“globaler Süden”
“Mit welchem Recht lehnt man Wladimir Putins Nichtanerkennung der Ukraine ab, hält aber die Nichtanerkennung Israels durch die BDS-Aktivisten und andere Akteure aus dem ‘globalen Süden’ für akzeptabel?
Weil Israel ein jüdischer Staat ist? …
Nein, natürlich nicht, kommt die empörte Antwort, sondern weil wir mit dem ‘globalen Süden’ solidarisch sein wollen. Doch merkwürdigerweise wird mit dem ‘globalen Süden’ nie jener Teil der Welt gemeint, der gute Beziehungen zu Israel unterhält: Ganz Lateinamerika etwa, außer Venezuela und Kuba; ein Großteil der Länder Afrikas inklusive der islamischen Staaten Marokko, Sudan und Ägypten; die volkreichsten Staaten der Erde Indien und China; die Staaten Indochinas, Süd-Korea, Japan und viele andere.
Der ‘globale Süden’ ist ein ideologischer Begriff, der selbsternannte Vertreter jener Länder und Völker meint, die von linkem Kongress zu linkem Kongress oder wie die indonesische Gruppe ruangrupa, die zurzeit die Documenta – selbstverständlich ohne israelische Künstlerinnen – kuratiert, von Kunstschau zu Kunstschau jetten und aus dem schlechten Gewissen der Privilegierten ein Geschäft machen.
Mit der realen Welt hat der imaginierte ‘globale Süden’ so viel zu tun wie Israel mit einem kolonialen Apartheidstaat, nämlich nichts. Gewiss, es gibt die ‘untere Milliarde’, wie der britische Ökonom Paul Collier die von der gewaltigen Aufwärtsentwicklung der früheren ‘Dritten Welt‘ in den letzten 50 Jahren abgehängten Menschen in Staaten wie der Demokratischen Republik Kongo nennt. Doch diejenigen, die sich als Vertreter des ‘globalen Südens’ ausgeben und denen zuliebe wir unsere Werte, Erfahrungen und Normen ‘kritisch zur Disposition stellen’ sollen, haben keine Vorschläge anzubieten, wie diesen Menschen zu helfen wäre.
Keine.
Denn das Problem ist nicht etwa, dass unser Reichtum von der Armut dieser Menschen bedingt wäre. Das Problem ist, dass unser Reichtum völlig unabhängig von ihnen im Handel etwa mit Ländern wie China, Korea, Vietnam, Indien oder Bangladesch generiert wird, die nicht zuletzt durch den Welthandel einen Weg aus der Armut gefunden haben. Schon gar nicht aber ist das Problem der ‘unteren Milliarde’ der jüdische Staat mit seinen 6 Millionen Juden; schon gar nicht werden von den Juden in Israel, wie etwa Mbembe behauptet, die Techniken entwickelt, die bald überall im imaginierten globalen Süden zur Unterdrückung des Widerstands angewendet werden.
Wenn es eine Ideologie gibt, die der Emanzipation der unteren Milliarde im Wege steht, dann ist es die Ideologie des Antizionismus, so wie der Antisemitismus in den 1920er und 1930er Jahren der Emanzipation der Arbeiterklasse im Weg stand. Auch deshalb muss sie zusammen mit dem Postkolonialismus endlich kritisiert statt hofiert werden.”
aus: Alan Posener: Besteht der ‘globale Süden’ nur aus Judenhassern?, starke meinungen de, 18.6.22, im Internet.
Abb.: Dubai, im Internet.
12/23
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