Selbstbeherrschung
“… Ich sah unter Barock nach und fand Paul Fleming:
…
Was dich betrübt und labt, halt alles für erkoren,
Nimm dein Verhängnis an, laß alles unbereut
.…
Und eh du förder gehst, so geh in dich zurücke.
Wer sein selbst Meister ist und sich beherrschen kann,
Dem ist die weite Welt und alles untertan.
…
Typisch deutsch, sagte Francesco. Erst wollt ihr euch selbst, dann gleich die ganze Welt beherrschen, und Karl … sagte, ‘untertan’ sei dasjenige deutsche Wort, das er am meisten hasse … Auf englisch, sagte er, könnte man das gar nicht sagen: ‘untertan’. Wir lasen in der Übersetzung nach, da stand: The man who is master of himself and can control himself has the whole world and what is in it at his feet.
Na bitte, sagte Francesco. Das ist der entscheidende Unterschied: Ob du die Welt beherrschen willst oder ob sie dir zu Füßen liegt. Ja aber, sagte ich, sich selbst beherrschen sei doch nicht tadelnswert! Eben doch! schrie Francesco. Eure Selbstunterdrückung bringt ja das ganze Unglück hervor! Und dein Verhängnis annehmen – das fehlte noch!”
aus: Christa Wolf: Die Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud, Berlin: Suhrkamp 2010, S.156/157.
Abb.: Syagini Ratna Wulan: Catharsis, 2015, indoartnow, im Internet.
05/13