Maltes Lesebuch
MALTES LESEBUCH
Guten Tag, mein "Lese- und Notizbuch" ist umgezogen. Ich habe es in die
modische Form eines Blogs gegossen:
Bonjour, mon "cahier des lectures et des notes" à déménagé.
Je l'ai transmis dans la forme modique d'un blog:
Goeiedag, mijn "lees- en notitieboek" is verhuisd. Ik heb het in de
modische vorm van een blog gegoten:
Hello, my "readings and notes" section has moved. I have put it into
the fashionable form of a blog:
www.woydt.be/blog/
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PRIVATHOME:
LESEBUCH:
NATIONALSCHRIFTSTELLER
Nationalschriftsteller
"... Da haben wir
also eine neue Idee: daß jedes
Land durch ein Buch repräsentiert
zu sein habe oder jedenfalls durch einen Autor, der Autor vieler Bücher
sein kann.
Merkwürdig ist nur
- und ich glaube, daß dies bisher nicht bemerkt wurde -, daß die
Länder Individuen ausgewählt haben, die ihnen nicht besonders ähnlich
sind. So sollte man meinen, England hätte Dr. Johnson als Vertreter ausgesucht;
aber nein, England hat Shakespeare
gewählt, und Shakespeare ist gewissermaßen der unenglischste aller
englischen Schriftsteller. Typisch für England ist das 'understatement',
ist, weniger zu sagen, als die Dinge eigentlich ausmachen. Im Gegensatz dazu
neigte Shakespeare zur Hyperbel in der Metapher, und es dürfte uns nicht
überraschen, wenn Shakespeare
zum Beispiel Italiener oder Jude gewesen wäre.
Ein anderer Fall liegt in
Deutschland vor; ein bewundernswertes Land, das so leicht zum Fanatismus neigt,
wählt ausgerechnet einen toleranten Mann, der überhaupt nicht fanatisch
ist und dem der Begriff des Vaterlandes
nicht sonderlich viel bedeutet; es wählt Goethe. Deutschland wird durch
Goethe repräsentiert.
In Frankreich wurde kein
Autor ausgewählt, aber man neigt zu Hugo. Natürlich hege ich große
Bewunderung für ihn, aber Hugo ist kein typischer Franzose. Er ist ein
Fremder in Frankreich; Hugo mit seinen großen Gebärden und ausufernden
Metaphern ist nicht typisch für Frankreich.
Ein anderer, noch weit merkwürdigerer
Fall ist Spanien. Spanien hätte durch Lope, durch Calderón, durch
Quevedo vertreten sein können. Aber nein, Spanien wird repräsentiert
durch Miguel de Cervantes. Cervantes ist ein Zeitgenosse der Inquisition, aber
er ist tolerant, er ist ein Mann, der weder die spanischen Tugenden noch die
spanischen Laster teilt.
Es ist, als dächte
jedes Land, es müsse durch jemanden vertreten sein, der von ihm verschieden
ist; durch einen, der ein wenig eine Art Heilmittel oder Gegengift für
die Fehler des Landes darstellt. ..."
José Luis
Borges: Das Buch. In: ders.: Der ewige Wettlauf zwischen Achilles und der Schildkröte.
Leipzig/Weimar: Kiepenheuer 1985, S.10/11
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