Maltes Lesebuch
MALTES LESEBUCH
Guten Tag, mein "Lese- und Notizbuch" ist umgezogen. Ich habe es in die
modische Form eines Blogs gegossen:
Bonjour, mon "cahier des lectures et des notes" à déménagé.
Je l'ai transmis dans la forme modique d'un blog:
Goeiedag, mijn "lees- en notitieboek" is verhuisd. Ik heb het in de
modische vorm van een blog gegoten:
Hello, my "readings and notes" section has moved. I have put it into
the fashionable form of a blog:
www.woydt.be/blog/
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PRIVATHOME:
LESEBUCH:
LINKE
Linke Glaubenssaetze
"Das politische Engagement
derer, die sich nicht an linke Fleischtöpfe
gesetzt hatten, sondern die Welt
retten wollten, verlagerte sich von den roten Fahnen auf die grüne
Bewegung. ... Hinter der Sicherheit, mit der die Vertreter der Orthodoxie
Häretiker denunzieren,
verbirgt sich aber ebenfalls eine Angst vor Heimatlosigkeit, die auf ihrer
Seite viel größer ist als auf der Seite der Denunzierten, die
andere Wurzeln geschlagen oder sich in die Tatsache hineingefunden haben,
daß man als denkender Mensch die Einsamkeit
akzeptieren muß.
Überprüfen
wir von dem Set an Ideen, der
den Marxismus ausmachte, einige
Bestandteile daraufhin, ob sie noch zu der gehüteten Orthodoxie gehören
oder nicht:
Die Forderung nach
Vergesellschaftung der Produktionsmittel, ohne die man nichts Gutes erwarten
durfte, hat man fallengelassen, wie eine heiße Kartoffel. ...
Auch wenn man nicht
mehr an die aufeinanderfolgende Stufenreihe der Produktionsverhältnisse
glaubt, so hält man doch an der Vorstellung einer den Abläufen
innewohnenden Eigendynamik fest...
Von der Fähigkeit
übergeordneter Ideen, eine gesellschaftliche Leitfunktion zu haben,
hielt man im dialektischen Materialismus nichts, und man hat jetzt dank
der Systemtheorie die Gelegenheit,
an der Ablehnung all dessen, was man früher als ideologischen Überbau
der bürgerlichen Gesellschaft geringgeachtet hat, festzuhalten.
Parteilichkeit
... Menschen mußten ... zugunsten des Proletariats die Forderung nach
der Aufhebung seiner Unterprivilegierung erheben. Dabei kam es nicht darauf
an, die Stabilität des Gesamtsystems im Auge zu haben, sondern im Gegenteil
darauf, partikulare Interessen zur Durchsetzung zu bringen. ... Man nimmt [heute]
nach wie vor Partei und denkt nicht daran, in staatsbürgerlicher Verantwortung
für das Ganze den Bestand der Polis zu schützen. Man nimmt aber nicht
mehr für die Massen Partei; man hat sie aus der Klientel verstoßen
und sich benachteiligte Minderheiten gesucht, für die man streitet [:]
... Frauen, ...
Ausländer
...
Treue zu den Massen
... Das ... sozialethische Motiv im Marxismus erweist sich als zu schwach,
als daß die Sympathie für Unterprivilegierte es aushalten könnte,
wenn diese sich unter neue Fahnen
stellen.
Ablehnung der Rechtsstruktur
... angestrebt wurde eine neue Ordnung,
die gerecht war, ohne Individuen subjektive, gegeneinander antagonistische Rechte
zu garantieren. ... Es war antiliberal und antirechtsstaatlich. Diese Haltungen
werden heute im Kommunitarismus fortgesetzt. [auch im Feminismus]
...
Das beste Element
im Marxismus war das ethische. Im Unterschied zu dem philosophischen blieb
das ethische Element versteckt; es wurde tatsächlich von der materialistischen
Philosophie erstickt, die Ethik nicht duldete und das Gute nicht als eine
von Menschen zu verwirklichende Idee ansah, sondern als das Endergebnis
eines materiell initiierten Prozesses ausgab. ... in dieser Frage ... kam
es dann zur Abspaltung des Revisionismus in der sich entwickelnden SPD.
...
Wenn jemand gewisse
Schweinereien nicht begeht, weil er seine Identität 'links' ansiedelt,
drückt sich darin eine - oberflächlich betrachtet - diffuse,
genau genommen aber doch spezifische Auffassung vom 'Links-Sein' aus.
Obwohl ... der Marxismus
kein Program der Gewaltlosigkeit vertrat,
war für viele Linke der Pazifismus
doch eine Haltung, die sie mit ihrem Links-Sein in Zusammenhang brachten. Diese
Haltung bereitete sich eine letzte große Feier im Protest gegen den Golfkrieg,
die eine überraschende und scharfe Gegenposition innerhalb der eigenen
Reihen provozierte. ...
Es zeigt sich: Vom
Links-Sein ist nichts übriggeblieben
als ein gewisser Anti-Idealismus, eine gewisse Parteilichkeit, die sich
aber von der Masse auf Minderheiten verschoben hat, etwas Mißtrauen
gegen den liberalen
Rechts-staat
und einige ideologisch ungebündelte
Fünkchen von ethischem
Humanismus.
Diese heterogenen Elemente sind
in sich zu widersprüchlich, als daß sie als Orthodoxie auftreten
könnten; das Band, das einige Linke noch zusammenhält, hat lediglich
soziologischen Charakter und eine Funktion in der Seilschaft, die sie verbindet."
Sibylle
Tönnies: Die Gemeinschaft der Heiligen. In: Kursbuch 116 "Verräter"
Juni 1994, S.19-24
08/93
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