Maltes Lesebuch
MALTES LESEBUCH
Guten Tag, mein "Lese- und Notizbuch" ist umgezogen. Ich habe es in die
modische Form eines Blogs gegossen:
Bonjour, mon "cahier des lectures et des notes" à déménagé.
Je l'ai transmis dans la forme modique d'un blog:
Goeiedag, mijn "lees- en notitieboek" is verhuisd. Ik heb het in de
modische vorm van een blog gegoten:
Hello, my "readings and notes" section has moved. I have put it into
the fashionable form of a blog:
www.woydt.be/blog/
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PRIVATHOME:
LESEBUCH:
EINSAMKEIT
Einsamkeit
"Wenn man
von den Einsamen spricht, setzt man immer zuviel voraus. Man meint, die Leute
wüßten, um was es sich handelt.
Nein, sie wissen es nicht. Sie haben
nie einen Einsamen gesehen, sie haben ihn nur gehaßt, ohne ihn zu kennen.
Sie sind seine Nachbarn gewesen,
die ihn aufbrauchten, und die Stimmen im Nebenzimmer, die ihn versuchten. Sie
haben die Dinge aufgereizt gegen ihn, daß sie lärmten und ihn übertönten.
Die
Kinder
verbanden sich wider ihn, da er zart und ein Kind war, und mit jedem
Wachsen wuchs er gegen die Erwachsenen an. Sie spürten ihn auf in seinem
Versteck wie ein jagbares Tier, und seine lange Jugend war ohne Schonzeit. Und
wenn er sich nicht erschöpfen ließ und davonkam, so schrieen sie
über das was von ihm ausging, und nanneten es häßlich und verdächtigten
es. Und hörte er nicht darauf,
so wurden sie deutlicher und aßen ihm sein Essen weg und atmeten ihm seine
Luft aus und spieen in seine Armut, daß sie ihm widerwärtig würde.
Sie brachten Verruf über ihn wie über einen Ansteckenden und warfen
ihm Steine nach, damit der sich rascher entfernte. Und sie hatten recht in ihrem
alten Instinkt: denn er war wirklich ihr Feind.
Aber
dann, wenn er nicht aufsah, besannen sie sich. Sie ahnten, daß sie
ihm mit alledem seinen Willen taten: daß sie ihn in seinem Alleinsein
bestärkten und ihm halfen, sich abzuscheiden von ihnen für immer.
Und nun schlugen sie um und wandten das Letzte, an, das Äußerste,
den anderen
Widerstand:
den Ruhm. Und bei diesem Lärmen blickte
fast jeder auf und wurde zerstreut."
Rainer
Maria Rilke: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge. Frankfurt: 1991
(1910), S.170/171. Volltext im Internet: http://www.rilke.de/
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