MALTE WOYDT

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009) Provinzialität?

Was ist Provinzialität? Was unterscheidet eine Stadt, die provinziell ist, von einer Stadt, die es nicht ist? Was hat die erste, was die zweite nicht hat und was hat die zweite, was die erste nicht hat?

01/11/1998 (21:42) Schlagworte: DE,Fragen ::

4 Responses to “009) Provinzialität?”

  1. malte Says:

    Naja, es handelt sich ja vermutlich um eine graduelle Geschichte. Im 19. Jahrhundert war ein Ort ohne Bahnanschluß sicher extrem provinziell. Im 20. Jahrhundert gilt dasselbe für Orte ohne Autobahnanschluß. Aber was hat nicht alles eine Autobahnausfahrt?

    Vermutlich handelt es sich um eine typisch deutsche Frage. Paris ist Weltstadt, der Rest Provinz. Eine Frage von Föderalstaaten also. Und von Kleinstaaten. Was machen die Litauer, so ganz ohne Weltstadt, ja selbst ohne Großstadt? Ganz Litauen ist Provinz.

    Ist Provinzialität etwas, über das man streiten kann? Gibt es Städte, denen die einen Provinzialität, die anderen das Gegenteil bescheinigen würden? Wie steht es zum Beispiel mit München, wo man nach Mitternacht keine offene Kneipe mehr findet?

    Oder Städte ohne Ausländer? Sind die nicht nach Definition schon provinziell? Ljubljana ist vermutlich ja sowieso provinziell, aber die Homogenität der Bevölkerung dort ist für mich schon ziemlich ungewohnt geworden. 1989 war ich in Budapest, genial! Vom neuseeländischen Rucksacktouristen, über den afrikanischen Flüchtling auf Durchreise bis zum nordkoreanischen Delegationsmitglied – alle in derselben Jugendherberge. Keine Spur von Provinz…

    Wo lebt es sich am besten? Ich mag Großstädte (Weltstädte?). Mannheim war angenehm für einige Jahre, dann wurde es mir aber zu eng. Lieber ohne Job und Sprachkenntnisse nach Brüssel als mit Job in Mannheim bleiben… Andere Leute finden Brüssel zu groß, Köln zu groß, sehnen sich nach der Kleinstadt oder gar dem Dorf.

    Aber wie ist denn Dorfleben? Nichts ohne Auto machen können, ausgehen in der Disko vom Gewerbegebiet der Kreisstadt, einkaufen im Supermarkt auf der grünen Wiese… Da lob’ ich mir doch die 3 Minuten Fußweg zum Einkaufen und die Kinos in Fahrradentfernung.

    Apropos Kinos: Im zweisprachigen Brüssel wird man ja wegen des Bedarfs an zweisprachigen Untertiteln verwöhnt – eine Stadt ohne Filme im Original ist doch hoffnungslos provinziell, oder?

    Eine verrückte Sache sind auch Moden, intellektuelle wie konsumistische Moden. Die beginnen in den großen Zentren und wandern in die Provinz, oder? Sprach man in Berlin früher von Globalisierung als in Baden-Baden? Fuhr “man” in Hamburg früher Inlineskater als in Oldenburg?

    Und überhaupt, extreme bis extremistische Meinungen, wie harmlos sind die Mannheimer Neonazi- und Autonomenszene doch gegen Frankfurt. Lebt sich einfach gelassener da, oder? Andererseits, Mannheim und gelassen? Die Leute machen eigentlich eher einen gestreßten Eindruck. Da lobe ich mir Hamburg.

    Und Städte ohne vernünftigen Buchladen? Ohne Antiquariate? Puh.

  2. malte Says:

    Habe endlich einen Aufsatz gefunden, der dem Problem überzeugend nachgeht. Siehe Carl Amery in meinem Lesebuch.

  3. ali Says:

    Ich versuch’s mal so: In einer nichtprovenziellen Stadt ist die Wahrscheinlichkeit, Leute zu treffen, die das Andere für möglich halten, ungleich größer als in einer provenziellen.

  4. malte Says:

    Siehe inzwischen Tomas Venklowa in meinem Lesebuch zu meiner Behauptung, ganz Litauen sei Provinz.