MALTE WOYDT

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Zwischenkriegszeit

“Völlig willkürlicherweise behauptet man …, daß Kriege ein abnormales Vorkommnis im Lebenshaushalt der Menschheit seien, da sie doch im Buch der Geschichte auf jeder Seite verzeichnet stehen als ein nicht weniger normales, ja vielleicht normaleres Ereignis denn der Friede. Der Krieg strengt an, aber er erschöpft nicht; er ist eine natürliche Funktion, auf welche der Organismus der Menschheit eingerichtet ist. …

Die Erschöpfung, die sich Europas bemächtigt hat, ist …. sehr verdächtig. Denn es handelt sich nicht darum, daß ihm der Wiederaufbau mißlänge, den es vorhat; das Merkwürdige an der Sache ist, daß es ihn gar nicht vorhat. … Das beredste Zeichen der Zeit ist meiner Meinung, daß für ganz Europa das Morgen keine Verheißung birgt. … Das ist noch nie in Europa geschehen. Noch über den heftigsten und traurigsten Krisen stand mit dem tröstlichen Schein neuer Hoffnung der Umriß eines begehrenswerteren Daseins.

Heute verwirft der Europäer das Vorhandene … Aber was wünscht er sich statt … [seiner]? Im heutigen Europa wird nicht gewünscht. … Europa leidet an einem Ermatten seiner Wunschfähigkeit, das man nicht dem Krieg zuschreiben kann.”

aus: José Ortega Y Gasset: Aufbau und Zerfall einer Nation. Vorwort zur zweiten Auflage 1922. Stuttgart: DVA 1952, S.60-61.

Abb.: aus: Frans Masereel, die Stadt, 1925.

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10/07/2014 (22:18) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

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