MALTE WOYDT

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LOGIE

Imperium

“Imperien sind mehr als große Staaten; sie bewegen sich in einer ihnen eigenen Welt. Staaten sind in eine Ordnung eingebunden, die sie gemeinsam mit anderen Staaten geschaffen haben und über die sie daher nicht allein verfügen. Imperien dagegen verstehen sich als Schöpfer und Garanten einer Ordnung, die letztlich von ihnen abhängt und die sie gegen den Einbruch des Chaos, der für sie eine stete Bedrohung darstellt, verteidigen müssen. …

Unser Bild von Imperien ist durch die Vorstellung geprägt, dass die Peripherie von ihnen ausgesaugt und ausgebeutet werde. Sie verarme, und das Zentrum werde immer reicher. Tatsächlich hat es solche Imperien stets gegeben, aber sie waren nur von kurzer Dauer. … Dagegen hatten diejenigen Imperien eine längere Dauer, die in ihre Randbereiche investierten und so dafür sorgten, dass die Peripherie schließlich am Fortbestand des Imperiums ebenso interessiert war wie das Zentrum. …

Imperien kennen keine Nachbarn, die sie als Gleiche – und das heißt: als gleichberechtigt – anerkennen; bei Staaten hingegen ist das die Regel. … Staaten gibt es stets im Plural, Imperien meist im Singular. …

Während Staaten nicht zuletzt infolge der direkten Konkurrenz mit den Nachbarstaaten ihre Bevölkerung gleichermaßen integrieren – und das heißt vor allem: ihnen gleiche Rechte gewähren, ob sie nun im Kerngebiet des Staates oder in den Grenzregionen lebt -, ist dies bei Imperien nicht der Fall: Fast immer gibt es hier ein vom Zentrum zur Peripherie fortlaufendes Integrationsgefälle, dem zumeist eine abnehmende Rechtsbindung und geringer werdende Möglichkeiten korrespondieren, die Politik des Zentrums mitzubestimmen. …

Die Übergänge zwischen hegemonialer Vorherrschaft und imperialer Herrschaft [sind] fließend … . Dennoch ist es sinnvoll, beide voneinander zu unterscheiden. Hegemonie ist danach Vorherrschaft innerhalb einer Gruppe formal gleichberechtigter politischer Akteure; Imperialität hingegen löst diese – zumindest formale – Gleichheit auf und reduziert die Unterlegenen auf den Status von Klientelstaaten oder Satelliten. …

Die meisten Imperien verdanken ihre Existenz einem Gemisch von Zufällen und Einzelentscheidungen, die oftmals auch noch von Personen getroffen wurden, welche dafür politisch gar nicht legitimiert wurden … Es gibt zweifellos eine imperiale Dynamik, die aus dem Zentrum zur Peripherie drängt und den eigenen Machtbereich immer weiter expandiert; daneben ist jedoch ein von der Peripherie ausgehender Sog zu bemerken, der ebenfalls zur Ausdehnung des Herrschaftsbereiches führt. …

[Um ein Gebilde Imperium nennen zu können muss es] mindestens einen Zyklus des Aufstiegs und Niedergangs durchschritten und einen neuen angefangen haben … . Das Kriterium des längeren Bestehens eines Imperiums wird damit an der institutionellen Reform– und Regenerationsfähigkeit festgemacht, durch die es sich gegenüber den charismatischen Qualitäten seines Gründers (oder der Gründergeneration) verselbstständigt. … Deutschland und Frankreich [sind demnach] … Beispiele für failed empires …

Die Kontrolle des Handels kann ebenso eine Quelle imperialer Macht sein wie die Beherrschung von Gebieten und Räumen. …

Aufschlussreicher als der multiethnische beziehungsweise multinationale Charakter von Imperien ist der Umstand, dass es für die Zentralmacht innerhalb der von ihr beherrschten imperialen ‘Welt’ offenbar einen Zwang zur politischen und militärischen Intervention gibt. … Nur innerhalb einer ‘Welt’-Ordnung, die vom Staatenmodell geprägt ist, besteht eine … Neutralitätsoption. Ein Imperium dagegen, das bei Konflikten innerhalb seiner ‘Welt’ oder an deren Peripherie fortgesetzt neutral bleibt, verliert zwangsläufig seinen imperialen Status. …

[Wer] nach der Logik des Imperiums und den aus ihr erwachsenden Handlungsimperativen fragt, [misst] den Einflüssen und Entscheidungen von Personen eine geringere Bedeutung zu. …

Die Logik des Imperiums weiß moralische Glaubwürdigkeit sehr wohl als Machtfaktor einzusetzen, aber sie würde sich nie selber an ihr messen lassen. …”

aus: Herfried Münkler: Imperien. Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten. Berlin: Rowohlt 2005, S.8-34.

Abb.: León Ferrari: La civilisatión Occidental y Cristiana, 1965.

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26/07/2017 (23:45) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

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