MALTE WOYDT

HOME:    PRIVATHOME:    LESE- UND NOTIZBUCH

ANGE
BOTE
BEL
GIEN
ÜBER
MICH
FRA
GEN
LESE
BUCH
GALE
RIE
PAM
PHLETE
SCHAER
BEEK
GENEA
LOGIE

Machocultuur

“Daar liepen we dan, honderden leerlingen van Antwerpens monsterschool, allemaal blank en tegen racisme, scanderend van “Vlaams Blok, rot op!” en “Nie wieder Faschismus!” Gezellig. In de buurt liepen Marokkaanse jongeren van onze leeftijd. Het was de eerste keer dat ik ze van zo dichtbij zag.

Nou, dat was schrikken. Energiek dat ze waren! Ze renden door de rangen von de betoging en deden aan schaduwboksen, nepworstelen en schijnkarate. En ze liepen in zulke grote groepen! Ik had een of twee vrienden bij me, met wie ik rustig praatte en af en toe slogans riep. Zij waren met zijn twintigen, dertigen tegelijk, allemaal jongens (waar waren de meisjes?), en het leek alsof ze elk moment echt konden gaan vechten.

Wij waren blanke jongen uit de middenklasse. Wij hadden ouders die opgegroeid waren in de jaren zestig. Wij hadden niet geleerd om te gaan met die cultuur van mannelijkheid, fysieke kracht en opzichtige seksualiteit. Wij hadden geleerd dat mannelijkheid iets was waar je zeer mondjesmaat mee omsprong, iets dat leidde tot oorlog, moord en verkrachting. Onbewust minachten we het luidruchtige van de Marokkanen, hun brallerige haantjesgedrag.

Ik had het echt moeilijk, die dag. Ik was zestien en voorzitter van het zelf opgerichte Anti-Macho-Comité. Ik was schrijver van de brochure “De Macho. Herkenen en Ontwijken”. Ik had ze gekopieerd in vijftig exemplaren en op school uitgedeeld. (Oké, ik was raar.) En hier liep ik, op een betoging ter verdediging van macho’s!”

aus: Tom Naegels: Los. Antwerpen/Amsterdam: Meulenhoff/Manteau, 2005, S.78/79

04/10

19/12/2010 (12:03) Schlagworte: Lesebuch,NL ::

Antiquariatsbesucher

“Unsereiner fragt nicht in den Antiquariaten, was zu finden ist, unsereins findet – oder eben nicht. Gespräche mit den Menschen schon, aber nicht gleich und schon gar nicht über das, wonach man Ausschau hält. Hier sind wir Konkurrenten. Der eine möglichst einen guten Preis erzielen, der andere seine Trouvaille machen, und wenn überhaupt, dann verrät man seine Freude erst nach dem Kauf. Ansonsten gilt es, Ruhe zu bewahren, sich die Zeit zu geben. um ohne Hast die Regale so zu durchstöbern, zum wiederholtenmal die Raffinessen der Impressionsvermerke zu überprüfen und, in den überwiegenden Fällen, die zweite, dritte oder wievielte Ausgabe auch immer ins Regal zurückzustellen und den Glauben zu bewahren, daß die Originalausgabe sich schon noch finden läßt und dann zu einem Preis, der einem das Gefühl gibt, der Sieger dieses verschwiegenen Wettkampfes zu sein. Weil man sich in diesem bestimmten Segment der Literatur eben besser auskannte oder weil auch dem Antiquar einmal bei den Preisauszeichnungen die Zeilen des Impressums vor den Augen verschwammen. …

Es ist kein Diebstahl, gelegentlich mehr zu wissen als der Verkäufer, es ist immer ein Spiel. Der Antiquar kauft in “Losen” und bietet einen Preis fürs Ganze, er kauft bei jenem, der’s wieder loswerden will. Es ist seine Profession, die Ware zu kennen und einen angemessenen Preis festzusetzen. Es ist die Obsession des Sammlers, seiner Sucht die notwendige Würze zu geben. Bei alten Büchern gilt wie bei allem, was man sammeln kann: Dem einen ist das Objekt mehr wert als dem anderen. Parbleu! Hélas!

…. Mit einer vollen Plastiktüte verlasse ich den Laden. Jetzt steht mir der Schweiß auf der Stirn, ein Plätzchen im Schatten und die Gitane in den Mundwinkeln – durchatmen, mein Lieber! Zeit zum Freuen, ohne Häme und ganz für mich. Jeden der braunen Bände nacheinander in die Hände genommen, geblättert, gelesen. Und irgendwann wieder zurück in die Realität … und trotz des Fundes noch immer skeptisch auf dem Weg zum nächsten Antiquariat. …

Viele Besucher. Man steht sich im Weg beim Suchen und hört die Gespräche der anderen zwangsläufig mit, erkennt jedoch schnell genug, daß es keiner Spionage bedarf, denn sie suchen anderes. …”

aus: Veit Heinichen: Schätze im Olivenberg, Süddeutsche Zeitung, 16./17.9.1995, S.III

09/95

18/12/2010 (17:15) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Bibliotheken

“Modell einer schlechten Bibliothek in 19 Punkten …

1) Die Kataloge müssen so weit wie möglich aufgeteilt werden: man verwende größte Sorgfalt darauf, den Katalog der Bücher von dem der Zeitschriften zu trennen und den der Zeitschriften vom Schlagwort- oder Sachkatalog, desgleichen den Katalog der neuerworbenen Bücher von dem der älteren Bestände. Nach Möglichkeit sollte die Orthographie in den beiden Bücherkatalogen (Neuerwerbungen und alter Bestand) verschieden sein: beispielsweise Begriffe wie “Code” in dem einen mit C in dem anderen mit K oder Eigennamen wie Tschaikowsky bei Neuerwerbungen mit einem Č, bei den anderen mal mit Ch, mal mit Tch.

2) Die Schlagworte müssen vom Bibliothekar bestimmt werden. Die Bücher dürfen … im Impressum keinen Hinweis auf die Schlagworte tragen, unter denen sie aufgeführt werden sollen.

3) Die Signaturen müssen so beschaffen sein, daß man sie nicht korrekt abschreiben kann, nach Möglichkeit so viele Ziffern und Buchstaben, daß man beim Ausfüllen des Bestellzettels nie genug Platz für die letzte Chiffre hat und sie für unwichtig hält; so daß dann der Schalterbeamte den Zettel als unvollständig ausgefüllt zurückgeben kann.

4) Die Zeit zwischen Bestellung und Aushändigung eines Buches muß sehr lang sein.

5) Es darf immer nur ein Buch auf einmal ausgehändigt werden.

6) Die ausgehändigten Bücher dürfen, da mit Leihschein bestellt, nicht in den Lesesaal mitgenommen werden, so daß man sein Leben in zwei Teile aufspalten muß, einen für die Lektüre zu Hause und einen für die Konsultation im Lesesaal. Die Bibliothek muss das kreuzweise Lesen mehrerer Bücher erschweren, da es zum Schielen führt.

7) Es sollte möglichst überhaupt keine Fotokopierer geben; falls doch einer da ist, muß der Zugang weit und beschwerlich sein, der Preis für eine Kopie muß höher sein als im nächsten Papiergeschäft und die Zahl der Kopien begrenzt auf höchstens zwei bis drei Seiten.

8) Der Bibliothekar muss den Leser als einen Feind betrachten, als Nichtstuer (andernfalls wäre er bei der Arbeit) und als potentiellen Dieb.

9) Fast das ganze Personal muß an irgendwelchen körperlichen Gebrechen leiden. … Gewisse Tätigkeiten in einer Bibliothek … [wie] das Klettern auf Leitern, das Tragen schwerer Lasten etc. [müssen ihm unmöglich sein] …

10) Die Auskunft muß unerreichbar sein.

11) Das Ausleihverfahren muß abschreckend sein.

12) Die Fernleihe sollte unmöglich sein oder jedenfalls Monate dauern; am besten, man sorgt dafür, daß der Benutzer gar nicht erst erfahren kann, was es in anderen Bibliotheken gibt.

13) Infolge all dessen muß Diebstahl möglichst leichtgemacht werden.

14) Die Öffnungszeiten müssen genau mit den Arbeitszeiten zusammenfallen, also vorsorglich mit den Gewerkschaften abgestimmt werden: totale Schließung an allen Samstagen, Sonntagen, abends und während der Mittagspausen. Der größte Feind jeder Bibliothek ist der Werkstudent, ihr bester Freund einer … der seine eigene Bibliothek besitzt, also keine öffentliche aufsuchen muß und dieser die seine bei seinem Ableben hinterläßt.

15) Es muß unmöglich sein, sich innerhalb der Bibliothek irgendwie leiblich zu stärken, und es muß auch unmöglich sein, sich außerhalb der Bibliothek zu stärken, ohne zuvor alle ausgeliehenen Bücher zurückgegeben zu haben, um sie dann nach der Kaffeepause erneut zu bestellen.

16) Es muß unmöglich sein, das einmal ausgeliehene Buch am nächsten Tag wiederzufinden.

17) Es muß unmöglich sein zu erfahren, wer das fehlende Buch ausgeliehen hat.

18) Es darf möglichst keine Toiletten geben.

19) Ideal wäre schließlich, wenn der Benutzer die Bibliothek gar nicht erst betreten könnte; betritt er sie aber doch, stur und pedantisch auf einem Recht beharrend, das ihm aufgrund der Prinzipien von 1789 konzediert worden ist, aber noch nicht Eingang ins kollektive Bewußtsein gefunden hat, so darf er auf keinen Fall, nie und nimmer, außer bei seinen kurzen Besuchen im Lesesaal, Zugang zu den Bücherregalen selbst haben.

aus: Umberto Eco: Die Bibliothek. München, Wien: Hanser 1987, S.15-19

Abb.: Hubertus Gojowczyk: Tür zur Bibliothek, Documenta6, Kassel, 1977, im Internet.

12/10

18/12/2010 (14:57) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Literaturwissenschaft

“Jaja, ich habe auch all das kluge Zeug gelernt – daß der Mensch der Aufklärung durch Literatur erzogen wurde, daß die Literatur der Romantik auf die Nachtseiten, auf das Unkodierte hinweist; daß die realistische Literatur die Komplexität unseres Daseins abbildet; daß die Moderne so modern ist, daß es nichts geben darf, was es woanders schon gegeben hat; daß die Dekonstruktion so lange die inneren Widersprüche eines Textes (!) sucht, bis sich die Lektüre gegen die Struktur des Textes selbst richtet, und spätestens da macht nun alles keinen Spaß mehr. Aber dann greifen wir eben einfach zu Tolstois Krieg und Frieden und lesen den ersten Satz: ‘Alle glücklichen Familien ähneln einander; jede unglückliche aber ist auf ihre eigene Art unglücklich.’ Und vergessen ist die Literaturtheorie.”

aus: Elke Heidenreich: Wer nicht liest, ist doof! In: Kursbuch 133, 1998, S.1-7

12/10

12/12/2010 (0:01) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Nichtleser

“Wer nicht liest ist doof. … Die Lust an der Literatur ist auch die Lust am Leben. Die Kunst zu lesen, in ein Buch hineinzufallen, darin zu versinken, kaum noch auftauchen zu können, ist ein Stück Lebenskunst. Das setzt natürlich den Willen voraus, sich auf Geschichten einzulassen, sich aktiv ins Buch hinein zu begeben, sich bewußt von den Reizen und Zerstreuungen anderer Medien abzuwenden. Dann kann es eine wunderbare ewige Liebesgeschichte werden – die zwischen einem Buch und einem leidenschaftlichen Leser. Und sind die nicht blöde, die der Liebe ausweichen, wenn sie uns begegnet? …

Und doch, es ist tatsächlich so: nicht jeder kann lesen. Man muß für das Lesen eine Begabung haben wie für das Malen und das Klavierspielen – sonst wird nichts Rechtes daraus. Es gibt Menschen, die macht die stille Konfrontation mit dem Buch kribbelig. … Wir können diese Menschen ein wenig bedauern, wir möchten auch nicht unbedingt lange Abende mit ihnen verbringen, wir müssen sie aber nicht verachten. Verachtenswert hingegen sind die Bildungskoketteure, die in ihrer Kindheit gelesen haben und jetzt seufzen: ‘Ach, wie ich Sie beneide, weil Sie soviel lesen! Das möchte ich auch, aber ich komm einfach nicht mehr dazu.’ Und auf die, nur auf die, trifft die Behauptung zu, daß, wer nicht (mehr) liest), auch irgendwie doof ist – deshalb heißt es hier: rote Karte, Platzverweis, Liebesentzug. Sie kommen, Verehrsteste(r), zum Friseurbesuch, zum Stadtbummel, zum Autowaschen, Sie strampeln für Ihre Karriere, Sie verbringen lange Abende über Hirschragout an Preiselbeerschaum oder mit der Bohrmaschine im Bastelkeller, Sie trainieren sich fit und sitzen vorm Fernseher, um das Literarische Quartett zu ertragen, und dann kaufen Sie die dort wie auch immer ‘besprochenen‘ Bücher, stapeln sie auf dem Nachttisch, aber zum Lesen kommen Sie nicht? Wer es braucht, tut’s auch, so einfach ist das. Wer es nicht braucht, tut‘s nicht und ist und bleibt – naja: ziemlich doof!”

aus: Elke Heidenreich: Wer nicht liest ist doof. In: Kursbuch 133, 1998, S.1-8.

Abb.: Su Blackwell: Treasure Island, 2013, im Internet.

12/10

11/12/2010 (23:53) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Racisme anti-blanc

[réaction écrite pour parlemento.com]

Je suis d’accord avec Elisabeth que l’interview originale, que j’ai lu entretemps, est plus nuancé que l’extrait que Mehmet en a publié ici. Mais M. Bouhlal semble d’avoir dit ce que Mehmet cite ici. Je n’ai pas vu de droit de réponse dans Brussel Deze Week.

Citer des études qui disent la même chose n’en enlève pas le caractère raciste.

Le pire, ce n’est pas le caractère raciste de l’analyse mais le pire c’est qu’elle est fausse. Comment on veut lutter efficacement pour l’émancipation si l’analyse de départ est fausse déjà?

Parler des “blancs” et en exclure les Marocains, Turcs, Albanais, Bulgares qui sont aussi peu rouge, noir ou jaune que les Belges est plutôt drôle…

Mais plus important est ceci: Dire que les strates supérieures sont occupées “des autochtones” est autre chose que d’affirmer que “les autochtones” sont au sommet de la pyramide. Racontez-ça une fois aux sans-abris autochtones! C’est ce “les” qui fâche (et qui est raciste parce qu’il prétend un argument de race là où il en a pas question). Vous vous trompez de cible et vos adversaires vont en être contents.

Oui, la société belge est “stratifié” – mais quoi de neuf? Quelle société ne l’est pas? Vous avez raison que le but devrait être une société des égaux, mais elle n’a pas encore vu la terre. Il y a sûrement des sociétés plus ouvertes à l’ascension sociale que d’autres. Il y a aussi des différences de secteur d’une société à l’autre. En Angleterre il y a sûrement plus d’ouverture pour les universitaires arabes qu’en France. En Belgique il y a plus de place pour les politiciens d’origine étrangère qu’en Turquie.

Étudiez les grandes émancipations de l’histoire! L’émancipation des bourgeois, des juifs, des ouvriers, des femmes, des provinciaux: Comment ils ont fait? Où ils ont réussi? Où ils n’ont pas réussi?

Les bourgeois, les juifs et les femmes se sont rendu économiquement incontournables, les ouvriers et les provinciaux se sont organisés en contre-pouvoir. Ils n’ont pas mendié pour des cadeaux. Ce n’est pas en lamentant ni en baignant dans une image de victime qu’on avance, c’est en bougeant soi-même.

Les chances d’un fils d’ouvrier “belge” d’arriver “au sommet” ne sont toujours guère meilleure en Belgique que pour un fils d’ouvrier “allochtone”. Les États-Unis te donnent plus de chance d’ascension.

La Belgique est une société des cliques. Les cathos, les libéraux, les socialistes, les barons locaux, l’haute-bourgeoisie… Pour monter il faut s’intégrer dans une clique ou former la sienne. Et à l’intérieur d’une clique, il faut organiser ses troupes. Combien de libéraux gantois ont profité du premier ministre Verhofstadt?

En Allemagne, ces dernières années, c’était la rage des homosexuels. Ils se sont organisés dans les années 80 à l’intérieur des partis politiques et dans les années 2000 ils sont pris un poste de ministre-président après l’autre.

Qu’est ce que Emir Kir est en train de préparer? La société égalitaire ou la montée massive d’une clique turque de St.Josse?

Pour revenir à l’argument: Oui, les allochtones les plus dociles montent le plus facilement dans les cliques, mais c’est la même chose pour les autochtones dociles.

Donc: Il faut s’intégrer dans une clique, organiser un contre-pouvoir ou se rendre économiquement incontournable.

En ce qui concerne le contre-pouvoir: Pourquoi autant de monde s’engage pour la Palestine, étant donné qu’il n’est pas vraiment efficace de le faire ici? La même énergie mis dans un mouvement des quartiers populaires pour des meilleures écoles aurait plus d’effet.

En États-Unis ce sont les arabes qui après les asiatiques ont les meilleurs résultats scolaires (bien avant des “white protestant males”, les noirs et les hispaniques). Faites en sorte que ça soit ici aussi comme ça, et vous allez voir.

Bonne journée encore.

Bref historique de la discussion:

Mehmet Koksal cite M.Bouhlal (15.Oct.2010):

“Dans un portrait publié ce jeudi (14/10/2010) par l’hebdomadaire néerlandophone bruxellois Brussel Deze Week, Radouane Bouhlal (Président du MRAX asbl – Mouvement contre le racisme, l’antisémitisme et la xénophobie) s’en prend violemment à la Belgique et aux “Belges blancs”. Estimant que ”ce pays [la Belgique] fonctionne structurellement de manière raciste. … notre société belge est en soi une société de castes avec à sa tête les Belges blancs. Un individu d’une caste inférieure n’y est toléré que s’il reste bravement à son niveau. Mais malheur à toi si tu veux être traité sur un pied d’égalité. Les décideurs n’ont que de bons mots en bouche en parlant de vivre en paix avec les communautés mais on vit en réalité dans une société basée sur une hiérarchie dépendant de l’origine des gens et pas dans une société basée sur l’égalité des citoyens“, explique Radouane Bouhlal. …”

Elisabeth Cohen, dans un droit de réponse (22.Oct.2010; sous le même lien):

“… Dans cette interview (à laquelle nous renvoyons les lecteurs pour ne pas se laisser piéger par les « morceaux choisis » par M. Koksal), R. Bouhlal défend l’idée suivant laquelle en Belgique aussi, il existe dans les faits – et pour reprendre les mots de Christine Delphy – un « système de castes raciales »3, c’est-à-dire une société organisée de manière stratifiée, élevant certains – quasi-exclusivement des « blancs »4 – au rang de citoyens belges légitimes et authentiques, et reléguant les autres – les personnes issues des minorités – au statut peu enviable de « citoyens de seconde zone » exposés aux discriminations, de manière quasi-systématique, de génération en génération. …”

26/10/2010 (10:10) Schlagworte: FR,Notizbuch ::

Kameraden

“Wir selber nannten uns nicht Kameraden. Eine Bezeichnung, die unsere Offiziere brauchten: Sie führen jetzt ihre Kameraden / Sie sind verantwortlich für Ihre Kameraden / dann schauen Sie, daß Ihnen ein Kamerad hilft / das sollte unter Kameraden nicht vorkommen usw. Einige befreundeten sich. Ein Wachtmeister war Assistent für Astronomie an der Universität Bern, ein Kanonier war Chemiker in Emmenbrücke, ein anderer unterrichtete am Gymnasium, Philologie. Möglichkeiten des Gesprächs, während man Schuhe putzte oder Waffen reinigte oder Wolldecken stapelte. Wir waren froh um einander. Wenn man zusammen auf die Wache befohlen wurde, ein Glücksfall. Traf man sich später in Zivil, so war’s merkwürdig: beiderseits kein Bedürfnis nach Erinnerungen an den gemeinsamen Dienst, eine gewisse Verlegenheit sogar; jeder hatte den anderen gesehen, wie er den Gewehrgriff vorführte, wie er tausendmal die Hand an die Mütze riß, wie er mit übermenschlicher Stimme meldete: Kanonier Studer, abkommandiert zur Küche! und fünfzig Meter später: Kanonier Studer, abkommandiert zur Küche! Alles keine Schande; trotzdem rede ich lieber mit Leuten, die einen nicht dran erinnern.”

aus: Max Frisch: Dienstbüchlein. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1974, S.65/66.

10/10

15/10/2010 (23:02) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Disziplin

“Disziplin – man verstand schon, was das Militär darunter versteht; nur hat das mit Disziplin wenig zu tun. Ein Maulesel, der seine Lasten trägt und geht, wohin man ihn führt, tut es aus der Erfahrung, daß er sonst geschlagen wird. Disziplin setzt eine gewisse Einsicht voraus; Latein als Disziplin, Mathematik als Disziplin, Poesie als Disziplin. Der Wille, etwas zu lernen und zu leisten, kann als Disziplin bezeichnet werden. Das setzt eine Person voraus. Disziplin entspringt dem Bewußtsein, daß man über sich selber verfügt, nicht dem Bewußtsein, daß über uns verfügt wird. Das Militär (so wie ich es erfahren habe) verwechselt Disziplin mit Gehorsam. Diese Verwechslung, verlautbart bei jeder Gelegenheit, war das eigentliche Ärgernis. Befehl ist Befehl, die Kader brauchen uns nicht zu überzeugen; wir tun es aus der Erfahrung des Maulesels. Nur täuschen sich die Kader, wenn sie, mehr oder minder befriedigt, Disziplin feststellen. Was das Militär erzielt, indem es sich auf Strafen verläßt, ist Gehorsam. Disziplin hat ihren Ansatz in einer Freiwilligkeit. … Übrigens wissen wir als Erwachsene, daß Disziplin (was diesen Namen verdient) mehr Kräfte auslöst als Gehorsam, der nicht einem eigenen Interesse entspringt und lediglich ein schlaues Verhalten ist, um sich Strafen zu ersparen. Disziplin hat mit Überzeugung zu tun, mit Gewissen, sie hat mit Mündigkeit zu tun.”

aus: Max Frisch: Dienstbüchlein. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1974, S.50-52.

Abb.: Yannis Gaitis: Old and Young, 1967, im Internet.

10/10

15/10/2010 (22:32) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

konsequent

“Die unglückliche Liebe zur Konsequenz scheint eine deutsche Obsession zu sein; wenigstens von unsern Nachbarn wird sie nicht ohne weiteres geteilt. …

Nichts ist schematischer als der Amoklauf der Unbeirrbaren. Etwas Vorschriftsmäßiges, ja Bürokratisches haftet jeder Radikalität an, die sich auf nichts weiter beruft als auf Grundsätze. Wer von Prinzipientreue spricht, der hat bereits vergessen, daß man nur Menschen verraten kann, Ideen nicht.

Das Konsequent-Gebot verwechselt eine logische Kategorie mit einem moralischen Postulat. Weit entfernt davon, Klarheit zu schaffen, richtet es infolgedessen ein krausmauses Durcheinander in den Köpfen an. um einen kann das Pathos der Entschiedenheit nicht darüber hinwegtäuschen, daß die bloße Konsequenz, wie jede logische Bestimmung, leer ist; ich kann ebensogut ein konsequenter Vegetarier sein wie ein konsequenter Faschist, Zechpreller, Atomkraftgegner, Trotzkist, Heiratsschwindler oder Anthroposoph.

Zum andern bleibt meistens undeutlich, welche Art von Deckungsgleichheit es ist, die da eingeklagt werden soll. Geht es um das Denken? Darum, daß es hübsch bei sich selber bleibt und nicht von ihm abweicht, was es zuvor gedacht hat? Oder will die Forderung nach Konsequenz darauf hinaus, daß Denken und Handeln übereinstimmen müssen?

… Niemand behauptet, daß es ein Verbrechen wäre, eine Sache zu Ende zu denken. … Auch ist es keine Schande, daß sich die Wege, die wir auskundschaften, früher oder später meist als Sackgasse erweisen. … Manche ziehen es vor, sich lebenslänglich in ihrem cul-de-sac einzurichten. Und solange es beim Denken bleibt, ist auch dagegen wenig einzuwenden, ohwohl mir ein solcher Aufenthalt ziemlich langweilig scheint. Aber wie die Fabel lehrt halten die Liebhaber der Konsequenz sehr wenig von der Differenz zwischen Theorie und Praxis. Gerade dort, wo kein Weg mehr weiterführt, wollen sie ihre Idee in die Tat umsetzen. Das kann … mörderische Folgen haben. …

Ich für meinen Teil lade Euch ein, die Vorzüge der Inkonsequenz zu bedenken: das RIsiko, das sie gewährt, die Freiheit sich ungehindert zu bewegen, das Vergnügen der Phantasie. … Unter den verbotenen Hintergedanken, die da, nach Aufhebung der Selbstzensur, zum Vorschein kämen, könnte sich, wer weiß, manches Brauchbare, manches Überraschende finden; und wie angenehm wäre es doch, wenn der ganze Apparat der mühsamen Verdrängung, der politischen Bigotterie und der selbstverliebten Prinzipienreiterei auf dem Sperrmüll verschwände!”

aus: Hans-Magnus Enzensberger: Das Ende der Konsequenz, Transatlantik 1981, hier aus: ders.: Politische Brosamen, Frankfurt(Main): Suhrkamp 1985, S.14-26.

Abb.: Monika Michalko: Absolut, 2020, im Internet.

09/10

25/09/2010 (23:24) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Parteileben

“In meiner Familie lieben sich alle sehr … was nicht verhindert, dass jeder mit einem Messer im Rücken herumläuft. Mit einem klitzekleinen natürlich. In meiner Partei auch. In meiner Familie wird furchtbar viel geredet, jeder fällt einem ins Wort. In meiner Partei auch. In meiner Familie versucht jeder jeden davon zu überzeugen, dass er im Besitz der ultimativen Wahrheit ist. In meiner Partei auch. In meiner Familie stöhnt jede und jeder darüber, wie furchtbar im Grunde genommen diese Familie ist, aber niemand käme auf den Gedanken, sie zu verlassen. In meiner Partei auch.”

aus: Lale Akgün: Der getürkte Reichstag, zitiert nach: Susanne Gaschke: Mitmachen? Warum nicht! Die Zeit, 23.9.2010, S.6.

09/10

25/09/2010 (19:05) Schlagworte: DE,Lesebuch ::
« Previous PageNext Page »