Quelle:
- Hermann Joseph
Stübben: Stammbaum Stübben aus Hülchrath, 1932, im Familienbesitz
Woydt.
- Rezension zu einem Buch des Sohnes Gisbert:
"Eine katholische Jugend im Dritten Reich"
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Ein anschauliches Beispiel, wie sich für die katholische Jugend aus damaliger Sicht die Ereignisse dargestellt haben, findet sich in dem Buch von Gisbert Kranz Eine katholische Jugend im Dritten Reich1, in welchem er seine Erinnerungen über diese Zeit aufgeschrieben hat. Gewidmet hat er dieses Werk seinen Eltern, Lehrern und verstorbenen Freunden, "qui non curvaverunt genua ante Baal", die nicht ihre Knie gebeugt haben vor dem Baal.
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1932, zur Zeit des Hitlerwahlkampfes, war Gisbert Kranz gerade 11 Jahre alt. In seiner Heimatstadt Steele fiel ihm zunächst auf, daß auf Litfaßsäulen, Bauzäunen und Hauswänden immer häufiger der "Heilbringer mit Schmachtlocke und Bürste" zu sehen war.
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Als Hitler wenige Monate später an die Macht kam, begriff Kranz noch kaum, was vor sich ging. Er sah nur, daß vieles anders war als bisher. Er beschreibt den allgemeinen Begeisterungstaumel, die Aufmärsche der SA und HJ und die begeisterten Gesichter seiner Mitschüler: Die Schule sei öfters ausgefallen, um Führerreden anzuhören oder Nazifilme im Kino anzusehen, und fast täglich seien die Straßen ein Meer von Fahnen gewesen.
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Demgegenüber stand jedoch sein Elternhaus in Opposition. Auch der junge Gisbert machte selbst weiter Beobachtungen. So wurde durch die Straßen von Steele ein Mann geführt mit einem Schild auf Brust und Rücken mit der Aufschrift: "Ich Schwein bin ein Volksverräter", und im April 1933 fand er auf den Schaufenstern der jüdischen Lebensmittelläden Plakate, die sagten: "Wer vom Juden frißt, stirbt daran." Bald wurde der Direktor seines Gymnasiums aus dem Dienst entlassen, nachdem er öffentlich vor den Schülern für die Juden gesprochen hatte.
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Während fast alle seine Mitschüler sich der HJ anschlossen, trat Kranz Ostern 1933 in den katholischen Bund Neudeutschland ein. Wie wir gesehen haben, war es das Ziel des Bundes ND, die Jungen durch Wanderungen und Gruppenlager zu einem naturnahen Leben im Sinne der deutschen Jugendbewegung zu führen. Kranz schreibt nun, bald habe auch für ND die Serie von Schikanen begonnen, und wie die Nationalsozialisten Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschaftler und Juden verfolgt hätten, so hätten sie fortan auch die katholischen Jugendverbände attackiert, - und dies trotz des Reichskonkordats. Zunächst wurde das Tragen von Fahrtenmessern verboten, dann wurden von HJ-Horden ND-Heime zertrümmert, und schließlich mußte er erleben, wie 1934 ein ND-Lager polizeilich vorzeitig aufgehoben wurde.
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Eine große Hilfe waren für Kranz die Wochenzeitung Die Junge Front, die Broschüren mit Predigten des Kölner Domvikars Josef Teusch, der übrigens am selben Gymnasium wie Gisbert Kranz in Steelen sein Abitur gemacht hatte, sowie die 1933 gehaltenen Adventspredigten Kardinal Faulhabers (+ 1952). Die Zeitung Die Junge Front war im Sommer 1932 von Jugendpräses Prälat Ludwig Wolker gegründet und Ende 1932 von dem Berufsjournalisten Johannes Maaßen übernommen worden. Sie verstand sich als Widerstandsblatt und dokumentierte die aktuelle Entwicklung durch Fakten, indem sie Konkordatsbrüche sammelte. Gisbert Kranz schreibt darüber: "Jedem Leser, der noch schwankte, mußte bei Lektüre dieses Blattes klar werden, daß er nicht Christ und Nationalsozialist zugleich sein könne." Artikelserien stärkten den Glauben und die Bereitschaft zum Martyrium. Die erste Phase des Widerstandes bestand gerade darin: die "Front" zu klären und die Knie nicht zu beugen vor Baal, d.h. vor den äußeren und ideologischen Gleichschaltungsaktionen der Nationalsozialisten. Nach mehreren Verboten einzelner Nummern wurde 1935 der Titel Die Junge Front verboten, und Maaßen benannte das Blatt kurzerhand um nach dem großen Erzengel: fortan erschien es unter dem Namen Michael und erreichte immerhin eine Auflage von 330.000!
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"Der Ton blieb scharf, die Front klar." Erstaunlicherweise wurde Michael erst 1936 endgültig verboten.
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Als den Dichter der katholischen Jugendbewegung bezeichnet Gisbert Kranz Georg Thurmair, der besonders durch seine Lieder einen großen Einfluß auf die katholische Widerstandsbewegung ausübte. Wegen seines 1934 veröffentlichten Liedes zu St. Georg dem Drachentöter wurde Thurmair von der Geheimen Staatspolizei in Düsseldorf vernommen. Gisbert Kranz zitiert diesbezüglich aus einem Brief von Georg Thurmair: "Man wollte wissen, wen ich damit meinte, als ich schrieb: 'Die Lüge ist gar frech und schreit, und hat ein Maul so höllenweit, die Wahrheit zu verschlingen'."
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Als 1935 eine massive Kampagne gegen die katholische Jugend losbrach, wollte der vierzehnjährige Gisbert Kranz nicht untätig bleiben. Er beschreibt, wie er mit seinem Druckkasten und Klebestreifen einige hundert Aufkleber hergestellt habe mit der Aufschrift "KATHOLISCHE JUGEND BLEIB TREU!" und diese in Steele an Schaufenstern und Laternenpfählen angebracht habe. Sein ND-Führer, der nachträglich davon erfahren habe, sei erbleicht.
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Um sich zur Abwehr zu wappnen, versuchte er, sich vor allem aus der Kirchengeschichte Fakten anzueignen, wodurch er besonders in der Schule die Vorwürfe gegen das Christentum wirksamer widerlegen konnte. Er brachte es so weit, an einem dunklen Oktoberabend auf der Straße blutig geschlagen zu werden.
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Ab Ostern 1938 übernahm Kranz selbst die Leitung der ND-Ortsgruppe, wobei ihm eine große Stütze die Zusammenarbeit mit den Sankt-Georgs-Pfadfindern war.
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Seit 1939 war der Bund ND völlig verboten, doch trotzdem setzte Kranz die Arbeit illegal fort, bis er 1941 selbst zum Kriegsdienst eingezogen wurde.
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1 Herder Taschenbuch 1990"
- Buchreihe des Sohnes Gisbert...
- Eine ganze Webseite zum Leben DES SOHNES