Gegner
“Während der Antagonismus eine Wir-Sie-Beziehung ist, in der sich Feinde ohne irgendeine gemeinsame Basis gegenüberstehen, ist der Agonismus eine Wir-Sie-Beziehung, bei der die konfligierenden Parteien die Legitimität ihrer Opponenten anerkennen, auch wenn sie einsehen, daß es für den Konflikt keine rationale Lösung gibt. Sie sind ‘Gegner’, keine Feinde. … Als Hauptaufgabe der Demokratie könnte man die Umwandlung des Antagonismus in Agonismus ansehen.
Aus diesem Grund, ist der ‘Gegner’ ein für demokratische Politik entscheidender Begriff. Das Modell der Gegnerschaft ist als für die Demokratie konstitutiv anzusehen … Die Entstehung antagonistischer Konflikte ist so lange unwahrscheinlich, wie für widerstreitende Stimmen legitime agonistische Artikulationsmöglichkeiten existieren. …
Ich möchte betonen, daß mein Verständnis vom Begriff des ‘Gegners’ scharf von dem gleichlautenden Begriff im liberalen Diskurs unterschieden werden muß. … Für die Liberalen ist ein Gegner lediglich ein Konkurrent. Das Feld der Politik ist für sie ein neutrales Terrain, auf dem verschiedene Gruppen um die Machtpositionen kämpfen, mit dem alleinigen Ziel, andere zu vertreiben, um ihren Platz einzunehmen. Sie … versuchen nicht, die Machtverhältnisse grundlegend zu verändern. Politik ist für sie nur ein Wettstreit zwischen Eliten.
… [Der agonistische Kampf] ist ein Kampf zwischen unvereinbaren hegemonialen Projekten, die niemals rational miteinander versöhnt werden können. … Es ist eine reale Konfrontation, die … durch eine Reihe demokratischer, von den jeweiligen Gegnern akzeptierten Verfahrensweisen reguliert wird. …
[Elias Canetti:] ‘ … Der Gegner der überstimmt wird, fügt sich keineswegs, weil er nun plötzlich an sein Recht nicht mehr glaubt; sondern er gibt sich einfach geschlagen.'”
aus: Chantal Mouffe: Über das Politische. Wider die kosmopolitische Illusion. Frankfurt(Main): Suhrkamp 2007 (Engl. Orig.-Ausg. 2005), S.29-33.
01/08