MALTE WOYDT

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DER SPIEGEL

“Unter der Drapierung durch … [den SPIEGEL-]Jargon sind weder die Züge Goethes noch die von Dylan Thomas wiederzuerkennen. … Was den SPIEGEL-Text von jeder anderen Fassung des Sachverhaltes unterscheidet, ist … nicht nur dessen Trübung durch Jargon und verstecktes Vorurteil, sondern auch seine angestrebte Humorigheit. …

Story und Nachricht schließen einander aus. … Sein Ruf als der eines wohlunterrichteten Blattes hat darunter nicht gelitten. Das mag … daran liegen, daß sich DER SPIEGEL die Informationen, die er verarbeitet allerhand kosten läßt. …

Die Spezialisten im SPIEGEL-Archiv sind im Grunde die einzigen, die vermöge ihres Trainings in der Lage sind, den Informationsgehalt des Blattes zu analysieren. … Als falsch gilt in diesem Verstand nur eine Behauptung, die zu einem Rechtsstreit führen kann, der für die Zeitschrift aussichtslos wäre. …
[Wer meint], Informationen von öffentlichem Interesse ließen sich nur zwischen den Zeilen publizieren, … hält Zensur für eine Selbstverständlichkeit und hat sich mit ihr schon abgefunden. …

Das Blatt hat keine Position. Die Stellung, die es von Fall zu Fall zu beziehen scheint, richtet sich eher nach den Erfordernissen der Story, aus der sie zu erraten ist; als deren Pointe. … Wer nicht bereit ist, Stellung zu beziehen … der schränkt seine Kritik von vorneherein auf bloße Taktik ein. … Was dem SPIEGEL an kritischer Potenz fehlt, versucht er durch inquisitorische Gestik zu ersetzen. …

Moralisch entlastet das Verfahren den Konsumenten. … Intellektuell klärt es ihn über seinen faktischen Zustand, den der Ignoranz, keineswegs auf. …

  1. Die Sprache des SPIEGEL verdunkelt, wovon sie spricht.
  2. Das deutsche Nachrichtenmaganzin’ ist kein Nachrichtenmagazin.
  3. DER SPIEGEL übt nicht Kritik, sonden deren Surrogat.
  4. Der Leser des SPIEGEL wird nicht orientiert, sondern desorientiert.

Jedes Volk … verdient die Presse, die es nötig hat. Daß wir ein Magazin vom Schlage des SPIELGEL nötig haben, spricht nicht für das Blatt, das die Masche zu seiner Moral gemacht hat; es spricht gegen unsere Presse im ganzen, gegen den Zustand unserer Gesellschaft überhaupt; es spricht mit einem Wort, gegen uns.”

aus: Hans Magnus Enzensberger: Die Sprache des “SPIEGEL”. [1957], hier zitiert nach: H. Mayer: Deutsche Literaturkritik, Bd.4, Frankfurt(Main) 1983, S.544-566.

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07/10/2007 (22:53) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

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