Stämme
“Die (koloniale) Regel war, dass jede und jeder Einheimische einem ‘Stamm’ angehören und jeder dieser Stämme einen absoluten Herrscher haben müsse. Er oder sie konnte kein freies Individuum sein und musste sich den Bräuchen seines sogenannten ‘Stammes’ unterwerfen. Die Volksgruppen hatten dabei keine Gesetze, nur Bräuche, und diese Bräuche wurden durch die Kolonialverwaltung durchgesetzt, die sie den ‘Einheimischen’ zuschrieb. Man sieht also, dass das, was wir manchmal unsere Tradition nennen, bereits eine manipulierte Tradition ist. …
In der letzten Zeit wurde die Vorstellung von ‘allogenen’ und ‘autochtonen’ Völkern wiederbelebt und ist seitdem in den politischen Sprachgebrauch Kameruns eingegangen. Eine ‘autochtone’ Person ist jemand, der den Raum bewohnt, in dem der Kolonialherr ihn bzw. seine Vorfahren antraf, entsprechend seinen sogenannten ‘Stamm’ lokalisierte und den Ort dieser Gruppe als ihr einziges legitimes Territorium zuwies. … [Heute muss] eine ‘allogene’ Person … seinen Platz als Bürgermeister zugunsten einer ‘autochtonen’ Person räumen. Das alles sind die verwirrenden Konsequenzen einer Fehlkonzeption von Identität, die eigentlich ein Produkt der Kolonisation ist …”
aus: Fabien Eboussi Boulaga: Wenn wir den Begriff “Entwicklung” akzeptieren, sind wir verloren. Von der Notwendigkeit einer gegenseitigen “Dekolonisierung” unseres Denkens. In: Franziska Dübgen / Stefan Skupien: Afrikanische politische Philosophie. Berlin: Suhrkamp 2015, S.119/120.
Abb: Fashion Designer Kepha Mainas East Africa Types collection, The Nest Collective, Kenya, Not African Enough, im Internet.
07/17