retro
“… In einem großen deutschen Fluss sterben Abertausende von Fischen und Krebsen an einem unbekannten Gift; Atomkraft gilt plötzlich wieder als Versprechen für die Zukunft; Fluggesellschaften planen 20 Jahre nach dem Desaster der Concorde einen neuen Überschalljet; die Müllberge wachsen weiter; das Waldsterben ist zurück, weil es eigentlich nie weg war; Bauern dürfen Ökokriterien wieder vergessen; der Staat plant neue fossile Kraftwerke; die Russen sind wieder die Gefahr aus dem Osten und arbeiten auch noch kräftig am nächsten nuklearen Super-GAU.
Das ist alles so was von Eighties! Und wir dachten doch, es sei vorbei. Tja. …
Aber erinnern wir uns richtig: Unser ‘No Future’ von 1982 zwischen Ozonloch, Waldsterben und Rheinvergiftung ist heute die gute alte Zeit: Damals lag der CO2-Gehalt in der Luft bei 340 Molekülen pro Million, heute sind es gefährliche 420, die globale Überhitzung ging mit 0,3 Grad gerade richtig los, heute sind es 1,2 Grad: fast ein ganzes Grad Celsius mehr seit meiner Jugend! Das Baumsterben konnte man mit Filtern auf Kohlekraftwerken bekämpfen, aber keiner stellte die Kohle infrage; das ewige Eis auf Grönland und in den Alpen war noch ewig, auf Meeresströmungen konnte man sich verlassen.
… Der weltweite Ölverbrauch lag bei 2,8 Milliarden Tonnen, heute sind es 4 Milliarden, die Ozonschicht ließ sich ein paar Jahre später mit viel Glück und einem ziemlich simplen Vertrag wieder kitten. Als wir Wohlstandskinder in den Achtzigern hemmungslos konsumierten, lag trotzdem der ‘Welt-Erschöpfungstag’, an dem die nachwachsenden Ressourcen für ein Jahr aufgebraucht sind, erst im November – heute, wo wir alle ach so bio, vegan, nachhaltig und achtsam sind, ist das bereits im Juli. …”
aus: Bernhard Pötter: Retro, aber richtig, taz online, 23.8.22, im Internet
Abb.: Ana Alenso: Medusa’s fossil addiction 2, 2017, im Internet.
08/22
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