Maltes Lesebuch
MALTES LESEBUCH
Guten Tag, mein "Lese- und Notizbuch" ist umgezogen. Ich habe es in die
modische Form eines Blogs gegossen:
Bonjour, mon "cahier des lectures et des notes" à déménagé.
Je l'ai transmis dans la forme modique d'un blog:
Goeiedag, mijn "lees- en notitieboek" is verhuisd. Ik heb het in de
modische vorm van een blog gegoten:
Hello, my "readings and notes" section has moved. I have put it into
the fashionable form of a blog:
www.woydt.be/blog/
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PRIVATHOME:
LESEBUCH:
ZERSTÖRUNGSSUCHT
Zerstörungssucht
"Von der Zerstörungssucht
der Masse ist oft die Rede, es ist das erste an ihr, was ins Auge
fällt, und es ist unleugbar, daß sie sich überall findet,
in den verschiedensten Ländern und Kulturen.
... Am liebsten zerstört die Masse Häuser und Gegenstände
Da es sich oft um Zerbrechliches
handelt, wie Scheiben, Spiegel, Töpfe, Bilder, Geschirr, neigt man dazu
zu glauben, daß es eben diese Zerbrechlichkeit von Gegenständen sei,
die die Masse zur Zerstörung anreizt. Es ist nun gewiß richtig, daß
der Lärm der Zerstörung, das Zerbrechen von Geschirr, das Klirren
von Scheiben zur Freude daran ein Beträchtliches beiträgt: Es sind
die kräftigen Lebenslaute eines
neuen Geschöpfes, die Schreie eines Neugeborenen. Daß es so leicht
ist, sie hervorzurufen, steigert ihre Beliebtheit, alles schreit mit einem und
den anderen mit, und das Klirren ist der Beifall der Dinge. Ein besonderes Bedürfnis
nach dieser Art von Lärm scheint zu Beginn der Ereignisse zu bestehen,
da man sich noch nicht aus allzu vielen zusammensetzt und wenig oder gar nichts
geschehen ist. Der Lärm verheißt die Verstärkung, auf die man
hofft, und er ist ein
glückliches
Omen für die kommenden Taten.
Aber es wäre
irrig zu glauben, daß die Leichtigkeit des Zerbrechens das Entscheidende
daran ist. Man hat sich an Skulpturen aus hartem Stein herangemacht, und
nicht geruht, bis sie verstümmelt und unkenntlich waren. ... Die Zerstörung
von Bildwerken, die etwas vorstellen, ist die Zerstörung der Hierarchie,
die man nicht mehr anerkennt. Man vergreift sich an den allgemein etablierten
Distanzen, die für alle sichtbar sind und überall gelten. Ihre
Härte war der Ausdruck für ihre Permanenz ... nun sind sie gestürzt
und in Trümmer geschlagen. ...
Die Zerstörung gewöhnlicher
Art, von der Anfangs die Rede war, ist nichts als ein Angriff auf alle Grenzen.
Scheiben und Türen gehören zu den Häusern, sie sind der empfindlichste
Teil ihrer Abgrenzung gegen außen. ... In diesen Häusern stecken
aber gewöhnlich, so glaubt man, die Menschen, die sich von der Masse auszuschließen
suchen, ihre Feinde. Nun ist, was sie abtrennt, zerstört. ... Sie können
heraus und sich ihr anschließen. Man kann sie holen.
Es ist aber noch mehr daran.
Der einzelne Mensch selbst hat das Gefühl, daß er in der Masse die
Grenzen seiner Person überschreitet. Er fühlt sich erleichtert, ...
[er] fühlt ... sich frei. ... Alles,
was Distanzen hält, bedroht ihn und ist ihm unerträglich. ...
Die Masse, die Feuer
legt, hält sich für unwiderstehlich. ... Es ist ... das kräftigste
Symbol, daß es für die Masse gibt. Nach aller Zerstörung
muß es wie sie erlöschen."
Elias Canetti:
Masse und Macht. Frrankfurt(Main):
Fischer 1980 [1960], S.14.-16.
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