräter und Zyniker arme Mitmenschen der Vernichtung entgegentreiben, aber … [eine andere] Schmeichelei entspringt aus der Großmut und der Reinheit der Gesinnung und ist der Tugend ähnlicher als ihr Gegenteil, als die eigensinnige Härte … und die verstockte Sturheit. Sie richtet die Niedergedrückten wieder auf, tröstet die Traurigen, stachelt die Trägen an, weckt die Stumpfsinnigen auf, bringt den Kranken Linderung, besänftigt die Aufgebrachten, schließt Liebesverbindungen und erhält sie auf die Dauer. Sie lockt die Jugend zum Lernen, erheitert die Greise und ermahnt unter der Maske des Lobes die Mächtigen, ohne sie zu beleidigen. Kurz, sie erreicht, daß jeder sich besonders gefällt, sich selbst über alles liebt, und das ist doch die höchste Gunst des Glückes. …
Ich behaupte, am schlimmsten ist, sich nicht täuschen zu lassen. Denn wirklich töricht sind jene, die glauben, daß das Glück des Menschen in den Dingen selbst beruhe; im Gegenteil, von den Meinungen über die Dinge hängt es ab.”
aus: Erasmus von Rotterdam: Das Lob der Torheit. Übersetzt und herausgegeben von Uwe Schultz. Frankfurt(Main): Insel 1979 (Lateinisches Original 1511), S. 76/77
03/20