Maltes Lesebuch
MALTES LESEBUCH
Guten Tag, mein "Lese- und Notizbuch" ist umgezogen. Ich habe es in die
modische Form eines Blogs gegossen:
Bonjour, mon "cahier des lectures et des notes" à déménagé.
Je l'ai transmis dans la forme modique d'un blog:
Goeiedag, mijn "lees- en notitieboek" is verhuisd. Ik heb het in de
modische vorm van een blog gegoten:
Hello, my "readings and notes" section has moved. I have put it into
the fashionable form of a blog:
www.woydt.be/blog/
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PRIVATHOME:
LESEBUCH:
WAHRHEIT
Wahrheit
"Wer die Suche nach Wahrheit zu seiner Lebensaufgabe machen will, geht nicht
in die Politik, sondern in die Wissenschaft.
Je länger jemand in der Wissenschaft geforscht, nach Wahrheit gesucht hat,
desto weniger ist er für die Politik brauchbar. ... in der Politik [geht]
es nicht um die Wahrheit ..., sondern um die richtige Entscheidung. ... Ob der
Tunnel gebaut werden soll, ist eine Frage der Wertung. ... Der Tunnel ist nicht
wahr oder unwahr, sondern richtig oder falsch. ..."
"Politik ist für Wahrheit nicht zuständig. Was wahr ist, läßt
sich nicht beschließen, und schon gar nicht von
Politikern ... Beschließen
läßt sich, was geschehen soll."
"Das Kennzeichen politischen Redens ist
nicht die Lüge, sondern das von Interessen und vom Willen gesteuerte Teilbild
der Wirklichkeit. Man könnte es auch Teilwahrheit
nennen. ...
Wo Interesen im Spiel
sind, ist das Gegeneinander unterschiedlicher, von Interessen geleiteter Bilder
der Wirklichkeit üblich. ... So arbeitet die Demokratie.
Sie handelt mit Teilwahrheiten. Und sie darf dies tun, solange die Beteiligten
es wissen.
Daß diese Form der Diskussion
trotzdem auf Argwohn und den Vorwurf der Lüge stößt, hat mehr
als einen Grund. Sicher spielt da die Sehnsucht nach Harmonie mit, nach dem
eienn, verläßlichen Bild der Wirklichkeit, der verordneten Wahrheit,
wie sie Diktaturen anzubieten haben. ... Aber es läßt sich nicht
bestreiten, daß ... jede Teilwahrheit immer in Gefahr ist, zur Lüge
zu werden. Das beginnt schon da, wo sie mit einem Pathos der Wahrheit vorgetragen
wird, das ihr nicht zukommt. ...
Politiker haben das Recht und die Pflicht, ihre
Entscheidungen und die Wertungen, die dazu geführt haben, mit ihrem Bild
der Wirklichkeit zu begründen. Sie haben auch das Recht, den anderen Aspekt
stillschweigend ihren Gegnern zu überlassen. ... Aber wenn sie meinen,
sie könnten mit entgegengesetzten Wertungen spielen, nach Bedarf immer
wieder eine neue Version aus der Schublade ziehen, einmal das Pro, ein andermal
das Kontra, dann ist der Vorwurf der Lüge unvermeidlich, auch wenn er im
strengen Sinn des Wortes nicht zutrifft.
..."
Erhard Eppler: Privatisierung der politischen
Moral? Frankfurt(Main): Suhrkamp 2000, S.33-42, etwas umsortiert.
01/03
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