Maltes Lesebuch
MALTES LESEBUCH
Guten Tag, mein "Lese- und Notizbuch" ist umgezogen. Ich habe es in die
modische Form eines Blogs gegossen:
Bonjour, mon "cahier des lectures et des notes" à déménagé.
Je l'ai transmis dans la forme modique d'un blog:
Goeiedag, mijn "lees- en notitieboek" is verhuisd. Ik heb het in de
modische vorm van een blog gegoten:
Hello, my "readings and notes" section has moved. I have put it into
the fashionable form of a blog:
www.woydt.be/blog/
|
.
|
PRIVATHOME:
LESEBUCH:
JÜDISCHE REAKTIONEN
Jüdische Reaktionen
"Die Einstellung vieler
Juden zum Antisemitismus kann mit der Haltung der
Abstinenzler
vereine
zum Alkoholismus
verglichen werden: Man müsse nur für eine Unterbrechung des Nachschubs
sorgen, dann werden die Trinker bzw. die Antisemiten 'trockengelegt'; eine naivere
Vorstellung über die Natur von Sucht-Verhalten und die vielfältigen
Möglichkeiten, es zu befriedigen, läßt sich kaum denken. Der
Trinker, um die Möglichkeit eines ordentlichen Einkaufs gebracht, wird
auf den Schwarzen Markt ausweichen oder sich seinen Fusel selber brauen. Der
Antisemit, der zur Entfaltung seiner Obsessionen auf echte Juden nicht angewiesen
ist ('Wer Jude ist, bestimme ich!' sagte Goebbels), braucht auch keine echten
Argumente, die Klamotte von der jüdischen Weltverschwörung, eine alte
Ritualmordgeschichte oder sonst irgendein Blödsinn, an dessen Widerlegung
die
Aufklärer
seit Jahrhunderten
arbeiten,
tut's zur Not auch.
Juden unterliegen dem Mißverständnis,
daß sie sich keine Blöße geben (bzw. zugeben) dürfen,
um die antisemitische Aggression nicht noch weiter anzuheizen, daß sie
von den Antisemiten verschont werden, wenn sie sich als wertvolle, ja unentbehrliche
Träger von
Kultur
und Zivilisation
präsentieren. ... Deswegen werden dauernd die jüdischen Nobelpreisträger,
Denker, Forscher, Erfinder, Künstler und Wohltäter aufgezählt,
deswegen wird bis zum Erbrechen der 'jüdische Beitrag zur deutschen Kultur'
vorgeführt, als würde sich das Existenzrecht der Juden von der Anzahl
der von jüdischen Bastlern beim Patentamt eingereichten Erfindungen herleiten.
Juden wollen ums Verrecken gute Menschen sein ... Statt darauf hinzuweisen,
daß nach
2000 Jahren fruchtlosen Pazifismus,
der sie vor keiner Katastrophe bewahrt hat, die Juden das Recht
haben, genauso die Sau rauszulassen, wie es alle Völker schon immer getan
haben, ohne dabei an Gewissensbissen zu leiden, meinen viele, wenn sie nur fest
genug zusammenhalten, werden sie die Antisemiten dadurch beeindrucken, vielleicht
sogar einschüchtern könen. ...
Den meisten Juden in Deutschland
ist es schrecklich peinlich, daß die Frankfurter Unterwelt stark verjudet
ist, dies, meinen sie, fördere den Antisemitismus. Soviel ich weiß,
gelten auch in der Unterwelt die Gesetze des
freien
Marktes:
der Stärkere setzt sich durch. Mir sind die Unterwelt-Typen auch
zuwider, aber ich bin sehr für das Recht der Juden, sich in diesem Bereich
der Wirtschaft betätigen zu können ...
Die größte Leistung
des Antisemitismus liegt nicht in der Dämonisierng der Juden, sondern in
dem Umstand, daß Juden selbst meinen, sich dafür, daß sie Juden
sind, rechtfertigen zu müssen. ...
Die einen wollen gute Juden
sein und dies ist, nach der
Vernichtung
der jüdischen Kultur in
Europa,
nur möglich über eine Identifikation mit Israel; die anderen
gute linke Genossen
und Freunde aller
Unterdrückten
und Entrechteten. Sie müssen sich den Zugang zum fortschrittlichen Lager
(das sich nicht zufällig so nennt: Lager) mit ideologischer Kapo-Arbeit
erkaufen, ob sie nun Khomeini und Gaddafi preisen oder Begin als Nazi
entlarven,
wie es die jeweils
korrekte Linie
verlangt.
Henrik M. Broder:
Das richtige Stück für das falsche Publikum. In: Joshua Sobol: Ghetto,
Schauspiel in drei Akten. Hg. von Harro Schweizer. Berlin: Quadriga-Verlag Severin
1984, S.217-223.
|