Staat 1
“Um das Problem etwas zu vereinfachen, werde ich den Staat erst einmal verdreifachen. Nicht, weil mir dreimal Staat angenehmer wäre als nur einmal, sondern weil mein Verhältnis zum Staat dreigeteilt ist und weil die drei Bestandteile dieses Verhältnisses nicht so recht zusammenpassen wollen.
Die drei Staaten, von denen ich hier rede, sind
- erstens der Staat, der einfach nur mein Feind ist, mit dem ich nichts zu schaffen haben will und den ich lieber heute als morgen aufgelöst sähe [der Staat, der Umweltzerstörung legalisiert, Frigen als Teibgas nicht verbieten will, immer einen Feind weiß, gegen den es aufzurüsten gilt, Waffen exportiert, eine Demonstration zusammenknüppeln läßt …];
- zweitens der Staat, von dem ich etwas will, von dem ich Leistungen, Gesetze, Taten erwarte [Er soll z.B. Vergewaltigung auch in der Ehe verfolgen, die Gleichstellung von Frauen und Männern endlich rechtlich garantieren, soll Fahrverbote bei Smog erlassen…];
- und drittens der Staat, den ich mit (oft klammheimlichem) Wohlwollen zur Kenntnis nehme [einen Staat, der mich beruhigt und erleichtert, wo immer er in Erscheinung tritt, obwohl gerade dieser Staat fast nur im Form mehr oder weniger bewaffneter Staatsgewalt sichtbar wird. … das kann eine Schlägerei auf der Straße sein, die eine herbeigerufene Streife beendet, eine Vergewaltigung, bei der ich mir viel mehr Polizei rechtzeitig in der Nähe wünschte – zusammengefaßt vielleicht alles, wo ich für mich oder andere Angst habe vor anderen Menschen.] …
Es ist unmittelbar einsichtig, welcher Art mein Verhältnis im einzelnen zu diesen drei Staaten ist: den ersten will ich abschaffen; den zweiten hätte ich gern unter meiner Kontrolle …; über den dritten rede ich nur ungern. …
Tatsächlich ist es aber nur ein Staat. … Die Trennung in drei Staaten vollziehe ich … nur in meinem Kopf, um mir selber das Leben mit den Widersprüchen zu vereinfachen.
Gar zu leicht hört die Staatsfeindlichkeit da auf oder nimmt eine äußerst seltsame Gestalt an, wo der Staat in der Form von ‘Staatsknete’ auftritt. … Unsere Staatsfeindlichkeit … [drückt] sich auch darin aus …, ‘den Staat zu schädigen, wo immer es möglich ist’ – und wenn dieses Schädigen uns selber nützt, um so besser …
Abschaffen läßt sich am Ende nur ein Staat, den keiner mehr braucht.”
aus: Peter Gäng: Von einigen Widersprüchen des staatsfernen Lebens. In: Schmid, Thomas: Entstaatlichung. Neue Perspektiven auf das Gemeinwesen. Berlin: Wagenbach 1988, S.75-87. In eckigen Klammern wurde wiedergegeben, was weiter unten im Originaltext als Erläuterung steht.
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