Wie bekämpft man Rechtsextremismus?
Das intelligenteste Zitat zum Thema las ich bei Klaus Mann, der beschreibt (siehe hier), daß er Hitler widerlich und lächerlich gefunden hatte, Sprache und Inhalt der Nazi-Publikationen ihm hermetisch verschlossen gewesen waren, er demnach auch nicht im Geringsten hatte nachvollziehen können, was jemand an den Nazis finden konnte.
Das alles machte ihn völlig hilf- und wertlos als Antifaschisten. Wie will jemand, der sich in potentielle Nazis nicht hineindenken kann, jene davon überzeugen, sich den Nazis nicht anzuschließen?
Weitverbreitet ist die Methode, heutige Rechtsextreme als Nazis zu brandmarken. Das mag unter gefestigten Demokraten einen mobilisierenden Effekt haben (“nie wieder!”). Aber wie wirkt das auf potentielle Anhänger rechtsextremistischer Bewegungen und Ideen? Entweder sie sehen sich selber dem Nationalsozialismus nahe, dann können sie sich bestätigt fühlen, die richtige Partei gefunden zu haben. Oder die Verbrechen der Nazis lassen sie als historischen Plunder kalt, dann kann die “Nazi”-Etikettierung der netten rechtsextremen Politiker von nebenan sogar dazu führen, dieses positive Urteil gleich auch auf das Dritte Reich zu übertragen… Oder sie sehen die Etikettierung als Verleumdung eines unbequemen politischen Gegners, dem aus seiner Opferrolle geholfen werden muß. Alles keine wünschenswerten Ergebnisse :-)
Dasselbe gilt auch für Versuche, rechtsextreme Organisationen als “undemokratisch” zu brandmarken. Das kann nur Menschen schocken, die sich mit “Demokratie” identifizieren. Wie steht es aber mit Menschen, die den sich selbst “demokratisch” nennenden Parteien nun gerade frustriert den Rücken zudrehen? “Demokratie“, daß ist für sie identisch mit den verhaßten “demokratischen” Parteien. “Undemokratisch” wird zum Gütesiegel, wenn es verspricht, denen “etwas Neues” gegenüberzustellen!
Wir müßten lernen, uns in die Betroffenen hineinzudenken, nur das kann uns helfen, Gegenmittel zu finden. Nur daß Klaus Mann schon beschrieben hat, wie ihm genau das unmöglich war.
Was macht Rechtsextreme attraktiv?
Ihr Eintreten für Sauberkeit und Ordnung – auf der Straße wie in der Politik? Dann müßte man sie als korrupt, kriminell und dreckig entlarven. Nur daß das ja bereits das Bild ist, das ihre Anhänger von den anderen Parteien haben, muß man sie deshalb als noch korrupter, krimineller und dreckiger darstellen? Wo kommt man mit einer solchen Argumentation hin?
Ihr Engagement gegen Ausländer? Oft geht Antifaschismus gepaart mit Sympathiewerbung für Ausländer. Das kann zu Ergebnissen führen wie “Alle Türken sind soundso, nur Du nicht, Du bist ja mein Kumpel Ali!”. Ausländer sind weder per se schlechter noch besser als Einheimische. Diese Erfahrung muß aber jeder selber machen. Natürlich müssen die Leute auf andere (freundliche) Weise mit Ausländern in Kontakt kommen. Aber bis das über die “Du bist anders”-Schiene hinauskommt, kann es lange dauern.
Rechtsextreme haben sich eine eigene “Gegenöffentlichkeit” organisiert. Wer einmal in ihren Fängen ist, bekommt regelmäßig Post. Hier in Brüssel wird die Vlaams Blok-Propaganda sogar jahraus, jahrein an ALLE Haushalte verteilt. Die dort gemachten Behauptungen und Stellungnahmen müßten ebenso regelmäßig, ernsthaft, ausführlich und mit konkreten Beweisen widerlegt werden. Wir bräuchten eine Art “Schwarzen Kanal”…
Menschen formen sich ihre Meinungen im persönlichen Umfeld. Familiäre und Kollegenkontakte sind ausschlaggebend für die Art und Weise, wie Informationen, etwa aus dem Fernsehen, verarbeitet werden. Das heißt, daß es für Antifaschisten wichtig ist, im Gespräch mit Bekannten die Lieblingsthemen der Rechtsextremen ernsthaft und fundiert (!) zu diskutieren. Immer größer wird allerdings die Zahl der Menschen, die gar kein persönliches Umfeld mehr haben. Viele insbesondere ältere Menschen sitzen nur noch vor dem Fernseher. Dort bekommen sie ein von Kriminalität und Gewalt bestimmtes Bild der Wirklichkeit außerhalb ihrer vier Wände. Sie haben keine Bekannten (mehr), die das Bild abfedern könnten. Genau diese armen Menschen werden zur leichten Beute der Rechtsextremen. Das Problem ist noch gar nicht, sie mit Ausländern zusammenzubringen, sondern mit irgendjemand. Bei Leuten, die ihr Weltbild komplett aus der Dose beziehen, wird die Angst jeden Tag größer.
Siehe auch “Cordon sanitaire”
Malte Woydt
06/04