MALTE WOYDT

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Esoteriker 1

“… Ihre Mitteilung, daß auf der Volkshochschule deutlich die Zeitflucht der Massen bemerkbar ist, die sich in der Abkehr von allen gesellschaftlichen Disziplinen äußert, hat mich nicht überrascht. Man kann diese Erscheinung nicht mit dem Hinweis auf deutsche Charaktereigenschaften abtun. Ob diese Erscheinung nicht auch in die Reihe der Verfallssymbole unserer Gesellschaft gehört? Man will den Alltag, der aktive Anteilnahme und gründliche Kenntnis gesellschaftlicher Fragen fordert, entfliehen. Nicht ohne Befürchtungen betrachte ich das Aufkommen der mannigfachen Bünde, besonders der preudoreligiösen Bünde, die ich für Zentren künstlicher Betäubung halte. Die Unfähigkeit zu glauben greift nach einem Opiat. Diese Menschen brauchen Rausch, denn nur im Rausch vermögen sie zu glauben, daß sie glauben. (Auch in extremen politischen Parteien findet man sie.) zahlreich auftretende esoterische Bünde und Parteien sind kein Zeichen wachsender Volkskraft.

Propheten und Prediger ziehen in Massen durchs Land. Jemand schickte mir ein Pack Flugblätter. Einer, Leonard Stark, schreibt: Ich bin die Natur. Ich bin die Tat. Ein anderer, Karl Thaldorf, schreibt: Ich bin das neue Evangelium. Ein Dritter: Ich bin das große Ich. Ich bin die Liebe. Ich rede am 21. Dezember im Felsenkeller. Häusser: Ich prophezeie den Untergang. Ich bin der Führer. Ich und der Vater sind eins. Ich bin der Retter Deutschlands.

Manische Individuen oder Auguren oder simple Betrüger? Eins stimmt mich bedenklich: Die Menge der Anhänger. Nur wo seelische Zersetzung, Haltlosigkeit, Wurzellosigkeit, Glaube an Untergang herrschen, können solche Menschen Einfluß im Volk gewinnen.”

aus: Ernst Toller, Brief aus dem Gefängis an Gustav Meyer, 7.2.1921. Hier aus: Ernst Toller: Gesammelte Werke, Bd.5, Hanser-Verlag 1978, S.60/61. .

Abb.: Karl Xaver Goetz: Münchner Theater, 1923, im Internet.

06/06

08/10/2007 (10:08) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Entlarvung

“Gesellschaftskritik, oder was sich dafür hält, leidet gemeinhin unter der Vorstellung, sie müsse ihre Gegenstände entlarven. Womit sie sich befaßt, das stellt sie gern als undurchschaubar vor. Diese Auffassung spiegelt die Ohnmacht des Kritikers vor den Mächten wider, mit denen er es zu tun hat. Sie ist nicht nur paranoid, insofern sie ihr Gegenüber zur Verschwörung dämonisiert; sie ist falsch. Irrationales Pathos versagt vor den meisten gesellschaftlichen Sachverhalten schon deshalb, weil sie zutage liegen. Gerade ihre Evidenz macht sie unsichtbar.”

Hans Magnus Enzensberger: Die Sprache des SPIEGEL, In: Hans Mayer:: Deutsche Literaturkritik, Bd.4, Frankfurt(Main) 1983: S.537.

Abb.: Yannis Gaitis: Medaillon noir, 1977, im Internet.

05/93

08/10/2007 (10:07) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Einfühlung

“Was wir benötigen – als ‘Volkscharakter’ … – ist zunächst einmal die Fähigkeit, uns in andere einzufühlen; das hat noch nie zu den öffentlich geforderten Tugenden in Deutschland gehört. Einfühlung, ‘Empathie’, die ein Mitgefühl, Sympathie, zulassen würde, das sich versachlichen darf, ohne an Wärme ganz zu verlieren. Einfühlung in die Lage, die Geschichte, die Leiden anderer, die ebensowohl Befehlsautomatismen wie Brutalität gegen andere ausschließt, die aber ohne Kälte klug genug bleibt, die Zwei- oder Mehrdeutigkeit menschlicher Motive und Ziele zu erkennen und anzuerkennen, daher nicht so leicht der Identifikation mit anderen zum Opfer fällt. …”

Peter Brückner: Versuch, uns und anderen die Bundesrepublik zu erklären. Berlin: Wagenbach 1978, S. 97

empfohlen bekam ich dieses seit langem vergriffene Buch von Thommi Herwerth, der viel zu früh verstarb.

04/05

08/10/2007 (10:06) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Eigentum

(FR)

“Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und es sich einfallen ließ zu sagen: dies ist mein und die Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der wahre Gründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viel Not und Elend und wie viele Schrecken hätte derjenige dem Menschengeschlecht erspart, der die Pfähle herausgerissen oder den Graben zugeschüttet und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: ‘Hütet euch, auf diesen Betrüger zu hören; ihr seid verloren, wenn Ihr vergeßt, daß die Früchte allen gehören und die Erde niemandem.’ Aber mit großer Wahrscheinlichkeit waren die Dinge damals bereits an einem Punkt angelangt, an dem sie nicht mehr bleiben konnten, wie sie waren …

… Als nun die Erbteile an Zahl und Ausdehnung bis zu dem Punkt angewachsen waren, an dem sie den ganzen Boden abdeckten und sie alle aneinandergrenzten, konnten sich die einen nur noch auf Kosten der anderen vergrößern; und die Überzähligen, die Schwäche oder Indolenz davon abgehalten hatte, ihrerseits ein Erbteil zu erwerben, die arm geworden waren, ohne etwas verloren zu haben – weil, während sich um sie herum alles veränderte, sie allein sich nicht verändert hatten -, waren gezwungen, ihren Lebensunterhalt aus der Hand der Reichen entweder zu empfangen oder zu rauben …”

aus: Jean-Jacques Rousseau: Diskurs über die Ungleichheit. Edition Meier, Paderborn u.a.: Schöningh 1990, S. 173, 211 (frz. Originalausg. 1782, S. 164, 175).

11/06

08/10/2007 (10:05) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Propriété

(DE)

“Le premier qui ayant enclos un terrain, s’avisa de dire, ceci est à moi, et trouva des gens assez simples pour le croire, fut le vrai fondateur de la société civile. Que des crimes, de guerres, des meurtres, que de misères et d’horreurs n’eut point épargnés au Genre-humain celui qui arrachant les pieux ou comblant le fossé, eût crié à ses semblables. Gardez-vous d’écouter cet imposteur; Vous êtes perdus, si vous oubliez que les fruits sont à tous, et que la Terre n’est à personne: Mais il y a grande apparence, qu’alors les choses en étoient déjà venües au point de ne pouvoir plus durer comme elles étoient …

… quand les heritages se furent accrus en nombre et en étendüe au point de couvrir le sol entier et de se toucher tous, les uns ne purent plus s’aggrandir qu’aux dépends des autres, et les surnumeraires que la foiblesse ou l’indolence avoient empêchés d’en acquerir à leur tour, devenus pauvres sans avoir rien perdu, parce que tout changeant autour d’eux, eux seuls n’avoient point changé, furent obligés de reçevoir ou de ravir leur subsistance de la main des riches …”

aus: Jean-Jacques Rousseau: Diskurs über die Ungleichheit. (zweisprachige) Edition Meier, Paderborn u.a.: Schöningh 1990, S. 172, 210 (frz. Originalausg. 1782, S. 164, 175).

11/06

08/10/2007 (10:04) Schlagworte: FR,Lesebuch ::

Efficientie

“Rode man maken klein vuur, rode man krijgen warm van vuur. Blanke man maken groot vuur, blanke man krijgen warm van houthakken.”

zitiert bei: Nick Trachet: Caponata, Brussel Deze Week 9.8.7.

Abb.: Thomas Schütte: Effiociency Men, 2005, im Internet.

08/07

08/10/2007 (10:03) Schlagworte: Lesebuch,NL ::

Dritte Welt

“Da ich in den meisten Relationen über Ägypten die kläglichsten Jeremiaden über das Elend dieser unglücklichen Klasse gelesen hatte, so war ich nicht wenig verwundert, meistens kräftige, gesund aussehende und lustige Menschen zu finden, die singend und lachend ihre Arbeit verrichteten, von den Aufsehern höchst nachsichtig behandelt wurden und selbst das Bakschis (Trinkgeld), um das sie uns ansprachen, nur im Scherz zu verlangen schienen. Ihr Ansehen war allerdings zerlumpt, aber wo sieht man es im Orient wie auch in Griechenland anders? Das Klima verlangt so wenig, und Ordnung und Reinlichkeit gehört noch nicht zu den Tugenden dieser Länder. Ich habe später diesem Gegenstand fortwährende Aufmerksamkeit geschenkt und die feste Überzeugung gewonnen, daß die hiesigen Fellahs im Vergleich mit manchen andern ihrer Kameraden in Europa, zum Beispiel den irländischen Bauern, welche doch Untertanen des erleuchtetsten Gouvernements in der zivilisierten Welt sind, oder den armen Webern im Vogtlande, von denen ich erst heute, im Jahre 1843, in den Zeitungen las, daß sie ihren täglichen Verdienst höchstens auf zwei Gröschel bringen könnten, und wenn ihre einzige Nahrung, die Kartoffeln, fehlschlugen, dem Hungertode nahe kämen – daß, sage ich, diese Fellahs sich, obgleich mancher Härte und Willkür ausgesetzt, die ich nicht ableugnen will, doch immer noch in einer Lage befinden, welche viele unsrer Proletarier oft beneiden könnten.

Die Häuser der Fellahs sind meistens kleine Hütten von an der Sonne gedörrten Lehmsteinen oder auch nur von getrocknetem Lehm aufgeführt, ohne eine andere Öffnung als die Türe. Aber diese Wohnungen sind meistens dicht und warm im Winter, immer vor leichtem Regen und Unwetter, was ohnedem so selten hier eintritt, geschützt, schattengebend im Sommer und geräumig genug für die geringen Bedürfnisse dieser Leute, während in Griechenland selbst die Wohlhabenderen unter den Landleuten selten ein Dach besitzen, das nicht Schnee und Regen durchließe, und erinnert man sich vollends der von erstickendem Rauch angefüllten Schweineställe, in denen die armen Irländer hungern und die in jenem verhältnismäßig so kalten Klima fast gar keinen Schutz gewähren, so richtet sich das Mitleid nach einer ganz andern Seite.

Die Fellahs sind arm; aber in den geringsten Dörfern Ägyptens, wo ich hinkam, fand ich fast immer Brot, Milch, Butter, Käse, Eier, Gemüse in Fülle, auch Geflügel, in den größeren selbst Schlachtfleisch, was man uns gern für einen sehr billigen Preis zum Verkauf anbot, sobald nur kein Gouvernementsbeamter dabei war, deren Raubsucht allerdings zu den Kalamitäten Ägyptens gehört – während in Griechenland häufig Zwiebeln und ein fast ungenießbares Maisbrot das einzige sind, was man sich verschaffen kann, auch die Leute selbst dort in der Regel von gleicher Kost leben müssen wie in Irland von Kartoffeln und Whiskey. Endlich hörte ich noch nie, daß ein Fellah verhungert sei, was zur Schande der Menschheit bei den irländischen Bauern notorisch schon öfters vorgekommen ist und vielleicht heute noch möglich sein mag.

Die Fellahs sind ferner höchst elend gekleidet, aber auch hier ist der Vergleich zu ihrem Vorteil, denn erstens bedürfen sie bei dem milden Klima fast gar keiner Kleidung; zweitens habe ich bis jetzt noch nicht gesehen, daß die hiesigen Weiber, gleich den irländischen Frauen und Mädchen der gemeinen Klasse, nicht einmal Lumpen genug besaßen, um ihre Blöße soweit zu bedecken, als es die Schamhaftigkeit gebietet. Im Gegenteil erblickt man die Weiber der Fellahs, wenn auch oft in zerrissenen Gewändern, doch immer wie die übrigen Morgenländerinnen bis an den Mund verhüllt, wozu sie meisten 5-6 Goldstücke, in einer Reihe vorn vom Antlitz bis auf die Brust herab aufgenäht, tragen, was ebenfalls mit der bodenlosen Armut nicht recht übereinstimmen will, von der unsre philantropischen Reisenden uns ein so abschreckendes Bild entwerfen, weil sie wohl den Strohhalm im fremden Auge, aber den Balken im eigenen nicht sehen. Ich glaube, daß mitten in Paris und London teilweise gräßlicheres Elend nachzuweisen ist, als in ganz Ägypten gefunden werden kann. … Wer aber frisch aus Europa hier debarkiert und zum erstenmal das gemeine Volk in Schmutz und Lumpen gehüllt sieht, was im Orient gang und gäbe, in Europa aber nur die Livree des höchsten Elends ist, dessen Einbildungskraft wird zu leicht ergriffen, und er sieht von nun an mit gefärbter Brille, im Fall er nicht gar absichtlich falsch sehen will.”

Hermann Fürst von Pückler-Muskau Aus Mehemed Alis Reich Ägypten und der Sudan um 1840. Geklaut beim Gutenberg-Projekt: https://www.gutenberg2000.de/pueckler/mehemed/mehe105.php

Abb.: Banksy.

07/10/2007 (22:54) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Diskussion

“Seit der ‘Protestbewegung’ der späten 60er Jahre heißt diskutieren bekanntlich soviel wie Demokratie üben, und zwar in jeder Lebenslage. Wer Diskussion verweigert, hat sich damit als autoritär entlarvt. Da umgekehrt der Wille zur Diskussion schon ein politisches Bekenntnis ist, erübrigt sich fast der Vollzug der Diskussion im Sinne des Austragens von Meinungsverschiedenheiten.

Konsequent sagt man nicht mehr über etwas diskutieren sondern: etwas diskutieren (‘das müssen wir mal diskutieren’), etwa im Sinne von etwas beschwören, beteuern, rituell bekräftigen. Verstärkte Form: etwas politisch diskutieren (bis ca. 1972; heute veraltet) oder etwas inhaltlich diskutieren (bis ca. 1976; heute nicht mehr hinreichend).

Die zunehmende Entpolitisierung des Verbs drückts sich darin aus, daß es wieder möglich ist (seit etwa fünf Jahren), ‘kontrovers’ zu diskutieren, was ja die alte Bedeutung von diskutieren war (beliebte Form: ‘etwas diskutieren, und zwar kontrovers’). …

[Der Ausdruck hat] alle Konkurrenzausdrücke – über etwas reden oder sprechen, etwas bereden, erörtern, beraten; über etwas streiten, debattieren usw. in sich [aufgesaugt]. …

Die damit erreichte Vereinheitlichung der wissenschaftlichen Kommunikation erlaubt und erfordert nun wieder Differenzierungen, z.B.: etwas methodologisch / inhaltsspezifisch / praxisrelevant diskutieren; etwas abschließend oder ein Stück weit diskutieren; etwas durch-, aus-, oder andiskutieren …

Klaus Markus Michel: Der Grundwortschatz des wissenschaftlichen Gesamtarbeiters seit der szientifischen Wende. In: Jürgen Habermas (Hg.): Stichworte zur “Geistigen Situation der Zeit“, Bd.2: Politik und Kultur. Frankfurt(Main): Suhrkamp 1979, S.824.

07/10/2007 (22:54) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Deutsche 1

“Die deutsche Emigration unterschied sich von den anderen durch ihren schwerfälligen, langweiligen und zänkischen Charakter. Es gab bei ihr keinen Enthusiasmus wie bei den Italienern, es gab weder Hitzköpfe noch rasche Zungen wie bei den Franzosen. …

Die französische Frechheit hat nichts gemein mit der deutschen Grobheit. Der Mangel an allgemein üblicher weltmännischer Haltung, der schwerfällige schulmäßige Doktrinarismus, die übermäßige Vertraulichkeit, die überflüssige Offenherzigkeit bei den Deutschen erschweren für Leute, die daran nicht gewöhnt waren, den Umgang mit ihnen.

Aber auch die Deutschen selbst waren nicht sonderlich um Kontakt bemüht, da sie sich einerseits in ihrer wissenschaftlichen Entwicklung für weit höher stehend als andere betrachteten, andererseits in Gegenwart der übrigen das peinliche Gefühl nicht los wurden, das Provinzler in einem großstädtischen Salon und Beamte in einem aristokratischen Kreise befällt.

Alexander Herzen: Die gescheiterte Revolution. (1867), ausgewählt von Hans Magnus Enzensberger, Frankfurt(Main): Suhrkamp 1977, S.270

07/10/2007 (22:53) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

DER SPIEGEL

“Unter der Drapierung durch … [den SPIEGEL-]Jargon sind weder die Züge Goethes noch die von Dylan Thomas wiederzuerkennen. … Was den SPIEGEL-Text von jeder anderen Fassung des Sachverhaltes unterscheidet, ist … nicht nur dessen Trübung durch Jargon und verstecktes Vorurteil, sondern auch seine angestrebte Humorigheit. …

Story und Nachricht schließen einander aus. … Sein Ruf als der eines wohlunterrichteten Blattes hat darunter nicht gelitten. Das mag … daran liegen, daß sich DER SPIEGEL die Informationen, die er verarbeitet allerhand kosten läßt. …

Die Spezialisten im SPIEGEL-Archiv sind im Grunde die einzigen, die vermöge ihres Trainings in der Lage sind, den Informationsgehalt des Blattes zu analysieren. … Als falsch gilt in diesem Verstand nur eine Behauptung, die zu einem Rechtsstreit führen kann, der für die Zeitschrift aussichtslos wäre. …
[Wer meint], Informationen von öffentlichem Interesse ließen sich nur zwischen den Zeilen publizieren, … hält Zensur für eine Selbstverständlichkeit und hat sich mit ihr schon abgefunden. …

Das Blatt hat keine Position. Die Stellung, die es von Fall zu Fall zu beziehen scheint, richtet sich eher nach den Erfordernissen der Story, aus der sie zu erraten ist; als deren Pointe. … Wer nicht bereit ist, Stellung zu beziehen … der schränkt seine Kritik von vorneherein auf bloße Taktik ein. … Was dem SPIEGEL an kritischer Potenz fehlt, versucht er durch inquisitorische Gestik zu ersetzen. …

Moralisch entlastet das Verfahren den Konsumenten. … Intellektuell klärt es ihn über seinen faktischen Zustand, den der Ignoranz, keineswegs auf. …

  1. Die Sprache des SPIEGEL verdunkelt, wovon sie spricht.
  2. Das deutsche Nachrichtenmaganzin’ ist kein Nachrichtenmagazin.
  3. DER SPIEGEL übt nicht Kritik, sonden deren Surrogat.
  4. Der Leser des SPIEGEL wird nicht orientiert, sondern desorientiert.

Jedes Volk … verdient die Presse, die es nötig hat. Daß wir ein Magazin vom Schlage des SPIELGEL nötig haben, spricht nicht für das Blatt, das die Masche zu seiner Moral gemacht hat; es spricht gegen unsere Presse im ganzen, gegen den Zustand unserer Gesellschaft überhaupt; es spricht mit einem Wort, gegen uns.”

aus: Hans Magnus Enzensberger: Die Sprache des “SPIEGEL”. [1957], hier zitiert nach: H. Mayer: Deutsche Literaturkritik, Bd.4, Frankfurt(Main) 1983, S.544-566.

05/93

07/10/2007 (22:53) Schlagworte: DE,Lesebuch ::
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