Maltes Lesebuch
MALTES LESEBUCH
Guten Tag, mein "Lese- und Notizbuch" ist umgezogen. Ich habe es in die
modische Form eines Blogs gegossen:
Bonjour, mon "cahier des lectures et des notes" à déménagé.
Je l'ai transmis dans la forme modique d'un blog:
Goeiedag, mijn "lees- en notitieboek" is verhuisd. Ik heb het in de
modische vorm van een blog gegoten:
Hello, my "readings and notes" section has moved. I have put it into
the fashionable form of a blog:
www.woydt.be/blog/
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PRIVATHOME:
LESEBUCH:
FRAUENEMANZIPATION
Frauenemanzipation
"Wie es so oft geschieht, wurde die Schlacht
eher zufällig gewonnen - ohne gezielten Kampf oder ein Programm. Keine
der alten Apostel der Frauenrechtsbewegung hätte einen so verschlafen-benommenen
Siegeszug ihrer Ideale erträumt. Der große Zauberer, der diesen Wechsel
vollbrachte, wara die Inflation. ...
Der Krieg
zerstörte die konventionelle Sexualmoral ... als die Männer aus dem
Krieg zurückkehrten; in Berlin und später in allen großen Städten
kam ... [die Liquidation] in der Form von Kostümbällen an, in denen
all das Begehren einer lange unterdrückten Vitalität mit orgiastischer
Vehemenz ausbrach. In jenem Winter wurde die alte Moral von Konfettischlangen
unter Begleitung von Geigen und Klarinetten erdrosselt. Die neuen Prinzipien
waren einfach genug: wir wollen leben, und das Leben
ist kurz ...
Dann kamen die drei Jahre der Inflation, ...
sie enteignete die Schicht, die seit einem Jahrhundert der Träger der deutschen
Zivilisation gewesen war und ihre ethischen Normen zu Gesetzen kristallisiert
hatte. Vermögen zerbrachen zwischen Morgen und Abend. ... Dann marschierte
eine neue, erbärmliche Armee von Parvenüs auf diesem Ruin wie in eine
eroberte Stadt und zog die Frauen aus den eroberten Häusern wie Marketenderinnen
mit sich. Es gab einen nie dagewesenen Ausverkauf der gesammelten Moralvorstellungen
eines Jahrhunderts. Gute, stabil verheiratete Frauen, die die Last tragen mußten,
ihre Familie am Leben zu halten, verkauften sich für bare Münze, und
ihre Ehemänner schauten weg, sofern sie nicht selbst das Management dieses
Geschäftes übernahmen. Wohlbehütete Mädchen, in deren Gegenwart
niemals ein unziemliches
Wort
gesprochen worden war, verkauften sich; ihre Eltern
schwiegen, sofern sie nicht zu Kupplern wurden. ...
Heute hat sich der neue Status etabliert. Frauen
sind ein inniger Bestandteil des industriellen Lebens und selbst jene, die es
nicht nötig hätten, suchen sich einen Beruf. Das gute, nichtstuende
Heimchen, das herumgeführt wurde von der heiligen Allianz der Tanten und
Verwandten und auf einen Ehemann nach Wahl ihrer Eltern warten mußte,
ist gänzlich verschwunden. Die Zahl der Ehefrauen, die so von ihren Ehemännern
abhängig sind, daß sie deren üble Launen aushalten müssen,
ist deutlich zurückgegangen. Einen außerordentlich großen Zuwachs
gab es bei der Zahl der freien
Verbindungen,
die ohne große äußerliche Schwierigkeiten gelöst werden können.
Der Trend zu erotischer Selbstbestimmung hat bei den Frauen den Sieg davongetragen..."
Carl von Ossietzky, Die Revolte der deutschen
Frauen, ursprünglich auf englisch erschienen in The Nation, 7.1.1928. Hier
übersetzt durch Dirk Grathoff, in: Carl von Ossietzky Lesebuch, Reinbek:
Rowohlt, 1994, S.174/175.
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