Utopien
“Zu skandalisieren, was ist, ist ein wichtiger Schritt, um überhaupt eine andere Welt denken zu können. Was ich schwierig finde, ist, wenn man bei diesem ersten Schritt verweilt. Die Skandalisierung der Welt muss einhergehen mit dem Öffnen des Blickes dafür, was stattdessen sein könnte. Ohne das verfallen wir in Ohnmacht. Wer schon einmal mit Menschen gesprochen hat, die in Kriegsgebieten leben mussten, weiß: Es ist nicht so, dass die Menschen dort die ganze Zeit unglücklich vor sich hinvegetieren. Da findet Freude statt und Tanz und Kunst – trotz allem. Menschen sind adaptiv, sie können trotz widrigster Umstände Schönheit erschaffen. Das zeigt uns, wie Widerständigkeit auch aussehen kann. …
Einer Vision wie der von Elon Musk – etwa die Besiedlung des Mars, im Grunde eine Dystopie – wird nicht konsequent mit Abwehr begegnet, stattdessen zieht sie gar Milliardeninvestitionen an. Da frage ich mich: Warum gilt es als utopisch, also unmöglich, über eine Welt ohne Grenzen, Polizei und Gefängnisse nachzudenken, während ein Businessplan zur Bevölkerung des Mars als realistisch betrachtet wird? Diese Diskrepanzen zeigen, dass wir absichtlich realistische Ideen als utopisch abtun. Dabei sind sie darüber hinaus dringend notwendig. …”
aus: Kübra Gümüşay: Wir leben in einer realen Dystopie, interviewt durch Theresa Leisgang und Larry Faust, taz online, 22.12.24, im Internet.
12/24
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