Maltes Lesebuch
MALTES LESEBUCH
Guten Tag, mein "Lese- und Notizbuch" ist umgezogen. Ich habe es in die
modische Form eines Blogs gegossen:
Bonjour, mon "cahier des lectures et des notes" à déménagé.
Je l'ai transmis dans la forme modique d'un blog:
Goeiedag, mijn "lees- en notitieboek" is verhuisd. Ik heb het in de
modische vorm van een blog gegoten:
Hello, my "readings and notes" section has moved. I have put it into
the fashionable form of a blog:
www.woydt.be/blog/
|
.
|
PRIVATHOME:
LESEBUCH:
TRIVIAL PURSUIT
Trivial Pursuit
"Auf die zwei Zuhörer,
die für einen Moment gegeneinanderstehen und danach zu trachten haben,
der eine schneller zu antworten als der andere, trifft nun die folgende Frage:
'Worauf warten Wladimir und Estragon?' Die Kandidaten zögern lange, der
Moderator wiederholt die Frage, aber ganz offenbar lösen die Namen kein
Wiedererkennen in denen aus, die gefragt worden sind. Zuletzt jedoch, unsicher,
und selber halb fragend, sagt der eine: 'Godot'. Richtig. Er hat es getroffen,
den anderen ausgestochen und bekommt jetzt die nächste Frage vorgesprochen,
die ihn diesmal nach einer Automarke suchen läßt. ...
Gewitzt allein in der Technik
jener Art Fragen, das weniger Bekannte in das Geläufige zu mischen, kürzt
er die exotischen Namen, die ihm so hörbar wenig sagen, und behält
als Rohform in Händen: 'Worauf warten...'. Dies in der Normalform 'warten
auf' verbindet sich ihm selbsttätig mit Godot, reflexhaft, und so weiß
der Medienteilnehmer etwas, das er
nicht kennt, und kennt etwas, wovon er nichts weiß. ...
An dem Titel von Beckets
Stück hat sich insofern aber etwas vollzogen, wovon es selber handelt.
... Wladimir und Estragon führen eben das trivial pursuit vor, zu
dem sich die Welt inzwischen offen bekannt hat und zu dem die beiden noch einmal
geworden sind. ... Das was den Stücken Beckets das Etikett absurd eingeragen
hat, ist nur der genaueste Reflex einer Wirklichkeit, die an Unwahrscheinlichkeit
und Phrasenhaftigkeit in ihrer gängigen Realität ein Stück wie
den Godot unablässig übertrifft. ...
Das Quiz setzt voraus die
Verwandlung der Welt in Daten. In ihnen aber, so gut sie zum bloßen Sammeln
sich eignen, sammelt sich keine Wirklichkeit.
... Jedes Faktum ist als solches gleich wert dem andern. Jedes ist gleich abfragbar.
Für die Daten bedarf es keines Gedächtnisses, sondern des Speichers.
Kein Zusammenhang von Erfahrung, keiner von Bildung
ist Voraussetzung des Quiz, selbst wenn es die Bildungsfragen stellt, sondern
die Masse der bits, zu denen die Welt zerlegt ist. ... nicht Erfahrung, sondern
Informiertheit. Wer auf dem
Markt
sich behaupten will, bedarf notwendig ihrer
und der richtigen Reflexe ...
All diese Informationen
aus einer Welt sind im Nebeneinander und in sich gleichgültig. ... Deswegen
[kann Becket die in sich gleichgültigen Bestandteile von Welt in seinen
Stücken weglassen]."
Eske Bockelmann:
Quiz. In: Nationaltheater Mannheim,
Programmheft zu: Samuel Becket: Warten auf Godot, Mannheim 1991..
12/91
|