MALTE WOYDT

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Stasi

“… Aber was war das schleichende Gift, das du aus diesen Akten einatmetest und das dich so lähmte? Damals konntest du es nicht benennen. jetzt weiß ich: Es war die brutale Banalisierung eures Lebens auf diesen hunderten von Seiten. Die Gewöhnlichkeit, mit der diese Leute euer Leben ihrer Sichtweise anpaßten. Selbst wenn die Tatsachen gestimmt hätten, über die die Observanten berichteten und die die Führungsoffiziere von Zeit zu Zeit zusammenfaßten – was keineswegs immer der Fall war, sie mußten ja den Interessen und Erwartungen der Auftraggeber angepaßt werden -, selbst dann stimmte nach meinem Empfinden nichts. Wenn ich irgend etwas gelernt habe bei der Lektüre dieser Berichte, dann, was Sprache mit der Wirklichkeit anstellen kann. Es war die Sprache der Geheimdienste, der sich das wirkliche Leben entzog. Ein Insektensammler, der seine Objekte aufspießen will, muß sie vorher töten. Der Tunnelblick des Spitzels manipuliert sein Objekt unvermeidlicherweise, und mit seiner erbärmlichen Sprache besudelt er es. Ja, sagte ich zu Francesco, das war es, was ich damals empfand: Ich fühlte mich besudelt. …

So wäre es dir lieber gewesen, sagte Francesco, ihr hättet intelligente, womöglich feinfühlige Informanten auf eurer Spur gehabt?”

aus: Christa Wolf: Die Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud, Berlin: Suhrkamp 2010, S.183/184.

Abb: Yannis Gaitis: Men in hats, im Internet.

05/13

14/05/2013 (23:03) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Mitgefühl

“Ich weiß noch, wie ich als Kind manchmal in meinem Bett lag, und mich fragte, wie ich die Nachrichten von dem Leid, das anderen Menschen andauernd zugefügt wurde, und die Angst vor eigenen Verletzungen ein ganzes Leben lang aushalten sollte. Da wußte ich noch nicht und hätte es nicht geglaubt, daß Mitgefühl sich abschwächen kann, wenn es übermäßig beansprucht wird. Daß es nicht in der gleichen Menge nachwächst, wie es ausgegeben wird. Daß man, ohne es zu wissen und zu wollen, Schutztechniken entwickelt gegen selbstzerstörerisches Mitgefühl.”

aus: Christa Wolf: Die Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud, Berlin: Suhrkamp 2010, S.69.

05/13

13/05/2013 (9:58) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Staunen

“… Wie eben manchen Menschen Staunen unheimlich ist. Man soll sich nicht, besonders nicht, wenn man Gäste hat, in seiner eigenen Wohnung umsehen, als wäre sie einem todfremd, als könnten die Möbel jeden Augenblick Beine kriegen und die Wände Löcher.”

aus: Christa Wolf: Nachdenken über Christa T.. Neuwied/Berlin: Luchterhand 1969 (Orig.-Ausg. Halle 1968), S.178.

02/13

25/02/2013 (17:20) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

weggehen

“Christa T. ging dann doch. Sie hat diesen Vorgang – wegzugehen – später noch öfter wiederholt, dahinter verbirgt sich ein Muster, schon ablesbar beim erstenmal: hinter sich lassen, was man zu gut kennt, was keine Herausforderung mehr darstellt. Neugierig bleiben auf die anderen Erfahrungen, letzten Endes auf sich selbst in den neuen Umständen. Die Bewegung mehr lieben als das Ziel. – Die Nachteile einer solchen Natur für ihre Umgebung und für sie selbst liegen auf der Hand.”

aus: Christa Wolf: Nachdenken über Christa T.. Neuwied/Berlin: Luchterhand 1969 (Orig.-Ausg. Halle 1968), S.54.

02/13

25/02/2013 (10:13) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Emanzipation 2

“Das lebendige Gedächtnis wird der Frau entwunden, ein Bild, das andre von ihr sich machten, wir ihr untergeschoben: der entsetzliche Vorgang der Versteinerung, Verdinglichung am lebendigen Leibe. zu den Sachen gehört sie nun, zu den Res mancipi – wie Hauskinder, Sklaven, Grundstücke, Großvieh -, die der Besitzer durch die Mancipatio, ein Rechengeschäft, einem anderen übertragen kann, der seinerseits sie ‘manu capere’, mit der Hand erfassen, der Hand auf sie legen kann. Die Emancipatio aber, die Entlassung aus der Gewalt des Pater familias, war lange nur für die Söhne vorgesehen, und als das Wort endlich, als ‘Emanzipation‘ auf Frauen angewendet wurde (heute noch häufig pejorativ: Du bist wohl eine Emanze?), da hat man – und Frau – diesen Begriff, dessen revolutionären, radikaler Sinn störte und stört, im Sinn von ‘Gleichberechtigung’ gebraucht, heruntergespielt und mißverstanden.

Ahnt man, ahnen wir, wie schwer, ja wie gefährlich es sein kann, wenn wieder Leben in die ‘Sache’ kommt; wenn das Idol sich wieder zu fühlen beginnt; wenn ‘es’ die Sprache wieder findet? Als Frau ‘Ich‘ sagen muß?”

aus: Christa Wolf: Kassandra. Berlin: Aufbau 1990, S.195/196

Abb.: Mary Sibande: They don’t make them like they used to, 2008/2019, im Internet.

02/13

20/02/2013 (22:09) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Buddhismus

“Wie töricht und hoffnungslos wäre einer, der vom Weg seines Lebens abwiche, um Gott zu suchen: ob er auch alle Weisheit der Einsamkeit und alle Macht der Sammlung gewänne, ihn verfehlte er. …

Alle Versenkungslehre gründet in dem gigantischen Wahn des in sich zurückgebognen menschlichen Geistes: er geschehe im Menschen. In Wahrheit geschieht er vom Menschen aus – zwischen dem Menschen und Dem, was nicht er ist. Indem der zurückgezogene Geist diesem seinen Sinn, diesem seinen Beziehungssinn abgsagt, muß er Das, was nicht der Mensch ist, in den Menschen hineinziehen, er muß Welt und Gott verseelen. Dies ist der Seelenwahn des Geistes. …

Wer … seine Haltung nur ‘erlebt’, nur in der Seele vollzieht, der mag noch so gedankenvoll sein, er ist weltlos – und alle Spiele, Künste, Räusche, Enthusiasmen und Mysterien, die sich in ihm begeben, rühren an die Haut der Welt nicht. Solang sich einer nur in seinem Selbst erlöst, kann er der Welt weder Liebes noch Leides tun, er geht sie nicht an. Nur wer an die Welt glaubt, bekomt es mit ihr selbst zu tun …

Wir … wollen das heilige Gut unserer Wirklichkeit, das uns für dieses Leben, und vielleicht für kein anderes, wahrheitsnäheres, geschenkt ist, heilig pflegen. … in der gelebten Wirklichkeit gibt es kein Denkendes ohne Gedachtes … Ein Subjekt, das sich des Objekts enthebt, hebt sich als wirkliches auf.”

aus: Martin Buber: Ich und Du. Heidelberg: Schneider 1958, S.72/73, 83, 84, 80 [hier in dieser Reihenfolge zusammengestellt]

Abb.: Lisa Teo Cheng Yen: Inner Peace, gallery1819, im Internet.

12/12

22/12/2012 (1:12) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Verhängnis

“Das biologistische und das historiosophische Denken dieser Zeit haben, so verschieden sie sich sahen, zusammengewirkt, um einen Glauben an das Verhängnis herzustellen, zäher und beklommener, als je einer bestand. … Es gilt als töricht, sich eine Freiheit zu imaginieren; man habe nur die Wahl zwischen resolutem und aussichtslos rebellischem Sklaventum. …

[Dabei ist] das einzige, was dem Menschen [wirklich] zum Verhängnis werden kann, … der Glaube an das Verhängnis [selbst]: er hält die Bewegung der Umkehr nieder.

Der Glaube an das Verhängnis ist ein Irrglaube von Anbeginn … vom Glauben an die Unfreiheit frei zu werden heißt frei werden.”

aus: Martin Buber: Ich und Du. Heidelberg:  Schneider 1958, S.52/53

Abb.: Kirchenfenster Saint-Dié.

12/12

22/12/2012 (0:57) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Liebe 2

“Gefühle begleiten das metaphysische und metapsychische Faktum der Liebe; aber sie machen es nicht aus; und die Gefühle, die sie begleiten, können sehr verschiedener Art sein. … Gefühle werden ‘gehabt’; die Liebe geschieht. Gefühle wohnen im Menschen; aber der Mensch wohnt in seiner Liebe. Das ist keine Metapher, sondern die Wirklichkeit: die Liebe haftet dem Ich nicht an, so daß sie das Du nur zum ‘Inhalt’, zum Gegenstand hätte; sie ist zwischen Ich und Du. … Liebe ist ein welthaftes Wirken. … Liebe ist Verantwortung eines Ich für ein Du: hierin besteht, die in keinerlei Gefühl bestehen kann, die Gleichheit aller Liebenden, vom kleinsten bis zum größten und von dem selig Geborgenen, dem sein Leben in dem eines geliebten Menschen beschlossen ist, zu dem lebenslang ans Kreuz der Welt geschlagenen, der das Ungeheure vermag und wagt: die Menschen zu lieben.”

aus: Martin Buber: Ich und Du. Heidelberg: Schneider 1958, S.18

Abb.: Marc Chagall: Lovers near Bridge, 1948, im Internet.

12/12

22/12/2012 (0:38) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Gegenwart 2

“… die eigentliche Grenze … führt weder zwischen Erfahrung und Nichterfahrung, noch zwischen Gegebenem und Ungegebenem, noch zwischen Seinswelt und Wertwelt hin, sondern … zwischen Gegenwart und Gegenstand.

Gegenwart … gibt es nur insofern, als es Gegenwärtigkeit, Begegnung, Beziehung gibt. Nur dadurch, daß das Du gegenwärtig wird, entsteht Gegenwart.

… insofern der Mensch sich sich an den Dingen genügen läßt, die er erfährt und gebraucht, lebt er in der Vergangenheit, und sein Augenblick ist ohne Präsenz. Er hat nichts als Gegenstände; Gegenstände aber bestehen im Gewesensein.

Gegenwart ist nicht das Flüchtige und Vorübergleitende, sondern das Gegenwartende und Gegenwährende. Gegenstand ist nicht die Dauer, sondern der Stillstand, das Innehalten, das Abbrechen, das Sichversteifen, die Abgehobenheit, die Beziehungslosigkeit, die Präsenzlosigkeit. Wesenheiten werden in der Gegenwart gelebt, Gegenständlichkeiten in der Vergangenheit.”

aus: Martin Buber: Ich und Du. Heidelberg:  Schneider 1958, S.16

12/12

22/12/2012 (0:30) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

“Oorspronkelijke bewoners”

Gentrificatie of niet is een foute discussie. Natuurlijk moet er veel meer goedkoop woonruimte komen, maar het hoeft daarvoor toch niet, verpauperde wijken verder te laten verpauperen? De stad is altijd in beweging. Wijken klimmen of dalen sociaal. Niets is normaler dan dat. Welke tussenstand in die beweging wordt als “normaal” beschouwd, de bewoners uit welk jaar als “oorspronkelijke” bewoners? 1970? 1930? 1870? 1560?

Als men de ideologie van de “oorspronkelijke” bewoner doortrekt, mogen in de Begijnhofwijk enkel nog begijntjes komen wonen. Tussen Vlaamse Steenweg en KVS enkel nog kooplieden en havenarbeiders, in Oud-Molenbeek enkel nog metaal-arbeiders en rond het Egmontpark enkel nog mensen uit de hoge adel en hun bedienden.

Een commentaar van mij op www.brusselnieuws, 5.12.12

12/12

06/12/2012 (1:42) Schlagworte: NL,Notizbuch ::
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