Psychospiele
“Wer heute im Milieu der Freizeit- und Mountainbike-Mittelschicht … reüssieren will, muß jene pathogene Diktatur akzeptiert haben, die Richard Sennett vor 15 Jahren als Die Tyrrannei der Intimität (deutsch 1983) auf den Begriff gebracht hat: Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man quatschen.
In Heft 51 des Freibeuter (Thema “Beseelte Gesellschaft”) gehen mehrere Autoren den Ursachen und Hintergründen dieser relativ neuen Art von Müllproduktion nach. Was, fragt zum Beispiel Barbara Sichtermann, macht das gar nicht selbstverständliche Interesse am Innenleben … erklärlich? …
‘… Es wünscht ja auch kein Mensch, seinen Körper oder den seiner Nächsten von innen zu sehen; wieviel sympathischer sind wir einander im feinen Samtmantel unserer Haut, denn als luftig-preisgegebenes Gekröse. Allemal vom Psycho-Diskurs aufgestörte Gruppen und Paare müßten wissen, wieviel sie verlieren, wenn sie erst angefangen haben, im Abraum der Seele zu graben. Zu den ersten Verlusten gehören Handlungsfähigkeit und Gleichgewicht. Aber offenbar gibt es eine Lust am Schrecken, die stärker ist als Vernunft.” …
Der ‘harte Kern’ des Psychotrips sei die Lockung der Macht. … Was aber bleibt von dieser Macht übrig, … wenn … alle den Strategien des Entblößungs-Diskurses folgen? …
‘Die psychologische Neugier verwandelt ein heiteres Liebespaar, eine optimistische Projektgruppe, ein harmloses Pädagogenteam in ein haßerfülltes, ränkeschmiedendes, heulendes und zähneklapperndes Pandämonium. …
Die Alternative wäre der völlige Rückzug, der Bruch mit den Psycho-Reisenden. Der empfiehlt sich und wird von vernünftigen Menschen seit je vorgezogen.”
aus: Hans-Martin Lohmann: Zeitschritfenforum. Die Neue Gesellschaft/ Frankfurter Hefte 1992, S.655-656.
Abb.: Sanchia Tryphosa Hamidjaja: Seeking Self Imagery, 2012, indoartnow, im Internet.
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