Wertewandel
“… Dabei stellte sich als wichtigster Befund heraus, dass es einen entscheidenden Unterschied gibt, der die Werte einer Gesellschaft bestimmt: einerseits Gesellschaften, in denen die Mitglieder aller Klassen oder Schichten, so arm sie im Vergleich zu anderen Angehörigen der Gesellschaft auch sein mögen, ihr Überleben für gesichert halten, und andererseits Gesellschaften, in denen dies nicht der Fall ist. Die Scheidemarke liegt bei rund 10000 Dollar jährlichem Pro-Kopf-Einkommen. Diese Erkenntnis stammt von dem amerikanischen Soziologen Ronald Inglehart …
Wo der individuelle Job entweder keine ausreichende Sicherheit bietet oder gar nicht erst vorhanden ist, zählt das Kollektiv mehr als das Individuum – denn nur das Kollektiv garantiert das Überleben. Dieses Kollektiv ist in der Regel, weltweit an erster Stelle, die Familie. …
Der Wertewandel hinkt … der ökonomischen Entwicklung immer um mehrere Generationen hinterher …
Falls die Türkei in den kommenden Jahren weiterhin hohe wirtschaftliche Wachstumsraten aufweisen und die Gesellschaft insgesamt reicher werden wird, während die wirtschaftliche Entwicklung in den bisher reichsten Ländern der EU weiter stagniert, ist anzunehmen, dass ein relevanter Teil der türkischen Gesellschaft sich bald an die Mehrheit der Menschen innerhalb der EU anpassen wird …”
aus: Jürgen Gottschlich / Dilek Zaptcioglu: Das Kreuz mit den Werten. Über deutsche und türkische Leitkulturen. Hamburg: Körber 2005, S. 44-87.
12/07