Praktikum in Brüssel?
letzte Änderung: 26.10.2
Jetzt trage ich doch noch mal ein paar Tips für potentielle Praktikanten zusammen, obwohl das bei mir ja schon etwas länger her ist. Aber ich treffe immer wieder auf Leute, denen man die grundsätzlichsten Dinge nicht erzählt hat…
1) Im EU-Brüssel hat ein Praktikum eine ganz andere Bedeutung als in Deutschland. Wenn Euch Brüssel als Jobmarkt interessiert, macht Praktika hier am besten nach dem Studium als mittendrin, da sie das Sprungbrett in bezahlte Jobs sind. Die meisten Lobbyistenbüros, Consultants, Subunternehmer der Kommission usw. die hier um die Europäischen Institutionen herumschwirren, haben keinen Nerv hunderte von Bewerbungen zu lesen. Wenn ein Job frei wird, werden häufig einfach Praktikanten gefragt, die gefallen haben. Die müssen dann aber auch vor Ort sein und sofort zur Verfügung stehen. Es gibt Leute, die ihr Studium für einige Jahre unterbrechen für einen Job hier und dananch wieder zurückgehen um die Magisterprüfungen vorzubereiten. Von der Politikervertrauten zurück zur Studentin und dann wieder auf den Arbeitsmarkt – Der einfachste Weg ist das bestimmt nicht.
2) Vielleicht das wichtigste an einem Praktikum in Brüssel ist, daß man da während eines Monats einen Schreibtisch vor Ort hat mit Fax, Internetzugang und Telefon. Ein Praktikum, daß einen so voll auslastet, daß man keine Zeit mehr zum Bewerbungen schreiben hat u.ä., taugt nicht viel. Manche Büros vereinbaren ausdrücklich eine Viertagewoche, um einem einen Tag für die Jobsuche freizuhalten – das halte ich für eine sehr gute Idee.
3) Ich habe immer gefunden, daß unbezahlte Praktika nie länger als einen Monat gehen sollten. In den ersten zwei Wochen investieren die in einen, in den zweiten zwei Wochen gibt man mit Arbeit zurück. In drei einmonatigen Praktika in verschiedenen Bereichen lernt man ungleich mehr als in einem dreimonatigen Praktikum am selben Platz!
4) Völlig verrückt fand ich die beiden Frauen, die ich einmal traf, von denen die eine sechs Monate gratis Praktikum beim DIHT und die andere neun Monate gratis Praktikum beim BDI gemacht hat, in der Hoffnung irgendwann einmal dem charmanten Unternehmer über den Weg zu laufen, der sie einstellte… Es gibt Organisationen, die so in Geld schwimmen, daß man wirklich nicht zu lange gratis für sie arbeiten sollen. Für das European Environment Bureau kann man das ruhig machen, aber doch nicht für den DIHT? In jedem Fall ist ein Praktikum immer unbezahlt, wenn vorher nichts anderes vereinbart wurde…
5) Erwartet nicht den Job fürs Leben. Die meisten Jobs hier sind an Projektmittel gebunden und gehen über einige Monate bis zu einigen Jahren. Der klassische Weg ist, sich hier von einem Job zum anderen zu hangeln, bis mal wieder ein Concours vor der Tür steht, dann auf das bereits erworbene Europawissen noch ein wenig Papierwissen dazu einzupauken und den Test bestehen. Ist alles machbar, keine Hexerei und mitnichten die Elite Europas, wenn die meisten Eurokraten sich auch dafür halten. Allerdings muß man das auch wollen. Willst Du wirklich Dein Leben als Rädchen einer schlechtgeölten Verwaltung zubringen? Dafür muß man schon ein Faible haben. Die Bezahlung ist so gut, daß viele, viele zu Tode gelangweilte und frustrierte Eurokraten den Absprung nicht wagen, weil sie überall anders weniger verdienen würden. Sie sitzen in der Falle… Leute, die nicht Eurokrat werden wollen oder den Test doch nicht bestanden haben, gehen häufig nach einigen Jahren wieder zurück nach Deutschland, wo sie (noch?) stabilere Jobs finden können und Europawissen händeringend gebraucht wird.
6) Ich habe mich von Anfang an mehr für Brüssel und Belgien als für Europa interessiert, deshalb hier natürlich auch ein Hinweis auf den – vom Europabusiness völlig getrennten – belgischen Arbeitsmarkt. Praktika sind da ziemlich unbekannt, die Leute aber meist sehr aufgeschlossen, wenn man ihnen das Prinzip erklärt. Natürlich sollte man dort französisch oder niederländisch oder am besten beide können :-) Interessante bezahlte Jobs werden in Belgien noch mehr als in Deutschland über Beziehungen vergeben. In Bereichen wo viel mehr Interessenten als Jobs da sind (z.B. im Kulturbereich), erfordert es einen langen Atem, um als AusländerIn einen Fuß in die Tür zu bekommen.
7) Noch zwei persönliche Tips: Unser geliebtes deutschsprachiges Käseblättchen, die Brüssel-Rundschau, nimmt regelmäßig PraktikantInnen (unbezahlt). Das ist ein ganz besonderer Job, da die Zeitschrift von so wenig Leuten gemacht wird, daß man als Praktikant den ganzen Produktionsprozeß mitmacht und neben gewissem Pflichtprogramm wie die Veranstaltungen der deutschen Länderbüros stark den eigenen Interessen folgen kann: Kulturveranstaltungen, politische Diskussionen, was auch immer – als Journalist ist man bevorrechtigt dabei, kann seiner Neugier freien Lauf lassen. Außerdem teile ich für KUBI das Büro mit der Rundschau, und finde es immer nett, interessante Praktikanten vorbeischneien zu sehen … Stadtplaner u.ä. mit guten Französischkenntnissen sollten sich mal bei meinem Brötchengeber ARAU melden, das deutschsprachige Programm könnte noch viel Marketing gebrauchen und parallel kann man lernen, wie in Brüssel Städtebau diskutiert wird.
auf bald, Malte