Linksliberalismus
“War schon die Verbindung von links und liberal eine spannende Angelegenheit, so ist der Linksneoliberalismus, in dem sich offenkundig ganze Szenen und Schichten eingerichtet haben, nur in einer Blase zu ertragen, in der sich politische Ohnmacht, ökonomische Korruption und kulturelle Privilegien mit einer beständigen Performance der eigenen moralischen Überlegenheit verbinden lässt.
In dieser Blase scheint man vordringlich damit beschäftigt, die Werte des neuen und alten Liberalismus in Sprach- und Zeichennormen zu verwandeln. …
Das ‘links’ hatte einst die Gefahr einer Leninisierung mit sich gebracht, … und nun zeigt das ‘liberal’ in linksliberal die Gefahr einer Calvinisierung: Die Gemeinde wird zu einem Instrument der wechselseitigen Überwachung und Maßregelung. …
Das ist keineswegs auf … Gendern, Canceln und dergleichen beschränkt … Die Calvinisierung der postlinksliberalen Milieus geht tiefer. Sie bringt das gegenseitige Misstrauen, die Furcht vor intellektueller ‘Ausgelassenheit’ und ein unangenehmes Eiferertum hervor.
Wo man sich zuvor über die gemeinsamen Werte freute, fühlt man sich nun von den Normen unterdrückt. … Mit einer Norm kann man keinen Wert erzeugen. Nur die Entscheidung zwischen Unterwerfung und Trotz. … Das linksliberale Milieu, unser Milieu, braucht dringend frische Luft.”
aus: Georg Seeslen: Korrumpierte Linksliberale: Frische linke Luft braucht’s, taz online, 10.11.22, im Internet.
11/22
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