Vereine
“‘… Kommt der Alte frühmorgens um elf mit hochrotem Kopf in die Registratur gepoltert und brüllt: ‘Warum legen Sie die Korrespondenz mit Vohwinkel unter F – machen Sie doch die Augen auf!’ – dann klebt er noch emsiger Papier an Papier und beugt den Kopf. Aber in ihm jubiliert eine innere göttliche Stimme: ‘Du Ochse – du kannst ja nicht einmal eine Ganzsache von einer einfachen Marke unterscheiden! Ignorant! Tropf! Laie! Komm mal in meinen Verein – da wärst du so klein…’ – ‘Sagten Sie was?’ ruft der Chef herüber. ‘Ich? nein, Herr Edler! Ich dachte nur…’
So hat der moderne Mensch, Preis ihm!, das fahrbare Paradies erfunden – eines, das man immer bei sich führen kann. Es verleiht inneren Halt und ein bißchen äußern auch. Es stärkt. Es ermutigt. Es reckt grade. Es ist ein inneres Gegengewicht gegen die Tücken des Alltags. …
Der Referendar ist gar kein Referendar, sondern ein bekannter Theosoph; der Bürovorstehener tut nur so, glaubt ihm nicht! – er hält den Rekord im Stabspringen; der Briefträger ist ein Radiofachmann; der Hotelportier Langstreckenschwimmer; der Rechtsanwaltsschreiber Motorradsportler. So ist jeder Mensch zweifach vorhanden…”
aus: Kurt Tucholski, Zwei Welten. In: ders.: Republik wider Willen. Gesammelte Werke. Ergänzungsband 2.
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