Maltes Lesebuch
MALTES LESEBUCH
Guten Tag, mein "Lese- und Notizbuch" ist umgezogen. Ich habe es in die
modische Form eines Blogs gegossen:
Bonjour, mon "cahier des lectures et des notes" à déménagé.
Je l'ai transmis dans la forme modique d'un blog:
Goeiedag, mijn "lees- en notitieboek" is verhuisd. Ik heb het in de
modische vorm van een blog gegoten:
Hello, my "readings and notes" section has moved. I have put it into
the fashionable form of a blog:
www.woydt.be/blog/
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PRIVATHOME:
LESEBUCH:
UNTERTAN
Untertan
"'Ich
werde also nicht vom Fürsten sprechen, sondern vom Untertan, den er
sich formt; nicht von Wilhelm dem Zweiten, sondern vom Zeugen Heßling.
Sie haben ihn gesehen! Ein Durchschnittsmensch
mit gewöhnlichem Verstand, abhängig von Umgebung und Gelegenheit,
mutlos, solange hier die Dinge schlecht für ihn standen, und von großem
Selbstbewußtsein, sobald sie sich gewendet hatten.' ...
'Wie er',
sagte Buck, 'waren zu jeder Zeit viele Tausende,
die ihr Geschäft versahen und eine politische Meinung
hatten. Was hinzukommt und ihn zu einem neuen Typus macht, ist einzig die Geste:
das Prahlerische des Auftretens, die Kampfstimmung einer vorgeblichen Persönlichkeit,
das Wirkenwollen um jeden Preis, wäre er auch von anderen zu bezahlen.
Die Andersdenkenden sollen Feinde der Nation heißen, und wären sie
zwei Drittel der Nation. Klasseninteressen,
mag sein, aber umgelogen durch Romantik. Eine romantische Prostation vor einem
Herrn, der seinem Untertan von seiner Macht
das Nötige leihen soll, um die noch Kleineren niederzuhalten. Und da es
in Wirklichkeit und im Gesetz weder den Herrn noch den Untertan gibt, erhält
das öffentliche Leben einen Anstrich schlechten Komödiantentums. Die
Gesinnung trägt Kostüm, Reden fallen wir vor Kreuzrittern, indes man
Blech erzeugt oder Papier, und das Pappschwert wird gezogen für einen Begriff
wie den der Majestät, den doch kein Mensch mehr, außer in Märchenbüchern,
ernsthaft erlebt. ...
Mehr Veränderung
als alle Wirtschaftsgesetze erzeugt in der Welt das Beispiel eines großen
Mannes. Und wehe, wenn es ein falsch verstandenes Beispiel war! Dann kann
es geschehen, daß über das Land sich ein neuer Typus verbreitet,
der in Härte und Unterdrückung nicht den traurigen Durchgang zu menschlicheren
Zuständen sieht, sondern den Sinn des Lebens
selbst. Schwach und friedfertig von Natur, übt er sich, eisern zu scheinen,
weil in seiner Vorstellung Bismarck es war. Und mit unberechtigter Berufung
auf einen noch Höheren wird er lärmend und unsolide. Kein Zweifel:
die Siege seiner Eitelkeit werden
geschäftlichen Zwecken dienen. Zuerst bringt die Komödie seiner Gesinnung
einen Majestätsbeleidiger ins Gefängnis. Später findet sich,
was damit zu verdienen ist ...'"
Heinrich
Mann: Der Untertan. Taschenbuchausgabe München 1965, S.180-183.
07/92
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