MALTE WOYDT

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Vergeltung

“Vergessen wir für einen Moment die nicht-deutschen Kriegsopfer, die Polen, Juden, Russen, Zigeuner usw. Dies waren ‘Untermenschen’, deren Schicksal den deutschen Kleinbürger nicht um den ruhigen Schlaf bringen muß. Aber er könnte sich wenigstens darüber aufregen, was die Nazis ihm und seinem Nächsten angetan haben. In den Jahren 1937 bis 1944 wurden vom Volksgerichtshof über fünftausend Todesurteile verhängt. Welche ‘Verbrechen’ zur Anklage, Urteil und Justizmord führten, ist inzwischen bekannt. Die zahlreichen Sondergerichte, die bereits 1933 eingerichtet worden waren, und die aufgrund der Reichtagsbrandverordnung und des Heimtückegesetzes urteilten, verhängten ebenfalls einige tausend Todesurteile. … Zwanzig- bis dreißigtausend Deutsche sind … dem legalen Terror … zum Opfer gefallen, die in den KZs ermordeten Politischen und Homosexuellen und die Euthanasie-Opfer nicht mitgezählt. …

Was ich nicht verstehe: zigtausend Ermordete haben Väter, Mütter, Söhne, Töchter, Frauen und Männer gehabt, die unmöglich auf Seiten des mordenden Regimes gestanden haben können. Einige zehntausend Menschen müssen ein ehrenwertes Motiv gehabt haben, es dem Richter oder dem Staatsanwalt oder dem Blockwart, der ein Denunziant gewesen war, für den Tod des Nächsten heimzuzahlen. Und die Schuldigen waren ja nicht vom Erdboden verschwunden. … Sie haben sich nicht verstecken müssen, so sicher waren sie, daß ihnen niemand etwas antun würde. Warum? Diese Frage ist bis heute in Deutschland nicht beantwortet worden.”

aus: Henryk M. Broder: Das richtige Stück für das falsche Publikum. In: Joshua Sobol: Ghetto. Schauspiel in drei Akten. Hg. von Harro Schweizer. Berlin:Quadriga-Verlag Severin 1984: 224-226.

Henryk M. Broder hat eine eigene Homepage mit vielen beißenden Artikeln: www.henryk-broder.de

09/10/2007 (9:51) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

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