Widerstand
“‘Wer hält stand?’ fragte einer, der für seinen Widerstand zu Tode kam. Nicht die ‘Vernünftigen‘, die in ‘bester Absicht und naiver Verkennung der Wirklichkeit das aus den Fugen geratene Gebälk mit etwas Vernunft wieder zusammenbiegen zu können meinen’. Am Ende ‘treten sie resigniert zur Seite oder verfallen haltlos dem Stärkeren’. Auch die Reinheit eines ethischen Prinzips hilft nicht; wer sie vertritt, ‘geht dem Klügeren in die Falle’. Der ‘Mann des Gewissens‘, der sich einsam wehrt, schafft nichts angesichts ‘der Übermacht der Entscheidung fordernden Zwangslagen’. Das Ausmass der Konflikte, in denen er zu wählen hat, zerreisst ihn’. Wer den scheinbar sicheren Weg der Pflicht wählt, ‘wird schließlich auch noch dem Teufel gegenüber seine Pflicht erfüllen müssen’. ‘Wer es aber unternimmt, in eigener Freiheit in der Welt seinen Mann zu stehen, … wird in das Schlimme willigen, um das Schlimmere zu verhüten’, das doch das Bessere sein könnte. Auch die ‘Freistatt einer privaten Tugendhaftigkeit’ führt nicht weiter. ‘Bei allem, was er tut, wird ihn das, was er unterlässt, nicht zur Ruhe kommen lassen.’
‘Wer hält stand? Allein der, dem nicht seine Vernunft, sein Prinzip, sein Gewissen, seine Freiheit, seine Tugend der letzte Massstab ist, sondern der dies alles zu opfern bereit ist, wenn er im Glauben und in alleiniger Bindung an Gott zu gehorsamer und verantwortlicher Tat gerufen ist, der Verantwortliche, dessen Leben nichts sein will als eine Antwort auf Gottes Frage und Ruf.'”
aus: Dietrich Bonhöffer, zitiert bei Ralf Dahrendorf: Versuchungen der Unfreiheit. Die Intellektuellen in Zeiten der Prüfung. München: Beck 2006, S.127/128.
11/06